Festrede zum 15. Hambacher
Bikerfest am 3. August 2013 Von Rolf „Hilton“
Frieling
MID – Motorrad
Initiative Deutschland e.V. |
Sehr
geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,
bereits
zum fünfzehnten Mal versammeln wir uns hier in Hambach, um unter dem Motto „für
Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als Bürger und Motorradfahrer
zu Gehör zu bringen.
Wie
üblich, möchte ich zum Einstieg noch einmal kurz darauf eingehen, wer Euer
Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist. MID bedeutet ausgeschrieben „Motorrad
Initiative Deutschland e.V.“. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium
der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform
geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten
und die politische Arbeit der Verbände aufeinander abzustimmen.
Das
ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Wenn die
politische Arbeit der Fahrerverbände aber kein Selbstzweck, sondern wirksame
Vertretung der Interessen aller Motorradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von
Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir
mit einer Stimme sprechen. In der MID haben alle Verbände die Chance, sich
einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein
Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können
wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln. Denn alle Fahrerverbände sind
Freiwilligenorganisationen mit begrenzten personellen und finanziellen
Möglichkeiten.
Die
MID ist seit Jahren kompetente und verläßliche Ansprechpartnerin der Politik,
der Behörden und der Öffentlichkeit. Sie ist eine Institution innerhalb der
Motorrad-Community, an der man auch mit viel Mühe nicht vorbei kommt. Mit
unseren Positionspapieren zum „Vorbeifahren an Kolonnen“ und zur Umsetzung der
3. EU-Führerscheinrichtlinie in deutsches Recht haben wir bewiesen, daß die
Fahrerverbände einen wichtigen, fachlich fundierten Beitrag zu
Gesetzgebungsverfahren liefern können. Die MID ist also die Verkörperung des
alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.
15.
Hambacher Bikerfest, ein halbrundes Jubiläum also. Entstanden aus einer Veranstaltung
der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe der damaligen Daimler
Chrysler AG, ist „Hambach“ zu einem Begriff in der Motorrad-Community und zum
bundesweit beachteten Event der Fahrerverbände geworden. Und das trotz der
nicht immer einfachen Rahmenbedingungen, mit denen wir leben müssen. Denn als
„Hobby-Politiker“ stoßen wir manchmal auch an die Grenzen unserer Möglichkeiten.
2010
konnten wir das Veranstaltungskonzept sogar auf einer internationalen Motorradfahrerkonferenz
der EU vorstellen und einer Delegation US-amerikanischer Straßenbauer
präsentieren. Ohne große Übertreibung kann man also sagen: die Welt schaut auf
unser Bikerfest am Hambacher Schloß. Wir können wirklich stolz darauf sein, was
wir in all den Jahren erreicht haben.
Was
macht das Hambacher Bikerfest so besonders ? Wir wollen nicht nur auf Mißstände
aufmerksam machen. Wir wollen auch positive Zeichen setzen. Mit den externen
Festvorträgen, von Beginn an fester Bestandteil unseres Konzepts, bieten wir
eine Plattform, ermutigende Beispiele vorzustellen, wie die Verkehrssicherheit
auf Deutschlands Straßen auch für die besonders gefährdete Gruppe der
motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer verbessert werden kann.
In
den letzten Jahren wurden zudem neun Städte und Gemeinden, von Eckernförde bis
Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet,
ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die
Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als
besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung
wollen wir zur Nachahmung anregen, wie sich an der Zahl der Preisträger zeigt,
mit beachtlichem Erfolg.
Beim
Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren
deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf
Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der motorisierten Zwei- und
Dreiradfahrer. So sank die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer
zwischen 1995 und 2010 von 912 auf 635. Das ist ein Rückgang um gut 30 %.
Erweitert man den Betrachtungszeitraum auf die letzten 30 Jahre, also von 1980
bis 2010, ist die Zahl der Getöteten sogar um knapp 60 % gesunken.
