Festrede zum 15. Hambacher Bikerfest am 3. August 2013

 

Von Rolf „Hilton“ Frieling

 

MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

 

bereits zum fünfzehnten Mal versammeln wir uns hier in Hambach, um unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als Bürger und Motorradfahrer zu Gehör zu bringen.

 

Wie üblich, möchte ich zum Einstieg noch einmal kurz darauf eingehen, wer Euer Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist. MID bedeutet ausgeschrieben „Motorrad Initiative Deutschland e.V.“. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten und die politische Arbeit der Verbände aufeinander abzustimmen.

 

Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Wenn die politische Arbeit der Fahrerverbände aber kein Selbstzweck, sondern wirksame Vertretung der Interessen aller Motorradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir mit einer Stimme sprechen. In der MID haben alle Verbände die Chance, sich einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln. Denn alle Fahrerverbände sind Freiwilligenorganisationen mit begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten.

 

Die MID ist seit Jahren kompetente und verläßliche Ansprechpartnerin der Politik, der Behörden und der Öffentlichkeit. Sie ist eine Institution innerhalb der Motorrad-Community, an der man auch mit viel Mühe nicht vorbei kommt. Mit unseren Positionspapieren zum „Vorbeifahren an Kolonnen“ und zur Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie in deutsches Recht haben wir bewiesen, daß die Fahrerverbände einen wichtigen, fachlich fundierten Beitrag zu Gesetzgebungsverfahren liefern können. Die MID ist also die Verkörperung des alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.

 

 

15. Hambacher Bikerfest, ein halbrundes Jubiläum also. Entstanden aus einer Veranstaltung der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe der damaligen Daimler Chrysler AG, ist „Hambach“ zu einem Begriff in der Motorrad-Community und zum bundesweit beachteten Event der Fahrerverbände geworden. Und das trotz der nicht immer einfachen Rahmenbe­dingungen, mit denen wir leben müssen. Denn als „Hobby-Politiker“ stoßen wir manchmal auch an die Grenzen unserer Möglichkeiten.

 

2010 konnten wir das Veranstaltungskonzept sogar auf einer internationalen Motorradfahrerkonferenz der EU vorstellen und einer Delegation US-amerikanischer Straßenbauer präsentieren. Ohne große Übertreibung kann man also sagen: die Welt schaut auf unser Bikerfest am Hambacher Schloß. Wir können wirklich stolz darauf sein, was wir in all den Jahren erreicht haben.

 

Was macht das Hambacher Bikerfest so besonders ? Wir wollen nicht nur auf Mißstände aufmerksam machen. Wir wollen auch positive Zeichen setzen. Mit den externen Festvorträgen, von Beginn an fester Bestandteil unseres Konzepts, bieten wir eine Plattform, ermutigende Beispiele vorzustellen, wie die Verkehrssicherheit auf Deutschlands Straßen auch für die besonders gefährdete Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer verbessert werden kann.

 

In den letzten Jahren wurden zudem neun Städte und Gemeinden, von Eckernförde bis Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet, ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung wollen wir zur Nachahmung anregen, wie sich an der Zahl der Preisträger zeigt, mit beachtlichem Erfolg.

 

 

Beim Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer. So sank die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer zwischen 1995 und 2010 von 912 auf 635. Das ist ein Rückgang um gut 30 %. Erweitert man den Betrachtungszeitraum auf die letzten 30 Jahre, also von 1980 bis 2010, ist die Zahl der Getöteten sogar um knapp 60 % gesunken.

 

Berücksichtigt man darüber hinaus die seit Jahren steigende Zahl zugelassener Fahrzeuge auf zwei und drei Rädern, sieht das Bild noch besser aus. Seit 1995 hat sich deren Fahrzeugbestand fast verdoppelt. 30 % weniger Tote bei doppelt so vielen zugelassenen Fahrzeugen: das ist mehr als erfreulich. Leider berichtet man darüber nur sehr selten in den Medien. Dort wird viel lieber über die „hirnlosen Raser“ schwadroniert.

