Festrede zum 14. Hambacher Bikerfest am 4. August 2012

 

Von Rolf „Hilton“ Frieling

 

MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

 

bereits zum vierzehnten Mal versammeln wir uns hier in Hambach, um unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als Bürger und als Motorradfahrer zu Gehör zu bringen.

 

Wie üblich, möchte ich zum Einstieg noch einmal kurz darauf eingehen, wer Euer Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist. MID bedeutet ausgeschrieben „Motorrad Initiative Deutschland e.V.“. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten und die politische Arbeit der Verbände aufeinander abzustimmen.

 

Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Wenn die politische Arbeit der Fahrerverbände aber kein Selbstzweck, sondern wirksame Vertretung der Interessen aller Motorradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir mit einer Stimme sprechen. In der MID haben alle Verbände die Chance, sich einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln. Denn alle Fahrerverbände sind Freiwilligenorganisationen mit begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten.

 

Die MID ist seit Jahren kompetente und verläßliche Ansprechpartnerin der Politik, der Behörden und der Öffentlichkeit. Sie ist eine Institution innerhalb der Motorrad-Community, an der man auch mit viel Mühe nicht vorbei kommt. Mit unseren Positionspapieren zum „Vorbeifahren an Kolonnen“ und zur Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie in deutsches Recht haben wir bewiesen, daß die Fahrerverbände einen wichtigen, fachlich fundierten Input in Gesetzgebungsverfahren liefern können. Die MID ist also die Verkörperung des alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.

 

Im letzten Jahr stand das Hambacher Bikerfest unter keinem besonders gutem Stern. Bei der Vorbereitung gab es eine Menge „Blutsturzaktionen“, auf die wir gerne verzichtet hätten. Krönender Höhepunkt war der Wolkenbruch unmittelbar zu Beginn der Motorraddemo, gegen den auch kirchlicher Beistand nichts ausrichten konnte. Trotzdem war die Veranstaltung unter dem Strich ein Erfolg. Wir können stolz darauf sein, was wir erreicht haben. Das Hambacher Bikerfest, entstanden aus einer Veranstaltung der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe der damaligen Daimler Chrysler AG, ist zum bundesweit beachteten Event der Fahrerverbände geworden, trotz der nicht immer einfachen Rahmenbe­dingungen, denen wir als „Hobby-Politiker“ unterliegen. Im vorletzten Jahr konnten wir das Veranstaltungskonzept auf einer internationalen Motorradfahrerkonferenz der EU vorstellen und einer Delegation US-amerikanischer Straßenbauer präsentieren. Ohne große Übertreibung kann man also sagen: die Welt schaut auf unser Bikerfest am Hambacher Schloß.

 

Was unterscheidet das Hambacher Bikerfest von den üblichen Protestveranstaltungen, über die in den Medien berichtet wird ? Wir wollen nicht nur auf Mißstände aufmerksam machen. Wir wollen auch positive Zeichen setzen. Mit den externen Festvorträgen, die von Beginn an fester Bestandteil unserer Veranstaltung sind, bieten wir eine Plattform, ermutigende Beispiele vorzustellen, wie die Verkehrssicherheit auf Deutschlands Straßen auch für die besonders gefährdete Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer verbessert werden kann. Herr Hegewald hat in seinem Vortrag über neue, Erfolg versprechende Ansätze berichtet.

 

In den letzten Jahren wurden zudem acht Städte und Gemeinden, von Eckernförde bis Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet, ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung wollen wir zur Nachahmung anregen, wie sich zeigt, mit beachtlichem Erfolg.

 

 

Beim Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer. So sank die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer zwischen 1995 und 2010 von 912 auf 635. Das ist ein Rückgang um gut 30 %. Erweitert man den Betrachtungszeitraum auf die letzten 30 Jahre, also von 1980 bis 2010, ist die Zahl der Getöteten sogar um knapp 60 % gesunken. Seit 1995 hat sich der Fahrzeugbestand auf zwei und drei Rädern aber fast verdoppelt. Die Zahlen sind also durchaus erfreulich, werden aber nur selten entsprechend wahrgenommen.

 

Nach den Erfolgen der Vergangenheit wird es immer schwieriger, die Unfallzahlen und damit auch die Zahl der getöteten Motorradfahrer weiter deutlich zu senken. Das zeigen die vorläufigen Zahlen vom letzten Jahr, in dem es erstmals wieder einen Anstieg bei den Getöteten gab. Vorschnelle Reaktionen aus den verschiedensten Ecken, die eine Verschärfung der Rahmenbedingungen für Motorradfahrer fordern, sind aber verfehlt. Denn dieser Anstieg in 2011 ist bei allen Fahrzeugarten und sogar bei den Fußgängern in ähnlicher Form zu verzeichnen.