Berücksichtigt
man darüber hinaus die seit Jahren steigende Zahl zugelassener Fahrzeuge auf
zwei und drei Rädern, sieht das Bild noch besser aus. Seit 1995 hat sich deren
Fahrzeugbestand fast verdoppelt. 30 % weniger Tote bei doppelt so vielen
zugelassenen Fahrzeugen: das ist mehr als erfreulich. Leider berichtet man darüber
nur sehr selten in den Medien. Dort wird viel lieber über die „hirnlosen Raser“
schwadroniert.
Nach
den Erfolgen der Vergangenheit wird es jedoch immer schwieriger, die Unfallzahlen
und damit auch die Zahl der getöteten Motorradfahrer weiter deutlich zu senken.
Das zeigen die Zahlen aus dem Jahr 2011, in dem es erstmals wieder einen
Anstieg bei den Getöteten gab. Vorschnelle Reaktionen aus den verschiedensten
Ecken, die eine Verschärfung der Rahmenbedingungen für Motorradfahrer
forderten, waren aber verfehlt. Denn der Anstieg in 2011 ist bei allen
Fahrzeugtypen und sogar bei den Fußgängern in ähnlicher Form zu verzeichnen
gewesen.
Die
vorläufigen Zahlen für 2012 sehen wieder deutlich besser aus. Der positive
Trend der vergangenen Jahre hat sich fortgesetzt. Aber bei den Größenordnungen,
über die wir mittlerweile sprechen, spielen statistische Schwankungen schon
eine maßgebliche Rolle. Trotzdem dürfen wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen.
Denn jedes Verkehrsopfer ist eines zu viel.
Gute
Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssicherheit gibt es viele. Leider erleben
wir aber auch immer wieder, das gut gemeint und gut gemacht zwei völlig unterschiedliche
Dinge sein können. Im letzten Jahr habe ich an dieser Stelle über den Plan der
EU-Kommission zur europaweiten Vereinheitlichung der Hauptuntersuchung bei
Kraftfahrzeugen berichtet. Wichtigster Punkt für Deutschland: die Frequenz der
Hauptuntersuchungen soll geändert werden. Müssen Motorräder heute alle zwei
Jahre zur Hauptuntersuchung, soll in der Zukunft der erste Besuch bei TÜV oder
DEKRA erst nach vier Jahren fällig sein. Schön ! Wir wären ja schon mit einer
Angleichung der Frist an die von PKWs zufrieden gewesen, die derzeit bei drei
Jahren liegt. Die zweite Untersuchung soll dann zwei Jahre später stattfinden.
OK, das würde der derzeitigen Regelung entsprechen. Danach soll es dann aber
jährlich zur Hauptuntersuchung gehen. Als Grund wird die hohe Zahl an Unfällen
genannt, die aufgrund technischer Defekte passieren würden.
Die
von der EU finanzierte Unfallstudie für Motorräder MAIDS – Motorcycle Accidents
in-depth Study – kommt zu dem Ergebnis, daß lediglich 0,3 % aller Motorradunfälle
auf ein Versagen der Technik zurückzuführen sind. Die Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes
zeigen, daß Motorräder selbst nach vielen Jahren Nutzung kaum schwerwiegende, technische
Mängel haben. Motorradfahrer halten ihre Fahrzeuge in Schuß, weil ihr Leben von
der funktionierenden Technik abhängt und sie nicht auf die schützenden Wirkung
von Airbags und Sicherheitsgurten vertrauen können. Wegen des direkten Kontakts
zu ihrem Fahrzeug merken sie zudem sehr schnell, wenn etwas nicht stimmt. Es
gibt 10 europäische Länder, in denen Motorräder derzeit gar nicht zur Hauptuntersuchung
müssen. Trotzdem liegen die Unfallzahlen in Relation zum Fahrzeugbestand dort
nicht signifikant höher als in Deutschland mit seinem sehr ausgeklügelten
Prüfsystem. Diese Liste von Argumenten ließe sich fast beliebig verlängern.
