Festrede zum 17. Hambacher Bikerfest am 8. August 2015

Von Rolf „Hilton“ Frieling

MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

 

bereits zum siebzehnten Mal versammeln wir uns hier am Hambacher Schloß, um unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als mündige Bürger und motorisierte Zweiradfahrer zu Gehör zu bringen.

 

Wie üblich, möchte ich zum Einstieg noch einmal kurz erläutern, wer Euer Gastgeber bei dem heutigen Event ist. Das Hambacher Bikerfest wird von der MID, ausgeschrieben „Motorrad Initiative Deutschland e.V.“, veranstaltet. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten und die politische Arbeit der Fahrerverbände zu koordinieren.

 

Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Das fängt schon damit an, daß alle Verbandsvertreter ehrenamtlich tätig sind und „nebenbei“ noch einer zeitintensiven Erwerbstätigkeit nachgehen. Wenn die politische Arbeit der Fahrerverbände aber kein Beschäftigungstherapie, sondern wirksame Vertretung der Interessen aller motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir mit einer Stimme sprechen.

 

In der MID haben alle Verbände die Chance, sich wirksam einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln.

 

Die MID ist seit Jahren kompetente und verläßliche Ansprechpartnerin der Politik, der Behörden und der Öffentlichkeit. Mit unseren Positionspapieren zum „Vorbeifahren an Kolonnen“ und zur Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie in deutsches Recht haben wir bewiesen, daß die Fahrerverbände einen wichtigen, fachlich fundierten Beitrag zu Gesetzgebungsverfahren liefern können. Die MID ist also die Verkörperung des alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.

 

 

Entstanden ist das Hambacher Bikerfest vor 16 Jahren aus einer Veranstaltung der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe der damaligen Daimler Chrysler AG. Seither hat sich „Hambach“ zu einem Begriff in der Motorrad-Community und zum bundesweit beachteten Event der Fahrerverbände entwickelt. 2010 konnten wir unser Veranstaltungskonzept auf einer internationalen Konferenz der EU-Kommission vorstellen und einer Delegation US-amerikanischer Straßenbauer präsentieren. Ohne große Übertreibung kann man also sagen: die Welt schaut auf unser Bikerfest am Hambacher Schloß. Und das trotz der nicht immer einfachen Rahmenbe­dingungen, mit denen wir leben müssen. Denn als „Hobby-Politiker“ stoßen wir manchmal an die Grenzen unserer Möglichkeiten. Wir können also wirklich stolz darauf sein, was wir in den vielen Jahren erreicht haben.

 

Was macht das Hambacher Bikerfest so besonders? Zum einen natürlich der Bezug zum historischen Hambacher Fest von 1832, das deutsche Demokratiegeschichte schrieb. Damals wie heute zogen die Teilnehmer hinauf zum Hambacher Schloß, um ihre politischen Forderungen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Damals wie heute gab es politische Festreden auf dem Schloßberg, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Und damals wie heute kam das Feiern nicht zu kurz.

 

Das Hambacher Bikerfest ist aber nicht nur eine Demonstration für die Rechte von Motorradfahrern. Wir wollen nicht nur auf Mißstände aufmerksam machen, sondern positive Signale aussenden. Mit den externen Festvorträgen, von Beginn an fester Bestandteil unseres Konzepts, bieten wir eine Plattform, ermutigende Beispiele vorzustellen, wie die Verkehrssicherheit auf Deutschlands Straßen auch für die besonders gefährdete Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer verbessert werden kann.

 

In den letzten Jahren wurden zudem zehn Städte und Gemeinden, von Eckernförde bis Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet, ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Im letzten Jahr konnten wir den Preis sogar an einen ganzen Landkreis übergeben. Mit dieser Auszeichnung wollen wir zur Nachahmung anregen, wie sich an der Zahl der Preisträger zeigt, mit beachtlichem Erfolg.

 

 

Wie schon angesprochen, lautet das Motto des Hambacher Bikerfests „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“. Beim Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer. So sank die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer zwischen 1995 und 2013 von 912 auf 568. Das ist ein Rückgang von fast 40 %. Erweitert man den Betrachtungszeitraum auf die Periode von 1980 bis 2013, also auf mehr als 30 Jahre, ist die Zahl der Getöteten sogar um knapp 2/3 gesunken.

