Festrede 18. Hambacher Bikerfest am 6. August 2016

 

Von Rolf „Hilton“ Frieling

 

MID Motorrad Initiative Deutschland e.V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

 

bereits zum achtzehnten Mal versammeln wir uns hier am Hambacher Schloß, um unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als motorisierte Zweiradfahrer und mündige Bürger zu Gehör zu bringen.

 

Wie üblich, möchte ich zum Einstieg noch einmal kurz erläutern, wer Euer Gastgeber bei dem heutigen Event ist. Das Hambacher Bikerfest wird von der MID, ausgeschrieben „Motorrad Initiative Deutschland e.V.“, veranstaltet. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten und die politische Arbeit der Fahrerverbände zu koordinieren.

 

Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Das fängt schon damit an, daß alle Verbandsvertreter ehrenamtlich tätig sind und „nebenbei“ noch einer zeitintensiven Erwerbstätigkeit nachgehen. Wenn die politische Arbeit der Fahrerverbände aber keine Beschäftigungstherapie, sondern wirksame Vertretung der Interessen aller motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir mit einer Stimme sprechen.

 

In der MID haben alle Verbände die Chance, sich wirksam einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln.

 

Die MID ist seit Jahren kompetente Ansprechpartnerin der Politik, der Behörden und der Öffentlichkeit. Mit unseren Positionspapieren zum „Vorbeifahren an Kolonnen“ und zur Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie in deutsches Recht haben wir bewiesen, daß die Fahrerverbände einen wichtigen, fachlich fundierten Beitrag zu Gesetzgebungsverfahren liefern können. Die MID ist also die Verkörperung des alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.

 

Entstanden ist das Hambacher Bikerfest vor 17 Jahren aus einer Veranstaltung der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe der damaligen Daimler Chrysler AG. Seither hat sich „Hambach“ zu einem Begriff in der Motorrad-Community und zum bundesweit beachteten Event der Fahrerverbände entwickelt. 2010 konnten wir unser Veranstaltungskonzept auf einer internationalen Konferenz der EU-Kommission vorstellen sowie einer Delegation US-amerikanischer Straßenbauer präsentieren. Ohne große Übertreibung kann man also sagen: die Welt schaut auf die MID und auf unser Bikerfest am Hambacher Schloß. Und das trotz der nicht immer einfachen Rahmenbe­dingungen, mit denen wir leben müssen. Denn als „Hobby-Politiker“ stoßen wir manchmal an die Grenzen unserer Möglichkeiten. Wir können also wirklich stolz darauf sein, was wir in den vielen Jahren erreicht haben.

 

Was macht das Hambacher Bikerfest so besonders? Zum einen natürlich der Bezug zum historischen Hambacher Fest von 1832, das Demokratiegeschichte schrieb. Damals wie heute zogen die Teilnehmer hinauf zum Hambacher Schloß, um ihre politischen Forderungen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Damals wie heute gab es politische Festreden auf dem Schloßberg, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Und damals wie heute kam das Feiern nicht zu kurz.

 

Das Hambacher Bikerfest ist aber nicht nur eine Demonstration für die Rechte von Motorradfahrern. Denn wir wollen nicht nur auf Mißstände aufmerksam machen, sondern positive Signale aussenden. Mit den externen Festvorträgen, von Beginn an fester Bestandteil unseres Konzepts, bieten wir eine Plattform, ermutigende Beispiele vorzustellen, wie die Verkehrssicherheit auf Deutschlands Straßen auch für die besonders gefährdete Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer verbessert werden kann.

 

In den letzten Jahren wurden zudem zehn Städte und Gemeinden, von Eckernförde bis Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet, ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Im vorletzten Jahr konnten wir den Preis sogar an einen ganzen Landkreis übergeben. Mit dieser Auszeichnung wollen wir zur Nachahmung anregen, wie sich an der Zahl der Preisträger zeigt, mit beachtlichem Erfolg. Trotzdem gab es auch Jahre, in denen wir trotz aller Bemühungen keine geeignete Preisträgerin finden konnten. Das zeigt, daß für uns noch viel zu tun bleibt.