Haben die in Brüssel nicht Wichtigeres zu tun ? Ich würde das als krasses
Beispiel für Aktionismus bezeichnen. In den Chefetagen der Prüforganisationen haben
wahrscheinlich die Champagner-Korken geknallt.
Schaut
man in die Begründung für den Vorschlag der EU-Kommission, stellt man fest, daß
dort auf eine Studie der DEKRA verwiesen wird, nach der ca. 8 % aller Motorradunfälle
auf schlechten Wartungszustand zurückzuführen sind. Was denn nun: 0,3 % oder 8
% ? Die DEKRA ist einer der großen Anbieter auf dem Markt für die Durchführung
der Hauptuntersuchungen. Könnte es sein, daß da wirtschaftliche Interessen
Einfluß auf die Zahlen genommen haben ?
Zahlen
sollen die Zeche wir, die aus finanziellen Gründen oder aus Liebe zu unserem
Fahrzeug ein älteres Modell fahren. Schätzungen gehen von Mehrkosten in Höhe
von 1,2 Milliarden Euro zu Lasten der Motorradfahrer in ganz Europa aus, nicht etwa
insgesamt sondern jährlich. Ein gigantisches Konjunkturpaket für die Prüforganisationen
ohne wesentlichen Einfluß auf die Verkehrssicherheit oder die Umwelt.
Zwischenzeitlich
hat sich der Ministerrat der EU, also die Verkehrsminister der Mitgliedsländer,
klar gegen die Harmonisierung der Hauptuntersuchung ausgesprochen. Die bisher
nationalen Regelungen sollen auch weiterhin Bestand haben. Im europäischen
Parlament, dem dritten Mitspieler in der europäischen Gesetzgebung, haben sich
dank der intensiven Lobbyarbeit unseres europäischen Dachverbands der Motorradfahrerverbände
FEMA die drei zuständigen Ausschüsse ebenfalls gegen die neue Regelung
ausgesprochen, der federführende Verkehrsausschuß allerdings nur mit knapper
Mehrheit. Völlig überraschend hat das Plenum sich dann entgegen dem Rat der
Ausschüsse anders entschieden und mit knapper Mehrheit den Vorschlag der
EU-Kommission gebilligt. In der Diskussion ging es plötzlich nicht mehr um Verkehrssicherheit,
sondern um den Schutz der Umwelt. Nun ist offen, wie es weiter geht. Denn das
Patt von EU-Parlament und Ministerrat muß in Verhandlungen hinter
verschlossenen Türen aufgelöst werden. Dabei geht es dann nicht mehr um die Sache,
sondern aller Voraussicht nach um windige Gegengeschäfte. Wundert sich da noch
jemand darüber, daß die EU-Institutionen in der Bevölkerung ständig an Ansehen
verlieren ?
Eine
gute Investition in die Verkehrssicherheit von Motorradfahrern ist dagegen die
Verbesserung der Straßeninfrastruktur. Im Oktober 2007 wurde das sogenannte
MVMot, das „Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“
der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, veröffentlicht. An
der Erstellung des MVMot haben wir als MID intensiv mitgearbeitet. Das
Merkblatt hat für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe
gesetzt. Heinrich Bergerbusch hat im vorletzten Jahr an dieser Stelle über die
positiven Erfahrungen mit dem Einsatz des MVMot in Nordrhein-Westfalen berichtet.
Der
neu aufgelegte „Arbeitskreis Motorradsicherheit“ der FGSV beschäftigt sich seit
knapp drei Jahren mit der Weiterentwicklung und der weiteren Verbreitung des
MVMot. Denn in einer ersten Bestandsaufnahme wurde festgestellt, daß bisher nur
wenige Bundesländer das MVMot verbindlich eingeführt haben oder wenigstens danach
arbeiten. Auch in diesen Arbeitskreis sind wir als Vertreter der Motorradfahrer
mit eingebunden.