 

Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge auf zwei und drei Rädern aber signifikant angestiegen. Das Bild sieht also noch deutlich besser aus. Seit 1995 hat sich der Fahrzeugbestand fast verdoppelt. 40 % weniger Tote bei doppelt so vielen zugelassenen Fahrzeugen: das ist mehr als erfreulich. Leider berichtet man darüber nur sehr selten in den Medien. Dort wird viel lieber über die „hirnlosen Raser“ und „potentiellen Organspender“ schwadroniert.

 

Natürlich ist jeder Verkehrstote ein Toter zu viel, egal ob er im Auto, als Fußgänger oder als motorisierter Zweiradfahrer ums Leben kommt. Nach den Erfolgen der Vergangenheit wird es immer schwieriger, die Unfallzahlen und damit auch die Zahl der getöteten Motorradfahrer weiter zu senken. Denn bei den Größenordnungen, über die wir mittlerweile sprechen, spielen statistische Schwankungen schon eine maßgebliche Rolle. Im Jahr 2014 gab es leider einen leichten Anstieg der Zahl Getöteten. Trotzdem zeigt der Trend stabil nach unten, und das bei weiter steigenden Bestandszahlen.

 

Eine gute Investition in die Verkehrssicherheit von Motorradfahrern ist die Verbesserung der Straßeninfrastruktur. Im Oktober 2007 wurde das sogenannte MVMot, das „Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, veröffentlicht. An der Erstellung des MVMot haben wir als MID intensiv mitgearbeitet. Das Merkblatt hat für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe gesetzt. Heinrich Bergerbusch hat vor vier Jahren an dieser Stelle über die positiven Erfahrungen mit dem Einsatz des MVMot in Nordrhein-Westfalen berichtet.

 

Der neu aufgelegte „Arbeitskreis Motorradsicherheit“ der FGSV, in dem wir als Vertreter der Motorradfahrer wieder aktiv mitarbeiten, beschäftigt sich seit gut vier Jahren mit der Weiterentwicklung und der weiteren Verbreitung des MVMot. Denn in einer ersten Bestandsaufnahme wurde festgestellt, daß nur wenige Bundesländer das MVMot verbindlich eingeführt hatten oder wenigstens durchgängig danach arbeiten. Seit Juni 2013 gibt es einen Einführungserlaß des Bundesverkehrsministers für das MVMot, der für alle Bundesstraßen und Autobahnen gilt. Die Länder werden in dem Erlaß aufgefordert, sich in ihrem Verantwortungsbereich, sprich für alle Landesstraßen, anzuschließen. Damit ist ein weiterer Schritt getan.

 

Auch das Land Rheinland-Pfalz arbeitet seit vielen Jahren nach den Regeln des MVMot. Ein Beispiel werden wir nachher bei unserer Motorrad-Demonstration sehen. Denn die B 48 zwischen Johanniskreuz und Hochspeyer wurde zwischenzeitlich auf MVMot-Standard gebracht. Großflächige Fahrbahnreparaturen mit griffigem Straßenbelag, verdichtet aufgestellte Leitpfosten, der Abbau unnötiger Leitplanken, zusätzlicher Unterfahrschutz an unfallträchtigen Stellen und der Ersatz von Leitplanken durch Erdwälle zeigen, wie man es richtig macht.

 

In den letzten beiden Jahren hat es zudem Schulungen der Mitarbeiter vor Ort gegeben, die zunächst zögerlich aufgenommen wurden, spätestens im praktischen Teil aber auf ausgesprochen positive Resonanz stießen. Denn der Blick aus der Perspektive der motorisierten Zweiradfahrer hat zu etlichen „Aha-Effekten“ geführt. Daß von den getroffenen Maßnahmen auch die nicht motorisierten Zweiradfahrer profitieren, ist ein zusätzliches, starkes Argument.