 

Wie schon angesprochen, lautet das Motto des Hambacher Bikerfests „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“. Beim Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer. So sank die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer zwischen 1995 und 2013 von 912 auf 568. Das ist ein Rückgang von fast 40 %. Erweitert man den Betrachtungszeitraum auf die Periode von 1980 bis 2013, also auf mehr als 30 Jahre, ist die Zahl der Getöteten sogar um knapp 2/3 gesunken.

 

Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge auf zwei und drei Rädern aber signifikant angestiegen. Das Bild sieht also noch deutlich besser aus. Seit 1995 hat sich der Fahrzeugbestand fast verdoppelt. 40 % weniger Tote bei doppelt so vielen zugelassenen Fahrzeugen: das ist mehr als erfreulich. Leider berichtet man darüber nur selten in den Medien. Dort wird viel lieber über die „hirnlosen Raser“ und „potentiellen Organspender“ schwadroniert.

 

Natürlich ist jeder Verkehrstote ein Toter zu viel, egal ob er im Auto, als Fußgänger oder als motorisierter Zweiradfahrer ums Leben kommt. Nach den Erfolgen der Vergangenheit wird es immer schwieriger, die Unfallzahlen und damit auch die Zahl der getöteten Motorradfahrer weiter zu senken. Denn bei den Größenordnungen, über die wir mittlerweile sprechen, spielen statistische Schwankungen schon eine maßgebliche Rolle. In den Jahren 2014 und 2015 gab es sogar einen leichten Anstieg der Zahl Getöteten, für den es keine sofort einleuchtende Erklärung gibt. Trotzdem zeigt der langjährige Trend nach unten und das bei weiter steigenden Bestandszahlen.

 

Eine gute Investition in die Verkehrssicherheit von Motorradfahrern ist die Verbesserung der Straßeninfrastruktur. Im Oktober 2007 wurde das sogenannte MVMot, das „Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, veröffentlicht. An der Erstellung des MVMot haben wir als MID intensiv mitgearbeitet. Das Merkblatt hat für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe gesetzt. Heinrich Bergerbusch hatte 2011 an dieser Stelle über die positiven Erfahrungen mit dem Einsatz des MVMot in Nordrhein-Westfalen berichtet.

 

Auch das Land Rheinland-Pfalz arbeitet seit vielen Jahren nach den Regeln des MVMot. Ein Beispiel ist die B 48 zwischen Johanniskreuz und Hochspeyer, nicht weit entfernt von hier. Dieser Straßenabschnitt wurde zwischenzeitlich auf MVMot-Standard gebracht. Fahrbahnreparaturen mit griffigem Straßenbelag, verdichtet aufgestellte Leitpfosten zur Verdeutlichung des Straßenverlaufs, der Abbau unnötiger Leitplanken, zusätzlicher Unterfahrschutz an unfallträchtigen Stellen und der Ersatz von Leitplanken durch Erdwälle zeigen, wie man es richtig macht. Auch sogenannte „Rüttelstreifen“ vor gefährlichen Kurven, die Motorradfahrer zur Reduzierung der Geschwindigkeit veranlassen sollen, sind in Rheinland-Pfalz im Einsatz.

 

In den letzten Jahren wurden zudem Schulungen der Mitarbeiter vor Ort durchgeführt, die zunächst zögerlich angenommen wurden. Spätestens im praktischen Teil stießen sie aber auf ausgesprochen positive Resonanz. Denn der Blick aus der Perspektive der motorisierten Zweiradfahrer hat häufig zu „Aha-Erlebnissen“ geführt. Daß von den getroffenen Maßnahmen auch die Radfahrer profitieren, ist ein zusätzliches, starkes Argument.