 

Nach den Erfolgen der Vergangenheit wird es jedoch immer schwieriger, die Unfallzahlen und damit auch die Zahl der getöteten Motorradfahrer weiter deutlich zu senken. Das zeigen die Zahlen aus dem Jahr 2011, in dem es erstmals wieder einen Anstieg bei den Getöteten gab. Vorschnelle Reaktionen aus den verschiedensten Ecken, die eine Verschärfung der Rahmenbedingungen für Motorradfahrer forderten, waren aber verfehlt. Denn der Anstieg in 2011 ist bei allen Fahrzeugtypen und sogar bei den Fußgängern in ähnlicher Form zu verzeichnen gewesen.

 

Die vorläufigen Zahlen für 2012 sehen wieder deutlich besser aus. Der positive Trend der vergangenen Jahre hat sich fortgesetzt. Aber bei den Größenordnungen, über die wir mittlerweile sprechen, spielen statistische Schwankungen schon eine maßgebliche Rolle. Trotzdem dürfen wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. Denn jedes Verkehrsopfer ist eines zu viel.

 

Gute Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssicherheit gibt es viele. Leider erleben wir aber auch immer wieder, das gut gemeint und gut gemacht zwei völlig unterschiedliche Dinge sein können. Im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle über den Plan der EU-Kommission zur europaweiten Vereinheitlichung der Hauptuntersuchung bei Kraftfahrzeugen berichtet. Wichtigster Punkt für Deutschland: die Frequenz der Hauptuntersuchungen soll geändert werden. Müssen Motorräder heute alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung, soll in der Zukunft der erste Besuch bei TÜV oder DEKRA erst nach vier Jahren fällig sein. Schön ! Wir wären ja schon mit einer Angleichung der Frist an die von PKWs zufrieden gewesen, die derzeit bei drei Jahren liegt. Die zweite Untersuchung soll dann zwei Jahre später stattfinden. OK, das würde der derzeitigen Regelung entsprechen. Danach soll es dann aber jährlich zur Hauptuntersuchung gehen. Als Grund wird die hohe Zahl an Unfällen genannt, die aufgrund technischer Defekte passieren würden.

 

Die von der EU finanzierte Unfallstudie für Motorräder MAIDS – Motorcycle Accidents in-depth Study – kommt zu dem Ergebnis, daß lediglich 0,3 % aller Motorradunfälle auf ein Versagen der Technik zurückzuführen sind. Die Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes zeigen, daß Motorräder selbst nach vielen Jahren Nutzung kaum schwerwiegende, technische Mängel haben. Motorradfahrer halten ihre Fahrzeuge in Schuß, weil ihr Leben von der funktionierenden Technik abhängt und sie nicht auf die schützenden Wirkung von Airbags und Sicherheitsgurten vertrauen können. Wegen des direkten Kontakts zu ihrem Fahrzeug merken sie zudem sehr schnell, wenn etwas nicht stimmt. Es gibt 10 europäische Länder, in denen Motorräder derzeit gar nicht zur Haupt­untersuchung müssen. Trotzdem liegen die Unfallzahlen in Relation zum Fahrzeugbestand dort nicht signifikant höher als in Deutschland mit seinem sehr ausgeklügelten Prüfsystem. Diese Liste von Argumenten ließe sich fast beliebig verlängern. Haben die in Brüssel nicht Wichtigeres zu tun ? Ich würde das als krasses Beispiel für Aktionismus bezeichnen. In den Chefetagen der Prüforganisationen haben wahrscheinlich die Champagner-Korken geknallt.

 

Schaut man in die Begründung für den Vorschlag der EU-Kommission, stellt man fest, daß dort auf eine Studie der DEKRA verwiesen wird, nach der ca. 8 % aller Motorradunfälle auf schlechten Wartungszustand zurückzuführen sind. Was denn nun: 0,3 % oder 8 % ? Die DEKRA ist einer der großen Anbieter auf dem Markt für die Durchführung der Hauptuntersuchungen. Könnte es sein, daß da wirtschaftliche Interessen Einfluß auf die Zahlen genommen haben ?

 

Zahlen sollen die Zeche wir, die aus finanziellen Gründen oder aus Liebe zu unserem Fahrzeug ein älteres Modell fahren. Schätzungen gehen von Mehrkosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zu Lasten der Motorradfahrer in ganz Europa aus, nicht etwa insgesamt sondern jährlich. Ein gigantisches Konjunkturpaket für die Prüforganisationen ohne wesentlichen Einfluß auf die Verkehrssicherheit oder die Umwelt.