 

Das überarbeitete MVMot soll Ende diesen / Anfang nächsten Jahres im Entwurf fertig sein. Danach wird es noch ein paar Monate dauern, bis die Abstimmung in den Gremien und mit den Verkehrsministerien von Bund und Ländern erfolgt ist. Spätestens Ende 2016 wird also das MVMot 2.0 verfügbar sein und umgesetzt werden können. Da sage noch mal einer, das Bohren dicker Bretter in der Politik wäre Zeitverschwendung.

 

Wir Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“ wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern, im Regelfall von unaufmerksamen PKW- und LKW-Fahrern aus dem Leben gerissen.

 

Im letzten Jahr hatte ich über die Auswertung eines Bundeslandes über die tödlichen Motorradunfälle im ersten Halbjahr 2014 berichtet. Natürlich gab es darunter Fälle, in denen Motorradfahrer die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren haben, zum Teil aus purem Leichtsinn, und bei der Kollision mit anderen Fahrzeugen oder der Straßeninfrastruktur starben. Aber es gab eben auch: Traktor-Fahrer übersieht beim Kreuzen einer Bundestraße Motorrad, PKW-Fahrer übersieht beim links abbiegen entgegenkommendes Motorrad, LKW-Fahrer übersieht beim links abbiegen auf einen Parkplatz entgegenkommendes Motorrad, PKW-Fahrer biegt auf die Vorfahrtsstraße ein und übersieht herannahendes Motorrad.

 

Mit der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer Institutionen leisten wir seit vielen Jahren einen Beitrag, die eigene Klientel zu vorausschauender und defensiver Fahrweise anzuhalten. Über unsere Beiträge zur Kampagne „Runter vom Gas“ hatte Sandra Demuth vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat im Jahr 2012 an dieser Stelle berichtet. Die drei Comic-Hefte der Kampagne zum Thema Motorradsicherheit, „Fahren mit Hirn“, „Besser ankommen mit Hirn“ und „Fit bleiben mit Hirn“, mit unserer Hilfe entwickelt, werden auf unseren Infoständen auf Motorradmessen und Veranstaltungen verteilt und haben sich zum absoluten Renner entwickelt.

 

Gerade die Zusammenarbeit mit dem DVR hat gezeigt, daß es viele gute Ansätze gibt, mit unserer Unterstützung die „Zielgruppe Motorradfahrer“ richtig anzusprechen. Ich bin mir sicher, daß wir auch in der Zukunft einen wichtigen Part dazu beisteuern werden. Denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer mit dem Drehen am Zündschlüssel offenbar sein Gehirn ausschaltet.

 

Stolz sind wir auch auf den ersten Preis im Ideenwettbewerb „Sicher auf Landstraßen“ des Bundesverkehrsministeriums, mit dem das von der Biker Union entwickelte Konzept der sogenannten Bitumenrallyes im vorletzten Jahr ausgezeichnet wurde. Die Grundidee ist, auf einer gemeinsamen Ausfahrt den Straßenzustand zu überprüfen und Gefahrstellen für Motorradfahrer zu dokumentieren. Im Fachjargon der Verkehrsingenieure heißt so etwas „Bestandsaudit“, allerdings aus dem Blickwinkel des motorisierten Zweiradfahrers als Benutzer der Straße. Die notwendigen Unterlagen stehen im Internet zum Download zur Verfügung. Nicht nur Fahrerverbände, sondern auch Motorradclubs, freie Motorradstammtische und Einzelpersonen haben sich bereits beteiligt. Ergebnisse sind zum einen die Dokumentation von Problemstellen und die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen zur Problembehebung, aber auch das Schärfen des Blicks der Profis im Straßenbau und der Straßenunterhaltung für die spezifischen Probleme des motorisierten Zweirads.

 

 

Wie schon zweimal erwähnt, steht auch das siebzehnte Hambacher Bikerfest unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich bereits ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das überhaupt ein Thema? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker galten und bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen wurden, sind doch schon lange vorbei.

 

In vielen Bereichen mag das stimmen. Eine krasse Form der Diskriminierung aller Motorradfahrer stellt aber seit Jahren das Thema Streckensperrungen dar. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen auch in Naherholungsgebiete haben, egal ob mit dem PKW, dem motorisierten Zweirad oder als Fahrradfahrer. Soweit die Theorie.