 

Der neu aufgelegte „Arbeitskreis Motorradsicherheit“ der FGSV, in dem wir als Vertreter der Motorradfahrer wieder aktiv mitarbeiten, beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit der Weiterentwicklung des MVMot. Denn in einer Bestandsaufnahme wurde festgestellt, daß nur wenige Bundesländer das MVMot verbindlich eingeführt haben oder wenigstens durchgängig danach arbeiten. Seit Juni 2013 gibt es einen Einführungserlaß des Bundesverkehrsministers für das MVMot, der für alle Bundesstraßen und Autobahnen gilt. Die Länder werden in dem Erlaß aufgefordert, sich in ihrem Verantwortungsbereich, sprich für alle Landesstraßen, anzuschließen. Damit wurde ein weiterer, wichtiger Schritt getan.

 

Das überarbeitete MVMot soll Ende diesen / Anfang nächsten Jahres im Entwurf fertig sein. Danach erfolgt die Abstimmung in den Gremien und mit den Verkehrsministerien von Bund und Ländern. Spätestens Ende 2017 soll das MVMot 2.0 verfügbar sein. Da sage noch mal einer, das Bohren dicker Bretter in der Politik würde sich nicht lohnen.

 

Wir Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“ wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern, im Regelfall von unaufmerksamen PKW- und LKW-Fahrern aus dem Leben gerissen.

 

Mit der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer Institutionen leisten wir seit vielen Jahren einen Beitrag, auch die eigene Klientel zu vorausschauender und defensiver Fahrweise anzuhalten.

 

Über unsere bisherigen Beiträge zur Kampagne „Runter vom Gas“ des Bundesministeriums für Verkehr und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat hatte Sandra Demuth vom DVR im Jahr 2012 an dieser Stelle berichtet. Die drei Comic-Hefte der Kampagne zum Thema Motorradsicherheit, „Fahren mit Hirn“, „Besser ankommen mit Hirn“ und „Fit bleiben mit Hirn“, die mit unserer Hilfe entwickelt wurden, werden auf unseren Infoständen auf Motorradmessen und Veranstaltungen verteilt und haben sich zum absoluten Renner entwickelt. Alle drei Broschüren könnt Ihr natürlich auch an unserem MID-Stand abgreifen.

 

Heute haben wir erneut die Kampagne „Runter vom Gas“ hier auf dem Gelände und anschließend auch in Frankenstein zu Gast. Mit der Aktion „Echte Männer rasen nicht" bzw. „Starke Frauen rasen nicht" will sie Bikerinnen und Biker zum Fahren mit angemessener Geschwindigkeit motivieren. Dazu wird ein Foto mit einem entsprechenden Schild in der Hand gemacht und auf der Homepage der Aktion veröffentlicht. Zum Dank für die Teilnahme gibt es ein T-Shirt, ein Patch und einen Aufkleber.

 

Als die Kampagenagentur um unsere Unterstützung gebeten hat, haben wir sofort zugesagt. Denn diese Aktion paßt perfekt zum Motto des Hambacher Bikerfests „Für Verkehrssicherheit – gegen Diskriminierung“. Ich bitte Euch daher, an dieser Aktion, die Euch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommt, teilzunehmen.

 

Gerade die Zusammenarbeit mit dem DVR hat gezeigt, daß es viele gute Ansätze gibt, mit unserer Unterstützung die „Zielgruppe Motorradfahrer“ richtig anzusprechen. Ich bin mir sicher, daß wir auch in der Zukunft einen wichtigen Part dazu beisteuern werden. Denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer mit dem Drehen am Zündschlüssel offenbar sein Gehirn ausschaltet.

 

Stolz sind wir auch auf den ersten Preis im Ideenwettbewerb „Sicher auf Landstraßen“ des Bundesverkehrsministeriums, mit dem das von der Biker Union entwickelte Konzept der sogenannten Bitumenrallyes im Jahr 2013 ausgezeichnet wurde. Die Grundidee einer Bitumenrallye ist, auf einer gemeinsamen Ausfahrt den Straßenzustand zu überprüfen und Gefahrenstellen für Motorradfahrer zu dokumentieren. Im Fachjargon der Verkehrsingenieure heißt so etwas „Bestandsaudit“, allerdings aus dem Blickwinkel des motorisierten Zweiradfahrers als Benutzer der Straße.