Euch
als Betroffene brauche ich nicht zu erklären, daß für einen Motorrad- oder Rollerfahrer,
aber auch für einen Radfahrer eine unsachgemäße Bitumenreparatur bei Hitze oder
Nässe das Ende der Fahrt bedeuten kann. Wenn dann noch ein ungesicherter
Leitplankenpfosten oder ein ungünstig aufgestelltes Verkehrsschild im Weg
steht, endet die Fahrt in einer Katastrophe. Für einen Sturz auf einer
Bitumenfuge reicht selbst bei moderater Geschwindigkeit eine minimale
Schräglage aus. Nicht umsonst spricht man in Biker-Kreisen von „schwarzem Glatteis“.
In
unserer Road-Show durch die Bundesländer, bei der wir den Landesverkehrsministern
unsere Anliegen persönlich vortragen und um Unterstützung bitten, spielt das
MVMot eine wichtige Rolle. Erste Erfolge unserer Bemühungen konnten wir schon
verzeichnen. Einen Durchbruch hat aber im Juni ein Schreiben des Bundesverkehrsministeriums
gebracht, daß die Länder auffordert, in der Zukunft nach dem MVMot zu arbeiten.
Da sage noch einer, das Bohren dicker Bretter in der Politik wäre Zeitverschwendung.
Den Gegenbeweis haben wir jetzt in Händen.
Wir
Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für
die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“
wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen
ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern,
im Regelfall von unaufmerksamen PKW- und LKW-Fahrern aus dem Leben gerissen.
Mit
der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer
Institutionen leisten wir seit Jahren einen Beitrag, die eigene Klientel zu vorausschauender
und defensiver Fahrweise anzuhalten. Über unsere Beiträge zur Kampagne „Runter
vom Gas“ hatte Sandra Demuth vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat im vorletzten
Jahr an dieser Stelle berichtet. Ende 2010 ist die Kampagne mit verändertem Konzept
neu gestartet worden. Das erste Produkt, ein Comic-Heft zum Thema
Motorradsicherheit, ist mit unserer Hilfe entwickelt worden und wird mit unserer
Unterstützung unter die Leute gebracht. Gerade die Zusammenarbeit mit dem DVR
hat gezeigt, daß es viele gute Ansätze gibt, mit unserer Unterstützung die „Zielgruppe
Motorradfahrer“ richtig anzusprechen. Ich bin mir sicher, daß wir auch in der
Zukunft einen wichtigen Part dazu beisteuern werden. Denn wir dürfen nicht
tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer mit dem Drehen am Zündschlüssel
offenbar auch sein Gehirn ausschaltet.
Besonders
stolz sind wir darauf, daß das Bundesverkehrsministerium im Januar diesen
Jahres den ersten Preis im Ideenwettbewerb „Sicher auf Landstraßen“ an das von
der Biker Union entwickelte Konzept der Bitumenrallyes vergeben hat. Die Idee
ist, auf einer gemeinsamen Ausfahrt den Straßenzustand zu überprüfen und Gefahrstellen
für Motorradfahrer zu dokumentieren. Im Fachjargon der Verkehrsingenieure heißt
so etwas „Bestandsaudit“, allerdings aus dem Blickwinkel des motorisierten
Zweiradfahrers. Die Ergebnisse werden am Ende des Tages zusammengefaßt und den
zuständigen Stellen übermittelt. Gleichzeitig wird um ein Gespräch gebeten, das
im Regelfall kurzfristig zustande kommt. Dabei wird gemeinsam ausgelotet, wie
im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten schnelle Abhilfe geschaffen werden
kann.