 

In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt Verboten“-Schild, das nur für motorisierte Zweiräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

 

In den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K 53 in der Nähe von Euskirchen genannt.

 

In den genannten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die geforderten Streckensperrungen angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation schnell in sich zusammen. Allen Strecken ist gemeinsam, daß es sich um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen, handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es, wenn „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen spielen lassen.

 

Eine dieser Streckensperrungen ist der Aufhänger für das Hambacher Bikerfest. Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müs­sen am Wochenende draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensper­rung nur für Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorrad­unfälle begründet wird. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

 

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist auch das ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

 

Das Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ein Grundprinzip unserer Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in die Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuff­anlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen von Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Gleiches gilt für die „Raser“ auf den jeweiligen Strecken. Nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Straßen.

 

Das immer wieder genannte Argument, man hätte dafür nicht genügend Einsatzkräfte, ist eine Bankrotterklärung unseres Staates, die wir nicht akzeptieren. Ist schon mal einer auf die Idee gekommen, in bundesdeutschen Innenstädten eine nächtliche Ausgangssperre zu verhängen, weil sich dort Überfälle auf Passanten häufen, die Polizei aber nicht genug Beamte hat, das zu verhindern? Eine absurde Idee ? Natürlich! Aber genau das passiert bei Streckensperrungen. Weil sich einige nicht an die Regeln halten, werden kurzerhand alle ausgesperrt.

 

Es kommt aber noch schlimmer. Anfang des Jahres bekamen wir eine Einladung zu dem Symposium „Gemeinsam gegen Motorradlärm“ der Gemeinde Simmerath in der Eifel. Die Situation in Stichworten: landschaftlich schöne Gegend mit tief eingeschnittenen Tälern und etlichen Stauseen, herrliche Motorradstrecken, gut ausgebaute touristische Infrastruktur, am Wochenende starker Ausflugsverkehr aus der halben Bundesrepublik und den Nachbarländern, seit Jahren aktive Bürgerinitiativen für die Sperrung mehrere Strecken wegen Motorradlärm. Im Rahmen des Symposiums wurde auch der Leiter der Direktion Verkehr der Polizei Aachen zur Situation vor Ort und den getroffenen Maßnahmen befragt. Ich traute meinen Ohren nicht, als er sagte, daß man keine Motorradkontrollen wegen Einhaltung der Lärmgrenzwerte machen würde, da das eh‘ nichts brächte. Man würde sich auf Geschwindigkeitskontrollen beschränken. Damit bekäme man früher oder später auch die Lärmsünder von der Straße.

 

Anders ausgedrückt: die zuständige Polizeibehörde läßt die Bewohner und die örtliche Politik rund um Simmerath einfach im Regen stehen. Die weiß sich nicht anders zu helfen, als auf dem Symposium einen Forderungskatalog zu verabschieden, in dem so „sinnvolle“ Dinge stehen wie „Anwendung der zukünftigen Geräuschgrenzwerte auch für Altfahrzeuge“, „jährliche Geräuschuntersuchungen für Motorräder“, „Einführung von Frontkennzeichen für Motorräder“ und natürlich „Straßensperrungen auch aus Lärmschutzgründen“. Ich war echt fassungslos.

 

In den letzten Jahren habe ich an dieser Stelle auch über die fragwürdigen Grundlagen der Streckensperrung im Elmsteiner Tal berichtet. In diesem Zusammenhang hatte ich darauf verwiesen, daß mit den Maßnahmenpaketen des MVMot und den neuen technischen Möglichkeiten, Motorradraser aus dem Verkehr zu ziehen, die Argumentation pro Streckensperrung in sich zusammenfällt.