 

Läßt man die erfreulich niedrigen Zahlen von 2010 aus der Statistik raus, bleibt es bei den weiter sinkenden Zahlen der letzten Jahre. Anders ausgedrückt: 2010 war aus heutiger Sicht ein Ausreißer nach unten, der sich auf die ungünstigen Witterungsbedingungen in 2010 zurückführen läßt, bei denen weniger Verkehrsteilnehmer auf den Straßen unterwegs waren. Dadurch gab es auch weniger schwere Unfälle im Straßenverkehr. Aber bei den Größenordnungen, über die wir mittlerweile sprechen, spielt die Statistik schon eine maßgebliche Rolle. Trotzdem dürfen wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. Denn jedes Verkehrsopfer ist eines zu viel.

 

Ein besonders krasses Beispiel von Aktionismus beim Thema Verkehrssicherheit hat vor wenigen Tagen die EU-Kommission geliefert. Europaweit sollen neue Vorschriften für die Hauptuntersuchung bei Kraftfahrzeugen eingeführt werden. Wichtigster Punkt für Deutschland: die Frequenz der Hauptuntersuchungen soll geändert werden. Müssen Motorräder heute alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung, soll in der Zukunft der erste Besuch bei TÜV oder DEKRA erst nach vier Jahren fällig sein. Schön ! Wir wären ja schon mit einer Angleichung der Frist an die von PKWs zufrieden gewesen, die derzeit bei drei Jahren liegt. Die zweite Untersuchung soll dann zwei Jahre später stattfinden. OK, das würde der derzeitigen Regelung entsprechen. Danach soll es dann aber jährlich zum TÜV gehen. Als Grund wird die hohe Zahl an Unfällen genannt, die aufgrund technischer Defekte passieren würden.

 

Ich habe den Vorschlag der Kommission mehrfach gelesen, um sicher zu sein, daß ich nichts mißverstanden habe. Die von der EU finanzierte Unfallstudie für Motorräder MAIDS – Motorcycle Accidents in-depth Study – kommt zu dem Ergebnis, daß lediglich 0,3 % aller tödlichen Motorradunfälle auf ein Versagen der Technik zurückzuführen sind. Die Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes zeigen, daß Motorräder selbst nach vielen Jahren Nutzung kaum schwerwiegende, technische Mängel haben. Motorradfahrer halten ihre Fahrzeuge in Schuß, weil ihr Leben davon abhängt und sie nicht auf die schützenden Wirkung von Airbags und Sicherheitsgurten vertrauen können. Sie merken zudem sehr schnell, wenn mit der Technik etwas nicht stimmt. Es gibt 10 europäische Länder, in denen Motorräder gar nicht zur Haupt­untersuchung müssen. Trotzdem liegen dort die Unfallzahlen in Relation zum Fahrzeugbestand nicht signifikant höher als in Deutschland mit seinem sehr ausgefuchsten Prüfsystem. Diese Liste von Argumenten ließe sich fast beliebig verlängern. Haben die noch alle Tassen im Schrank in Brüssel ?

 

In den Chefetagen der Prüforganisationen haben wahrscheinlich die Champagner-Korken zu Hunderten geknallt. Zahlen tun die Zeche wir, die aus finanziellen Gründen oder aus Liebe zu unserem Fahrzeug ein älteres Modell fahren. Erste Schätzungen gehen von Mehrkosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zu Lasten der Motorradfahrer in ganz Europa aus, nicht etwa insgesamt sondern jährlich. Ein gigantisches Konjunkturpaket für die Prüforganisationen ohne wesentlichen Einfluß auf die Verkehrssicherheit oder die Umwelt. Sogar der Bundesverkehrsminister hat sich schon ablehnend geäußert.

 

Wir sind derzeit dabei, eine Kampagne gegen die geplante Beutelschneiderei vorzubereiten. Für den 22. September 2012 planen unsere Schwesterverbände MAG Belgien und MAG Niederlande, die von den neuen Regelungen besonders hart getroffen würden, weil es dort keine Hauptuntersuchung für Motorräder gibt, eine Motorrad-Demo nach Brüssel. Wir werden zur Teilnahme an dieser Demo deutschlandweit aufrufen und bitten Euch, sich daran zu beteiligen. Einzelheiten folgen in den nächsten Wochen.