 

Zwischenzeitlich hat sich der Ministerrat der EU, also die Verkehrsminister der Mitgliedsländer, klar gegen die Harmonisierung der Hauptuntersuchung ausgesprochen. Die bisher nationalen Regelungen sollen auch weiterhin Bestand haben. Im europäischen Parlament, dem dritten Mitspieler in der europäischen Gesetzgebung, haben sich dank der intensiven Lobbyarbeit unseres europäischen Dachverbands der Motorradfahrerverbände FEMA die drei zuständigen Ausschüsse ebenfalls gegen die neue Regelung ausgesprochen, der federführende Verkehrsausschuß allerdings nur mit knapper Mehrheit. Völlig überraschend hat das Plenum sich dann entgegen dem Rat der Ausschüsse anders entschieden und mit knapper Mehrheit den Vorschlag der EU-Kommission gebilligt. In der Diskussion ging es plötzlich nicht mehr um Verkehrssicherheit, sondern um den Schutz der Umwelt. Nun ist offen, wie es weiter geht. Denn das Patt von EU-Parlament und Ministerrat muß in Verhandlungen hinter verschlossenen Türen aufgelöst werden. Dabei geht es dann nicht mehr um die Sache, sondern aller Voraussicht nach um windige Gegengeschäfte. Wundert sich da noch jemand darüber, daß die EU-Institutionen in der Bevölkerung ständig an Ansehen verlieren ?

 

 

Eine gute Investition in die Verkehrssicherheit von Motorradfahrern ist dagegen die Verbesserung der Straßeninfrastruktur. Im Oktober 2007 wurde das sogenannte MVMot, das „Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, veröffentlicht. An der Erstellung des MVMot haben wir als MID intensiv mitgearbeitet. Das Merkblatt hat für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe gesetzt. Heinrich Bergerbusch hat im vorletzten Jahr an dieser Stelle über die positiven Erfahrungen mit dem Einsatz des MVMot in Nordrhein-Westfalen berichtet.

 

Der neu aufgelegte „Arbeitskreis Motorradsicherheit“ der FGSV beschäftigt sich seit knapp drei Jahren mit der Weiterentwicklung und der weiteren Verbreitung des MVMot. Denn in einer ersten Bestandsaufnahme wurde festgestellt, daß bisher nur wenige Bundesländer das MVMot verbindlich eingeführt haben oder wenigstens danach arbeiten. Auch in diesen Arbeitskreis sind wir als Vertreter der Motorradfahrer mit eingebunden.

 

Euch als Betroffene brauche ich nicht zu erklären, daß für einen Motorrad- oder Rollerfahrer, aber auch für einen Radfahrer eine unsachgemäße Bitumenreparatur bei Hitze oder Nässe das Ende der Fahrt bedeuten kann. Wenn dann noch ein ungesicherter Leitplankenpfosten oder ein ungünstig aufgestelltes Verkehrsschild im Weg steht, endet die Fahrt in einer Katastrophe. Für einen Sturz auf einer Bitumenfuge reicht selbst bei moderater Geschwindigkeit eine minimale Schräglage aus. Nicht umsonst spricht man in Biker-Kreisen von „schwarzem Glatteis“.

 

In unserer Road-Show durch die Bundesländer, bei der wir den Landesverkehrsministern unsere Anliegen persönlich vortragen und um Unterstützung bitten, spielt das MVMot eine wichtige Rolle. Erste Erfolge unserer Bemühungen konnten wir schon verzeichnen. Einen Durchbruch hat aber im Juni ein Schreiben des Bundesverkehrsministeriums gebracht, daß die Länder auffordert, in der Zukunft nach dem MVMot zu arbeiten. Da sage noch einer, das Bohren dicker Bretter in der Politik wäre Zeitverschwendung. Den Gegenbeweis haben wir jetzt in Händen.

 

Wir Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“ wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern, im Regelfall von unaufmerksamen PKW- und LKW-Fahrern aus dem Leben gerissen.