 

Möglicherweise hat das Verwaltungsgericht Osnabrück im April diesen Jahres einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht. Denn das Gericht hat entschieden, daß Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung einzelner Verkehrsteilnehmer keinen Grund für eine Streckensperrung darstellen. Einen besonders schönen Satz aus dem Urteil möchte ich hier wörtlich zitieren, auch wenn er natürlich aus dem Zusammenhang gerissen ist. „Vielmehr stellen Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften, insbesondere etwa über die zulässige Höchstgeschwindigkeit, ein allgemeines, eine Vielzahl von Straßen und sämtliche Kraftfahrzeugarten betreffendes Phänomen dar, ohne dass dies bislang - soweit ersichtlich - eine Straßenverkehrsbehörde jemals veranlasst hätte, eine Straße beispielsweise für den Pkw-Verkehr zu sperren, weil dort erwiesenermaßen regelmäßig Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Pkw begangen werden.“

 

Ich möchte an dieser Stelle vor zu viel Optimismus warnen. Das Gericht hat zunächst eine einstweilige Verfügung zur Aufhebung der Sperrung erlassen. Das Urteil im Hauptsacheverfahren steht also noch aus, wird aber wahrscheinlich ähnlich ausfallen. Allerdings ist das ein Urteil in erster Instanz. Ich gehe nicht davon aus, daß das rechtskräftig wird. Wie das Oberverwaltungsgericht und ggf. weitere Instanzen urteilen werden, bleibt abzuwarten. Aber eine schallende Ohrfeige ist es schon.

 

Wir wollen mögliche Probleme nicht verniedlichen. Die Sperrung einer öffentlichen, aus Steuergeldern finanzierten Straße für eine bestimmte Fahrzeugklasse ist aber ein erheblicher Eingriff in garantierte Grundrechte. Dafür muß es zwingende und alternativlose Gründe geben. Im Elmsteiner Tal kann ich die auch bei gutem Willen nicht erkennen. Zynisch finde ich einen Satz aus der Begründung der Kreisverwaltung für die Sperrung. Ich zitiere: „Daraus ergibt sich, dass auf das Motorradfahrverbot im Elmsteiner Tal im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, besonders der Motorradfahrer selbst, nicht verzichtet werden kann.“ Mit anderen Worten: wir müßten uns eigentlich bei der Kreisverwaltung dafür bedanken, daß die Strecke seit mehr als 20 Jahren in den Sommermonaten für Motorradfahrer gesperrt wird.

 

Ich weiß, daß wir es im Fall Elmstein mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer Einfluß zu dieser Streckensperrung geführt hat. Statt mit gro­ßer Inbrunst und seit vielen Jahren dem heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im Elmsteiner Tal trotzdem mal mit der Er­probung intelligenter Lösungen versuchen.

 

Gleichzeitig würden die Elmsteiner damit auch ein anderes Problem in den Griff bekommen. Seit Jahren gehen die Übernachtungszahlen im Tal deutlich zurück. Nennenswerte Ansiedlungen von Wirtschaftsbetrieben sind nach Aussage von Experten nicht zu erwarten. Beherbergungsbetriebe und die Gastronomie im Elmsteiner Tal klagen trotz aller Anstrengungen, den Tourismus zu fördern, über mangelnden Zulauf und müssen schließen. Motorradtourismus könnte der Ansatz sein, das Problem dauerhaft zu lösen. Das hat in anderen Regionen prima funktioniert. Dazu müßte man allerdings auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Ein unrealistischer Traum?

 

Ich fordere die Verantwortlichen erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten Saison ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung im Elmsteiner Tal zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände stehen bereit, dabei zu unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im Elmsteiner Tal muß endlich weg.

 

 

Zum Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“ seine Gültigkeit nicht verloren hat.

 

Die Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt, sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung. Manches mußte auch in diesem Jahr „mit der heißen Nadel“ gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit im Urlaub, abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle noch einmal deutlich herausgestrichen werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

 

Auch in den nächsten Jahren werden wir das Schloß als Kulisse für das Hambacher Bikerfest nutzen. Vielleicht ist ja zum 18. Jubiläum des Hambacher Bikerfestes das Thema Streckensperrung im Elmsteiner Tal endlich Geschichte. Dann müßten wir uns einen neuen Aufhänger für unser Fest einfallen lassen. Aber ich bin mir sicher, daß das niemanden traurig stimmen wird. Uns wird da schon etwas einfallen.

 

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den letzten Jahren been­det hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an!

 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

 

Rolf „Hilton“ Frieling

1. Vorsitzender der MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

Vorsitzender der Biker Union e.V.

Feuerbachstraße 38, 60325 Frankfurt am Main

Tel.: 069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76, frieling@t-online.de

 

8. August 2015

 

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