 

Eine gute Investition in die Verkehrssicherheit von Motorradfahrern ist dagegen die Verbesserung der Straßeninfrastruktur. Im Oktober 2007 wurde das sogenannte MVMot, das „Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, veröffentlicht. An der Erstellung des MVMot haben wir als MID intensiv mitgearbeitet. Das Merkblatt hat für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe gesetzt. Heinrich Bergerbusch hat im letzten Jahr an dieser Stelle über die positiven Erfahrungen mit dem Einsatz des MVMot in Nordrhein-Westfalen berichtet.

 

Der im vorletzten Jahr gegründete „Arbeitskreis Motorradsicherheit“ soll sich mit der Weiterentwicklung und der weiteren Verbreitung des MVMot beschäftigen. Denn in einer ersten Bestandsaufnahme wurde festgestellt, daß bisher nur wenige Bundesländer das MVMot verbindlich eingeführt haben oder wenigstens danach arbeiten. Auch in diesen Arbeitskreis sind wir als Vertreter der Motorradfahrer mit eingebunden.

 

Euch als Betroffene brauche ich nicht zu erklären, daß für einen Motorrad- oder Rollerfahrer, aber auch für einen Radfahrer eine unsachgemäße Bitumenreparatur bei Hitze oder Nässe das Ende der Fahrt bedeuten kann. Wenn dann noch ein ungesicherter Leitplankenpfosten oder ein ungünstig aufgestelltes Verkehrsschild im Weg steht, endet die Fahrt in einer Katastrophe. Für einen Sturz auf einer Bitumenfuge reicht selbst bei moderater Geschwindigkeit eine minimale Schräglage aus. Nicht umsonst spricht man in Biker-Kreisen von „schwarzem Glatteis“.

 

In unserer Road-Show durch die Bundesländer, bei der wir den Landesverkehrsministern unsere Anliegen persönlich vortragen und um Unterstützung bitten, hat das MVMot mittlerweile eine prominente Rolle bekommen. Erste Erfolge konnten wir zwar schon verzeichnen. Aber es bleibt noch viel zu tun.

 

 

Wir Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“ wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern, im Regelfall von unaufmerksamen PKW- und LKW-Fahrern aus dem Leben gerissen.

 

Mit der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer Institutionen leisten wir seit Jahren einen Beitrag, die eigene Klientel zu vorausschauender und defensiver Fahrweise anzuhalten. Über unseren Beitrag zur Kampagne „Runter vom Gas“ hatte Sandra Demuth vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat im vorletzten Jahr an dieser Stelle berichtet. Ende letzten Jahres ist die Kampagne mit verändertem Konzept neu gestartet worden. Das erste Produkt, ein Comic-Heft zum Thema Motorradsicherheit, ist mit unserer Hilfe entwickelt worden und wird mit unserer Unterstützung unter die Leute gebracht.

 

Gerade die Zusammenarbeit mit dem DVR hat gezeigt, daß es sehr viele gute Ansätze gibt, mit unserer Unterstützung die „Zielgruppe Motorradfahrer“ richtig anzusprechen. Ich bin mir sicher, daß wir auch in der Zukunft einen wichtigen Part dazu beisteuern werden.

 

Auch abseits der großen Projekte sind die in der MID zusammenarbeitenden Verbände aktiv. Einige unserer Stammtische veranstalten zu Saisonbeginn Fahrsicherheitstrainings und Erste-Hilfe-Kurse. Bei unseren gemeinsamen Ausfahrten spielen Geschwindigkeit und Risiko keine Rolle. Daß unsere Arbeit nachweislich Früchte trägt, hat sich an einem, selbst für uns überraschendem Beispiel gezeigt: unser Kooperationspartner in Versicherungsfragen hat festgestellt, daß BU-Mitglieder in der Kfz-Versicherung ein deutlich geringeres Schadenaufkommen haben, als andere Motorradfahrer.

 

 

Wie bereits erwähnt, steht auch das vierzehnte Hambacher Bikerfest unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich bereits ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das überhaupt noch ein Thema ? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker galten und bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen wurden, sind doch schon lange vorbei.

 

In vielen Bereichen mag das stimmen. Trotzdem sind uns auch in den letzten Monaten reißerische Berichte in den Medien über „Motorradraser“ nicht erspart geblieben. Der Mitteldeutsche Rundfunk hat in seinem Fernsehprogramm Mitte Juli eine 45-minütige Magazinsendung über Motorradfahrer am Kyffhäuser und im Harz ausgestrahlt. Wenn man die Quintessenz der Sendung zieht, sind Motorradfahrer entweder rasende und lärmende Irre mit hohem Suizidpotential, die gerne ein paar Unbeteiligte mit ins Verderben stürzen, ziemlich skurrile Goldwing-Freunde mit seltsamen Riten und Gebräuchen oder Harley-Freaks, die sich an den Wochenenden zu Tausenden zu exzessiven Trinkgelagen treffen. Nicht ganz: es gibt da auch noch ein paar mehr oder weniger senile Greise, die sich an die Straßenverkehrsordnung halten und auch sonst eher unauffällig sind. Damit müssen die dann wohl mich gemeint haben.