In
den letzten Jahren hat es eine Vielzahl von Bitumenrallyes in ganz Deutschland
gegeben. Da die notwendigen Unterlagen im Internet frei zum Download zur Verfügung
stehen, haben nicht sich nur die Fahrerverbände, sondern auch Motorradclubs,
freie Motorradstammtische und Einzelpersonen beteiligt. Ergebnis sind zum einen
die Aufnahme von Problemstellen und Maßnahmen zur Problembehebung, aber auch
das Schärfen des Blicks der Profis im Straßenbau und der Straßenunterhaltung
für die spezifischen Probleme des motorisierten Zweirads.
Auch
abseits der großen Projekte sind die in der MID zusammenarbeitenden Verbände
aktiv. Einige unserer Stammtische veranstalten zu Saisonbeginn Fahrsicherheitstrainings
und Erste-Hilfe-Kurse. Bei unseren gemeinsamen Ausfahrten spielen
Geschwindigkeit und Risiko keine Rolle. Daß unsere Arbeit nachweislich Früchte
trägt, hat sich an einem, selbst für uns überraschendem Beispiel gezeigt: unser
Kooperationspartner in Versicherungsfragen hat festgestellt, daß BU-Mitglieder
in der Kfz-Versicherung ein deutlich geringeres Schadenaufkommen haben, als
andere Motorradfahrer.
Wie
bereits erwähnt, steht auch das fünfzehnte Hambacher Bikerfest unter dem Motto
„für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem ersten
Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich bereits
ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das überhaupt
noch ein Thema ? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker galten und
bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen wurden, sind doch schon lange vorbei.
In
vielen Bereichen mag das stimmen. Eine krasse Form der Diskriminierung aller
Motorradfahrer stellt aber seit Jahren das Thema Streckensperrungen dar. Unsere
Verfassung garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu
gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen
auch in die Naherholungsgebiete haben und daß uns dabei die Wahl des
Verkehrsmittels freisteht. Soweit die Theorie.
In
der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich
der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der
Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt
Verboten“-Schild, das nur für motorisierte Zweiräder gilt. Streckensperrungen
nur für Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher
die Regel als die Ausnahme.
In
den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen
gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu
verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von
Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K
53 in der Nähe von Euskirchen genannt.
In
allen genannten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die geforderten
Streckensperrungen angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation
schnell in sich zusammen. Allen genannten Strecken ist gemeinsam, daß es sich
um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen
handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich
zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es,
wenn lokale „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen spielen
lassen.
Ein
gutes Beispiel ist der ursprüngliche Anlaß für das Hambacher Bikerfest. Keine zehn
Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort
heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müssen am Wochenende draußen
bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensperrung nur für
Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorradunfälle begründet wurde.
Die kurvige Landstraße durch das Elmsteiner Tal hatte offenbar manchen
„Heizer“ dazu verleitet, seinen Schutzengel auf eine harte Probe zu stellen.
Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung
ihrer sonntäglichen Ruhe.
Selbstverständlich
hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn
Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende
kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis
Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur
Hölle macht, ist auch das ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.
Das
Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ebenfalls ein Grundprinzip unserer
Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den
Eingriff in die Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird
der Lärm von illegalen Auspuffanlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen
von Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Gleiches gilt für die „Raser“
auf den jeweiligen Strecken. Nichts spricht sich so schnell unter den
Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig
genutzten Straßen. Das an vielen Stellen genannte Argument, man hätte dafür
nicht genügend Einsatzkräfte, ist eine Bankrotterklärung unseres Staates, die
wir nicht akzeptieren werden.
Im
letzten Jahr habe ich an dieser Stelle über die fragwürdigen Grundlagen der Streckensperrung
im Elmsteiner Tal berichtet. Das will ich heute nicht wiederholen. Zwischenzeitlich
haben wir uns die damaligen Urteile, die die Streckensperrung für rechtmäßig
erklärt haben, genauer angesehen. Dort werden Behauptungen zu Tatsachen
umgedeutet, die nachweislich falsch sind. Zudem ist seit 1994, dem Jahr der
ersten Sperrung, viel Wasser den Rhein hinab geflossen. Mit den Maßnahmenpaketen
des MVMot und den neuen technischen Möglichkeiten, Motorradraser aus dem
Verkehr zu ziehen, fällt die Argumentation pro Streckensperrung endgültig in
sich zusammen.