 

Die für die Durchführung notwendigen Unterlagen stehen im Internet zum Download zur Verfügung. Nicht nur Fahrerverbände, sondern auch Motorradclubs, freie Motorradstammtische und Einzelpersonen haben sich bereits beteiligt. Ergebnisse sind zum einen die Dokumentation von Problemstellen und die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen zur Problembehebung, aber auch das Schärfen des Blicks der Profis im Straßenbau und der Straßenunterhaltung für die spezifischen Probleme des motorisierten Zweirads.

 

Wie schon zweimal erwähnt, steht auch das achtzehnte Hambacher Bikerfest unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich bereits ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das überhaupt noch ein Thema? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker galten und bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen wurden, sind doch schon lange vorbei.

 

In vielen Bereichen mag das stimmen. Eine krasse Form der Diskriminierung aller Motorradfahrer stellt aber das Thema Streckensperrungen dar. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen auch in Naherholungsgebiete haben, egal ob mit dem PKW, dem motorisierten Zweirad oder als Fahrradfahrer. Soweit die Theorie.

 

In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt Verboten“-Schild, das nur für motorisierte Zweiräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

 

In den meisten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die Sperrung der Straße angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation schnell in sich zusammen. Allen Strecken ist gemeinsam, daß es sich um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen, handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es, wenn „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen spielen lassen.

 

In den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbaubehörden gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K 53 in der Nähe von Euskirchen genannt.

 

Bei vielen Verwaltungen ist zudem die Erkenntnis gereift, daß Streckensperrungen allenfalls als „ultimo ratio“, also als letztes Mittel einer ganzen Kette möglicher Maßnahmen gegen Motorradunfälle vertretbar sind. Denn durch eine Streckensperrung verlagern sich der Verkehr und damit auch ein großer Teil der Motorradunfälle auf andere Straßen. Damit ist also nichts gewonnen.

 

Eine dieser Streckensperrungen ist der Aufhänger für das Hambacher Bikerfest. Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müs­sen am Wochenende draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensper­rung nur für Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorrad­unfälle begründet wird. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

 

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer vielbefahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist auch das ein massiver Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

 

Das Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ein Grundprinzip unserer Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in die Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuff­anlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen von Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Gleiches gilt für die „Raser“ auf den jeweiligen Strecken. Nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Straßen.

 

Das immer wieder aufgewärmte Argument, man hätte dafür nicht genügend Einsatzkräfte, ist eine Bankrotterklärung unseres Staates, die wir nicht akzeptieren. Ist schon mal einer auf die Idee gekommen, in bundesdeutschen Innenstädten eine nächtliche Ausgangssperre zu verhängen, weil sich dort Überfälle auf Passanten häufen, die Polizei aber nicht genug Beamte hat, das zu verhindern? Eine absurde Idee ? Natürlich! Aber genau das passiert bei Streckensperrungen. Weil sich einige nicht an die Regeln halten, werden kurzerhand alle ausgesperrt.

 

Es kommt aber noch schlimmer. Im letzten Jahr hatte ich von einer Veranstaltung zum Thema „Motorradlärm“ in der Eifel berichtet. Dort hatte ein leitender Polizeibeamter allen Ernstes gesagt, daß man keine Motorradkontrollen wegen Einhaltung der Lärmgrenzwerte machen würde, weil das eh‘ nichts brächte. Man würde sich auf Geschwindigkeitskontrollen beschränken. Damit bekäme man früher oder später auch die Lärmsünder von der Straße.