 

Wenn ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender seinen Bildungsauftrag so interpretiert, daß er zur besten Sendezeit einen so unqualifizierten Unsinn unter die Leute bringen kann, nenne ich das Diskriminierung von Millionen von „Normlos“ unter uns Motorradfahrern. Als Experten, der die gezeigten Bildsequenzen ausführlich kommentiert, lediglich einen Vertreter der Versicherungswirtschaft hinzuzuziehen, ist journalistisch mehr als fragwürdig. Von einer sauber recherchierten Sendung kann man erwarten, daß auch noch eine zweite Meinung dargestellt wird. Als Gebührenzahler sind wir natürlich trotzdem an der Finanzierung solcher Machwerke beteiligt.

 

Ich will das Problem der „Heizer“ unter uns Motorradfahrern nicht verniedlichen. Jeder Motorradunfall ist einer zu viel. Für die Verkehrssicherheit trägt jeder von uns eine Verantwortung. Im zwanglosen Gespräch mit anderen Motorradfahrern können und müssen wir daher auch weiterhin Einfluß nehmen. Denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer mit dem Drehen am Zündschlüssel offenbar auch sein Gehirn ausschaltet.

 

Der immer aggressiver werdende Sensationsjournalismus treibt aber selbst in früher seriösen Medien immer groteskere Blüten. Ich nenne das einen Mißbrauch der Presse- und Meinungsfreiheit, gegen den wir uns mit allen Mittel wehren müssen. Auch dafür haben wir uns heute hier versammelt. Dagegen werden wir auch in der Zukunft gemeinsam kämpfen.

 

 

14 Jahre Hambacher Bikerfest ist auch ein Anlaß zur kritischen Bestandsaufnahme. Eine krasse Form der Diskriminierung aller Motorradfahrer stellt seit Jahren das Thema Streckensperrungen dar. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen auch in die Naherholungsgebiete haben und daß uns dabei die Wahl des Verkehrsmittels freisteht. Soweit die Theorie.

 

In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt Verboten“-Schild, das nur für motorisierte Zweiräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

 

In den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K 53 in der Nähe von Euskirchen genannt.

 

In allen genannten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die geforderten Streckensperrungen angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation schnell in sich zusammen. Allen genannten Strecken ist gemeinsam, daß es sich um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es, wenn lokale „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen spielen lassen.

 

Ein solches Beispiel ist auch der ursprüngliche Anlaß für das Hambacher Bikerfest. Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müs­sen am Wochenende draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensper­rung nur für Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorrad­unfälle begründet wurde. Die kurvige Land­straße durch das Elmsteiner Tal hatte offenbar manchen „Raser“ dazu verleitet, seinen Schutz­engel auf eine harte Probe zu stellen. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

 

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist auch das ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

 

Das Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ebenfalls ein Grundprinzip unserer Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in die Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuff­anlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen von Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Gleiches gilt für die „Raser“ auf den jeweiligen Strecken. Nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Straßen. Das an vielen Stellen genannte Argument, man hätte dafür nicht genügend Einsatzkräfte, ist eine Bankrotterklärung unseres Staates, die wir nicht akzeptieren werden.

 

Vor einigen Wochen habe ich einen sehr interessanten Artikel aus der hiesigen Lokalzeitung über die Sperrung des Elmsteiner Tals gelesen. Darin wurden auch einige Unfallzahlen vor und nach der Sperrung erläutert. In den zehn Jahren vor der Sperrung 9 Tote und 165 Verletzte bei Unfällen mit Motorradbeteiligung, und das auf einer Streckenlänge von mehr als 30 km: das wäre nach den Regelwerken der Straßenbauer wahrscheinlich nicht mal eine unfallauffällige Strecke. In den 17 Jahren mit Sperrung habe es trotzdem noch 4 Verkehrstote gegeben. Dafür sind die Zahlen auf den umliegenden Straßen deutlich angestiegen. Das Unfallgeschehen hat sich also nicht verändert, sondern nur verlagert, ein Phänomen, das sich bei allen gesperrten Strecken beobachten läßt. Das ist der Grund, warum die Verkehrsministerien und die Straßenbauverwaltungen der Länder zunehmend kritisch gegenüber Streckensperrungen eingestellt sind.