 

Mit der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer Institutionen leisten wir seit Jahren einen Beitrag, die eigene Klientel zu vorausschauender und defensiver Fahrweise anzuhalten. Über unsere Beiträge zur Kampagne „Runter vom Gas“ hatte Sandra Demuth vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat im vorletzten Jahr an dieser Stelle berichtet. Ende 2010 ist die Kampagne mit verändertem Konzept neu gestartet worden. Das erste Produkt, ein Comic-Heft zum Thema Motorradsicherheit, ist mit unserer Hilfe entwickelt worden und wird mit unserer Unterstützung unter die Leute gebracht. Gerade die Zusammenarbeit mit dem DVR hat gezeigt, daß es viele gute Ansätze gibt, mit unserer Unterstützung die „Zielgruppe Motorradfahrer“ richtig anzusprechen. Ich bin mir sicher, daß wir auch in der Zukunft einen wichtigen Part dazu beisteuern werden. Denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer mit dem Drehen am Zündschlüssel offenbar auch sein Gehirn ausschaltet.

 

Besonders stolz sind wir darauf, daß das Bundesverkehrsministerium im Januar diesen Jahres den ersten Preis im Ideenwettbewerb „Sicher auf Landstraßen“ an das von der Biker Union entwickelte Konzept der Bitumenrallyes vergeben hat. Die Idee ist, auf einer gemeinsamen Ausfahrt den Straßenzustand zu überprüfen und Gefahrstellen für Motorradfahrer zu dokumentieren. Im Fachjargon der Verkehrsingenieure heißt so etwas „Bestandsaudit“, allerdings aus dem Blickwinkel des motorisierten Zweiradfahrers. Die Ergebnisse werden am Ende des Tages zusammengefaßt und den zuständigen Stellen übermittelt. Gleichzeitig wird um ein Gespräch gebeten, das im Regelfall kurzfristig zustande kommt. Dabei wird gemeinsam ausgelotet, wie im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten schnelle Abhilfe geschaffen werden kann.

 

In den letzten Jahren hat es eine Vielzahl von Bitumenrallyes in ganz Deutschland gegeben. Da die notwendigen Unterlagen im Internet frei zum Download zur Verfügung stehen, haben nicht sich nur die Fahrerverbände, sondern auch Motorradclubs, freie Motorradstammtische und Einzelpersonen beteiligt. Ergebnis sind zum einen die Aufnahme von Problemstellen und Maßnahmen zur Problembehebung, aber auch das Schärfen des Blicks der Profis im Straßenbau und der Straßenunterhaltung für die spezifischen Probleme des motorisierten Zweirads.

 

Auch abseits der großen Projekte sind die in der MID zusammenarbeitenden Verbände aktiv. Einige unserer Stammtische veranstalten zu Saisonbeginn Fahrsicherheitstrainings und Erste-Hilfe-Kurse. Bei unseren gemeinsamen Ausfahrten spielen Geschwindigkeit und Risiko keine Rolle. Daß unsere Arbeit nachweislich Früchte trägt, hat sich an einem, selbst für uns überraschendem Beispiel gezeigt: unser Kooperationspartner in Versicherungsfragen hat festgestellt, daß BU-Mitglieder in der Kfz-Versicherung ein deutlich geringeres Schadenaufkommen haben, als andere Motorradfahrer.

 

 

Wie bereits erwähnt, steht auch das fünfzehnte Hambacher Bikerfest unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich bereits ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das überhaupt noch ein Thema ? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker galten und bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen wurden, sind doch schon lange vorbei.

 

In vielen Bereichen mag das stimmen. Eine krasse Form der Diskriminierung aller Motorradfahrer stellt aber seit Jahren das Thema Streckensperrungen dar. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen auch in die Naherholungsgebiete haben und daß uns dabei die Wahl des Verkehrsmittels freisteht. Soweit die Theorie.

 

In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt Verboten“-Schild, das nur für motorisierte Zweiräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

 

In den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K 53 in der Nähe von Euskirchen genannt.

 

In allen genannten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die geforderten Streckensperrungen angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation schnell in sich zusammen. Allen genannten Strecken ist gemeinsam, daß es sich um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es, wenn lokale „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen spielen lassen.

 

Ein gutes Beispiel ist der ursprüngliche Anlaß für das Hambacher Bikerfest. Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müs­sen am Wochenende draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensper­rung nur für Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorrad­unfälle begründet wurde. Die kurvige Land­straße durch das Elmsteiner Tal hatte offenbar manchen „Heizer“ dazu verleitet, seinen Schutz­engel auf eine harte Probe zu stellen. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

 

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist auch das ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

 

Das Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ebenfalls ein Grundprinzip unserer Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in die Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuff­anlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen von Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Gleiches gilt für die „Raser“ auf den jeweiligen Strecken. Nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Straßen. Das an vielen Stellen genannte Argument, man hätte dafür nicht genügend Einsatzkräfte, ist eine Bankrotterklärung unseres Staates, die wir nicht akzeptieren werden.