 

Anders ausgedrückt: die zuständige Polizeibehörde läßt die Bewohner und die örtliche Politik einfach im Regen stehen. Die weiß sich nicht anders zu helfen, als auf der Veranstaltung einen Forderungskatalog zu verabschieden, in dem so „sinnvolle“ Dinge stehen wie „Anwendung der zukünftigen Geräuschgrenzwerte auch für Altfahrzeuge“, „jährliche Geräuschuntersuchungen für Motorräder“, „Einführung von Frontkennzeichen für Motorräder“ und natürlich „Straßensperrungen auch aus Lärmschutzgründen“.

 

In den letzten Jahren habe ich an dieser Stelle über die fragwürdigen Grundlagen der Streckensperrung im Elmsteiner Tal berichtet. In diesem Zusammenhang hatte ich darauf verwiesen, daß mit den Maßnahmenpaketen des MVMot und den neuen technischen Möglichkeiten, Motorradraser aus dem Verkehr zu ziehen, die Argumentation pro Streckensperrung in sich zusammenfällt. Leider ist bis heute nichts passiert. Das Tal ist auch in diesem Jahr in den Sommermonaten für motorisierte Zweiradfahrer gesperrt.

 

Wir wollen mögliche Probleme nicht verniedlichen. Die Sperrung einer öffentlichen, aus Steuergeldern finanzierten Straße für eine bestimmte Fahrzeugklasse ist aber ein erheblicher Eingriff in garantierte Grundrechte. Dafür muß es zwingende Gründe geben. Im Elmsteiner Tal kann ich die auch bei gutem Willen nicht erkennen. Zynisch finde ich einen Satz aus der Begründung der Kreisverwaltung für die Sperrung. Ich zitiere: „Daraus ergibt sich, dass auf das Motorradfahrverbot im Elmsteiner Tal im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, besonders der Motorradfahrer selbst, nicht verzichtet werden kann.“ Mit anderen Worten: wir müßten uns eigentlich bei der Kreisverwaltung dafür bedanken, daß die Strecke seit mehr als 20 Jahren in den Sommermonaten für Motorradfahrer gesperrt wird.

 

Ich weiß, daß wir es im Elmsteiner Tal mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer Einfluß zu dieser Streckensperrung geführt hat. Statt mit gro­ßer Inbrunst und seit vielen Jahren dem Heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im Elmsteiner Tal trotzdem mal mit der Er­probung intelligenter Lösungen versuchen.

 

Gleichzeitig würden die Elmsteiner damit auch ein anderes Problem in den Griff bekommen. Seit Jahren gehen die Übernachtungszahlen im Tal deutlich zurück. Nennenswerte Ansiedlungen von Wirtschaftsbetrieben sind nach Aussage von Experten nicht zu erwarten. Beherbergungsbetriebe und die Gastronomie im Elmsteiner Tal klagen trotz aller Anstrengungen, den Tourismus zu fördern, über mangelnden Zulauf und müssen schließen. Motorradtourismus könnte der Ansatz sein, das Problem dauerhaft zu lösen. Das hat in anderen Regionen prima funktioniert. Dazu müßte man allerdings auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Ein unrealistischer Traum?

 

Welche Stilblüten der Heilige St. Florian im Elmsteiner Tal zuwege bringt, hat sich bei der Anmeldung unserer diesjährigen Motorraddemo gezeigt. Ein kurzes Stück der Straße durch das Elmsteiner Tal in der Gemeinde Frankeneck wird derzeit vom Landesbetrieb Mobilität, der rheinland-pfälzischen Straßenbauverwaltung, saniert. Deswegen wird der überörtliche Verkehr großräumig umgeleitet. Für den lokalen Verkehr im Tal gibt es eine innerörtliche Umleitung durch den Ortskern von Frankeneck.