Wir
wollen mögliche Probleme nicht verniedlichen. Die Sperrung einer öffentlichen,
aus Steuergeldern finanzierten Straße für eine bestimmte Fahrzeugklasse ist
aber ein erheblicher Eingriff in garantierte Grundrechte. Dafür muß es
zwingende und alternativlose Gründe geben. Im Elmsteiner Tal kann ich die auch
bei gutem Willen nicht erkennen. Zynisch finde ich einen Satz aus der
Begründung der Kreisverwaltung für die Sperrung. Ich zitiere: „Daraus ergibt
sich, dass auf das Motorradfahrverbot im Elmsteiner Tal im Interesse aller
Verkehrsteilnehmer, besonders der Motorradfahrer selbst, nicht verzichtet
werden kann.“ Mit anderen Worten: wir müßten uns eigentlich bei der
Kreisverwaltung dafür bedanken, daß die Strecke seit 19 Jahren in den Sommermonaten
für Motorradfahrer gesperrt wird.
Ich
weiß, daß wir es im Fall Elmstein mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn
die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer Einfluß
zu dieser Streckensperrung geführt haben. Statt mit großer Inbrunst und seit
vielen Jahren dem heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im Elmsteiner
Tal trotzdem mal mit der Erprobung intelligenter Lösungen versuchen.
Gleichzeitig
würden die Elmsteiner damit auch ein anderes Problem in den Griff bekommen.
Seit Jahren gehen die Übernachtungszahlen in der Verbandsgemeinde Lambrecht
deutlich zurück. Nennenswerte Ansiedlungen von Wirtschaftsbetrieben sind nach
Aussage von Experten nicht zu erwarten. Beherbergungsbetriebe und die
Gastronomie im Elmsteiner Tal klagen trotz aller Anstrengungen, den Tourismus
zu fördern, über mangelnden Zulauf und müssen schließen. Motorradtourismus
könnte der Ansatz sein, das Problem dauerhaft zu lösen. Das hat in anderen
Regionen prima funktioniert, wie wir von unseren motorradfreundlichen Städten
der letzten Jahren immer wieder gehört haben. Dazu müßte man allerdings auf den
Boden der Tatsachen zurückkehren. Ein unrealistischer Traum ?
Ich
fordere die Verantwortlichen erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten Saison
ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung im Elmsteiner Tal
zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände stehen bereit, dabei zu
unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung
unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im Elmsteiner Tal
muß endlich weg.
Zum
Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte
zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger
Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die
Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer
wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“
seine Gültigkeit nicht verloren hat.
Die
Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt,
sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung.
Manches mußte auch in diesem Jahr „mit der heißen Nadel“ gestrickt werden. Denn
die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen
Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die
Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen
Freizeit im Urlaub, abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle noch
einmal deutlich herausgestrichen werden. Und dafür möchte ich mich hier noch
einmal ausdrücklich bedanken.
Auch
in den nächsten Jahre werden wir das Schloß als Kulisse für das Hambacher Bikerfest
nutzen. Vielleicht ist ja zum 16. Jubiläum des Hambacher Bikerfestes das Thema
Streckensperrung im Elmsteiner Tal endlich Geschichte. Dann müßten wir uns
einen neuen Aufhänger für unser Fest einfallen lassen. Aber ich bin sicher, daß
das niemanden traurig stimmen wird.
Schließen
möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den
letzten Jahren beendet hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu
bewegen. Packen wir es an !
Vielen
Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.
Rolf
„Hilton“ Frieling
1.
Vorsitzender der MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.
Vorsitzender
der Biker Union e.V.
Feuerbachstraße
38, 60325 Frankfurt am Main
Tel.:
069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76, frieling@t-online.de
3. August 2013