 

Im Unterschied zu vielen anderen, nur am Wochenende gesperrten Strecken hat sich das Unfallgeschehen aber ganz offensichtlich nicht auf die Abende an den anderen Wochentagen verlagert. Das bedeutet, daß das Elmsteiner Tal offenbar keine der klassischen „Motorradstrecken“ ist. Die Sperrung ist demnach also völlig unverhältnismäßig, trotz anders lautendem Gerichtsurteil.

 

Das Spiel mit Unfallzahlen mag sich ziemlich zynisch anhören. Denn dabei geht es schließlich um Menschenleben. Das ist es aber ganz und gar nicht. Wir wollen mögliche Probleme auch nicht verniedlichen. Die Sperrung einer öffentlichen, aus Steuergeldern finanzierten Straße für eine bestimmte Fahrzeugklasse ist ein erheblicher Eingriff in garantierte Grundrechte. Dafür muß es zwingende und alternativlose Gründe geben. Im Elmsteiner Tal kann ich die auch bei gutem Willen nicht erkennen. Zynisch finde ich die in dem Artikel zur Sperrung zitierte Bemerkung aus der Kreisverwaltung: „Auf diese Sperrung kann gerade im Interesse der Motorradfahrer nicht verzichtet werden“. Mit anderen Worten: wir müßten uns eigentlich bei der Kreisverwaltung noch dafür bedanken, daß die Strecke seit 18 Jahren in den Sommermonaten für Motorradfahrer gesperrt wird.

 

Ich weiß, daß wir es im Fall Elmstein mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer Einfluß zu dieser Streckensperrung geführt haben. Statt mit gro­ßer Inbrunst und seit vielen Jahren dem heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im Elmsteiner Tal trotzdem mal mit der Er­probung intelligenter Lösungen versuchen. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch auf der B 48 im Wellbachtal wurden sogenannte Rüttelstrecken eingerichtet, die zu einer drastischen Verringerung der Geschwindigkeit an den kritischen Stellen und damit auch des Unfallrisikos von Motorradfahrern geführt haben. Rüttelstrecken ließen sich problemlos auch im Elmsteiner Tal einrichten. Begleitet von einer verstärkten Polizeipräsenz wäre das Problem in meinen Augen also in überschaubarer Zeit in den Griff zu bekommen.

 

Gleichzeitig würden die Elmsteiner damit aber auch ein anderes Problem in den Griff bekommen. Seit Jahren gehen die Übernachtungszahlen in der Verbandsgemeinde Lambrecht deutlich zurück. Nennenswerte Ansiedlungen von Wirtschaftsbetrieben sind nach Aussage von Experten nicht zu erwarten. Beherbergungsbetriebe und die Gastronomie im Elmsteiner Tal klagen trotz aller Anstrengungen, den Tourismus zu fördern, über mangelnden Zulauf und müssen schließen. Derzeit wäre z.B. ein Hotel in Iggelbach günstig zu erwerben, das trotz Termin für die Zwangsversteigerung keinen Käufer fand. Motorradtourismus könnte der Ansatz sein, das Problem dauerhaft zu lösen. Das hat in anderen Regionen prima funktioniert, wie wir von unseren motorradfreundlichen Städten der letzten Jahren immer wieder gehört haben. Dazu müßte man allerdings auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Ein unrealistischer Traum ?

 

Ich fordere die Verantwortlichen erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten Saison ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung im Elmsteiner Tal zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände stehen bereit, dabei zu unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im Elmsteiner Tal muß endlich weg.

 

 

Zum Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“ seine Gültigkeit nicht verloren hat.

 

Die Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt, sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung. Manches mußte auch in diesem Jahr wieder „mit der heißen Nadel“ gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle noch einmal deutlich herausgestrichen werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

 

Auch für die nächsten Jahre ist das Schloß für uns reserviert. Vielleicht ist ja zum 15. Jubiläum des Hambacher Bikerfestes das Thema Streckensperrung im Elmsteiner Tal endlich Geschichte. Dann müßten wir uns einen neuen Aufhänger für unser Fest einfallen lassen. Aber ich bin sicher, daß das niemanden traurig stimmen wird.

 

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den letzten Jahren been­det hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

 

 

Rolf „Hilton“ Frieling
1. Vorsitzender der MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.
Vorsitzender der Biker Union e.V.
Feuerbachstraße 38, 60325 Frankfurt am Main

Tel.: 069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76
frieling@t-online.de

 

4. August 2012

 

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