 

In den letzten beiden Wochen tobte hinter den Kulissen ein Kleinkrieg der Bürgermeister von Frankeneck und Lambrecht gegen die Stadtverwaltung von Neustadt über die Frage, ob unsere Motorraddemo die innerörtliche Umleitung benutzen darf oder auch weiträumig umgeleitet werden soll. Die Kreisverwaltung kam mit dem Vorschlag, wir könnten doch eine Alternativstrecke quer durch den Pfälzer Wald nutzen. Dem schloß sich auch der Landesbetrieb an, der vorher keine Probleme mit der Demo-Strecke sah.

 

Nachdem die lokale Presse davon erfahren hatte, erschienen mehrere mehrspaltige Artikel über diese abstruse Diskussion. Wegen der Schulferien gibt es das übliche Sommerloch und die Zeitung will gefüllt werden. Von völligem Chaos durch unsere Motorraddemo, die gemäß der Zeitung Rheinpfalz keine echte Demo sondern lediglich eine folkloristische Traditionsveranstaltung sei, war da die Rede.

 

Da kann man nur staunen. Die innerörtliche Umleitung ist eine öffentliche Straße, deren Bau und Unterhaltung aus Steuergeldern finanziert wurde. Ich kann ja verstehen, daß die Anwohner nicht glücklich sind, wenn sich während der Sanierungsarbeiten ein Teil des Verkehrs durch den engen Ort zwängt. Die Vollsperrung der Hauptstraße im Tal soll aber nur vier Wochen dauern.

 

Vielleicht schaut man mal zu den Nachbarn in Elmstein. Dort ist die Straße an einigen Stellen so schmal, daß nicht einmal ein richtiger Bürgersteig hinpaßt. Da fahren 365 Tage im Jahr PKWs und LKWs mehr oder weniger mitten durch das Wohnzimmer. Unsere Motorraddemo, die wahrscheinlich auch heute von der Kradstaffel der Polizei abgesichert wird, braucht vielleicht 10 Minuten, um die Umleitungsstrecke zu passieren. Da wird ein echtes Luxusproblem zum Untergang des Abendlandes aufgeplustert.

 

Glücklicherweise hat sich letztendlich die Stadt Neustadt durchgesetzt. Denn das Argument, daß das grundgesetzlich garantierte Demonstrationsrecht Vorrang vor der geforderten Sperrung der Umleitungsstrecke für unsere Motorraddemo hat, war nicht von der Hand zu weisen. Für diese Standfestigkeit der Stadtverwaltung und insbesondere des Leiters der zuständigen Fachabteilung, Herrn Völker, möchten wir uns an dieser Stelle noch einmal bedanken.

 

Schauen wir mal, ob die vom Verbandsgemeindebürgermeister in Lambrecht angedrohte Demonstration der Anwohner von Frankeneck gegen unseren Konvoi tatsächlich stattfindet.

 

In Sachen Streckensperrung im Elmsteiner Tal fordere ich die Verantwortlichen erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten Saison ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände stehen bereit, dabei zu unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im Elmsteiner Tal muß endlich weg.

 

Zum Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger Schritt der MID Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“ seine Gültigkeit nicht verloren hat.

 

Die Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt, sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung. Manches mußte auch in diesem Jahr „mit der heißen Nadel“ gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit im Urlaub, abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle noch einmal deutlich herausgestrichen werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

 

Auch in den nächsten Jahren werden wir das Schloß als Kulisse für das Hambacher Bikerfest nutzen. Vielleicht ist ja zum 19. Jubiläum des Hambacher Bikerfests das Thema Streckensperrung im Elmsteiner Tal endlich Geschichte. Dann müßten wir uns einen neuen Aufhänger für unser Fest einfallen lassen. Aber ich bin mir sicher, daß das niemanden traurig stimmen wird. Uns wird da schon etwas einfallen.

 

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den letzten Jahren been­det hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an!

 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

 

 

 

Rolf „Hilton“ Frieling

1. Vorsitzender der MID Motorrad Initiative Deutschland e.V.

Vorsitzender der Biker Union e.V.

Feuerbachstraße 38, 60325 Frankfurt am Main

Tel.: 069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76, frieling@t-online.de

 

6. August 2016

 

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