 

Im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle über die fragwürdigen Grundlagen der Streckensperrung im Elmsteiner Tal berichtet. Das will ich heute nicht wiederholen. Zwischenzeitlich haben wir uns die damaligen Urteile, die die Streckensperrung für rechtmäßig erklärt haben, genauer angesehen. Dort werden Behauptungen zu Tatsachen umgedeutet, die nachweislich falsch sind. Zudem ist seit 1994, dem Jahr der ersten Sperrung, viel Wasser den Rhein hinab geflossen. Mit den Maßnahmenpaketen des MVMot und den neuen technischen Möglichkeiten, Motorradraser aus dem Verkehr zu ziehen, fällt die Argumentation pro Streckensperrung endgültig in sich zusammen.

 

Wir wollen mögliche Probleme nicht verniedlichen. Die Sperrung einer öffentlichen, aus Steuergeldern finanzierten Straße für eine bestimmte Fahrzeugklasse ist aber ein erheblicher Eingriff in garantierte Grundrechte. Dafür muß es zwingende und alternativlose Gründe geben. Im Elmsteiner Tal kann ich die auch bei gutem Willen nicht erkennen. Zynisch finde ich einen Satz aus der Begründung der Kreisverwaltung für die Sperrung. Ich zitiere: „Daraus ergibt sich, dass auf das Motorradfahrverbot im Elmsteiner Tal im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, besonders der Motorradfahrer selbst, nicht verzichtet werden kann.“ Mit anderen Worten: wir müßten uns eigentlich bei der Kreisverwaltung dafür bedanken, daß die Strecke seit 19 Jahren in den Sommermonaten für Motorradfahrer gesperrt wird.

 

Ich weiß, daß wir es im Fall Elmstein mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer Einfluß zu dieser Streckensperrung geführt haben. Statt mit gro­ßer Inbrunst und seit vielen Jahren dem heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im Elmsteiner Tal trotzdem mal mit der Er­probung intelligenter Lösungen versuchen.

 

Gleichzeitig würden die Elmsteiner damit auch ein anderes Problem in den Griff bekommen. Seit Jahren gehen die Übernachtungszahlen in der Verbandsgemeinde Lambrecht deutlich zurück. Nennenswerte Ansiedlungen von Wirtschaftsbetrieben sind nach Aussage von Experten nicht zu erwarten. Beherbergungsbetriebe und die Gastronomie im Elmsteiner Tal klagen trotz aller Anstrengungen, den Tourismus zu fördern, über mangelnden Zulauf und müssen schließen. Motorradtourismus könnte der Ansatz sein, das Problem dauerhaft zu lösen. Das hat in anderen Regionen prima funktioniert, wie wir von unseren motorradfreundlichen Städten der letzten Jahren immer wieder gehört haben. Dazu müßte man allerdings auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Ein unrealistischer Traum ?

 

Ich fordere die Verantwortlichen erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten Saison ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung im Elmsteiner Tal zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände stehen bereit, dabei zu unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im Elmsteiner Tal muß endlich weg.

 

 

Zum Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“ seine Gültigkeit nicht verloren hat.

 

Die Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt, sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung. Manches mußte auch in diesem Jahr „mit der heißen Nadel“ gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit im Urlaub, abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle noch einmal deutlich herausgestrichen werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

 

Auch in den nächsten Jahre werden wir das Schloß als Kulisse für das Hambacher Bikerfest nutzen. Vielleicht ist ja zum 16. Jubiläum des Hambacher Bikerfestes das Thema Streckensperrung im Elmsteiner Tal endlich Geschichte. Dann müßten wir uns einen neuen Aufhänger für unser Fest einfallen lassen. Aber ich bin sicher, daß das niemanden traurig stimmen wird.

 

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den letzten Jahren been­det hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

 

 

 

Rolf „Hilton“ Frieling

1. Vorsitzender der MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

Vorsitzender der Biker Union e.V.

Feuerbachstraße 38, 60325 Frankfurt am Main

Tel.: 069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76, frieling@t-online.de

 

3. August 2013


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