Festrede zum 13. Hambacher Bikerfest am 6. August 2011

 

Von Rolf „Hilton“ Frieling

 

MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

 

bereits zum dreizehnten Mal versammeln wir uns hier in Hambach, um unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als Bürger und als Motorradfahrer zu Gehör zu bringen.

 

Wie üblich, möchte ich zum Einstieg noch einmal kurz darauf eingehen, wer Euer Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist. MID bedeutet ausgeschrieben „Motorrad Initiative Deutschland e.V.“. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten und die politische Arbeit der Verbände aufeinander abzustimmen.

 

Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Wenn die politische Arbeit der Fahrerverbände aber kein Selbstzweck, sondern wirksame Vertretung der Interessen aller Motorradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir mit einer Stimme sprechen. In der MID haben alle Verbände die Chance, sich einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln. Denn alle Fahrerverbände sind Freiwilligenorganisationen mit begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten.

 

Die MID ist seit Jahren kompetente und verläßliche Ansprechpartnerin der Politik, der Behörden und der Öffentlichkeit. Sie ist eine Institution innerhalb der Motorrad-Community, an der man auch mit viel Mühe nicht vorbei kommt. Mit unseren Positionspapieren zum „Vorbeifahren an Kolonnen“ und zur Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie in deutsches Recht haben wir bewiesen, daß die Fahrerverbände einen wichtigen, fachlich fundierten Input in Gesetzgebungsverfahren liefern können. Die MID ist also die Verkörperung des alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.

 

Die Zahl dreizehn ist in unserem Kulturkreis eine Unglückszahl. Wenn man sich die Vorgeschichte der heutigen Veranstaltung ansieht, scheint das auch für das Hambacher Bikerfest zu gelten. Auf die „Blutsturzaktionen“ der vergangenen Wochen hätten wir liebend gerne verzichtet. Auf der anderen Seite können wir stolz darauf sein, was wir erreicht haben. Das Hambacher Bikerfest, entstanden aus einer Veranstaltung der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe der damaligen Daimler Chrysler AG, ist zum bundesweit beachteten Event der Fahrerverbände geworden, trotz der nicht immer einfachen Rahmenbe­dingungen, denen wir als „Hobby-Politiker“ unterliegen. Im letzten Jahr konnten wir das Veranstaltungskonzept auf einer internationalen Motorradfahrerkonferenz der EU vorstellen und einer Delegation US-amerikanischer Straßenbauer präsentieren. Ohne große Übertreibung kann man also sagen: die Welt schaut auf unser Bikerfest am Hambacher Schloß.

 

Was unterscheidet das Hambacher Bikerfest von den üblichen Protestveranstaltungen, über die in den Medien berichtet wird ? Wir wollen nicht nur auf Mißstände aufmerksam machen. Wir wollen auch positive Zeichen setzen. Mit den externen Festvorträgen, die von Beginn an fester Bestandteil unserer Veranstaltung sind, bieten wir eine Plattform, ermutigende Beispiele vorzustellen, wie die Verkehrssicherheit auf Deutschland’s Straßen auch für die besonders gefährdete Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer verbessert werden kann. Heinrich Bergerbusch hat in seinem Vortrag ja einiges dazu gesagt.

 

In den letzten Jahren wurden zudem acht Städte und Gemeinden, von Eckernförde bis Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet, ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung wollen wir zur Nachahmung animieren, wie sich zeigt, mit beachtlichem Erfolg.

 

 

Beim Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer. So sank die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer zwischen 1995 und 2010 von 912 auf 635. Das ist ein Rückgang um gut 30 %. Erweitert man den Betrachtungszeitraum auf die letzten 30 Jahre, also von 1980 bis 2010, ist die Zahl der Getöteten sogar um knapp 60 % gesunken. Seit 1995 hat sich der Fahrzeugbestand auf zwei und drei Rädern aber fast verdoppelt. Die Zahlen sind also durchaus erfreulich, werden aber nur selten entsprechend wahrgenommen.

 

Nach den Erfolgen der Vergangenheit wird es immer schwieriger, die Unfallzahlen und damit auch die Zahl der getöteten Motorradfahrer weiter deutlich zu senken. Denn bei den Größenordnungen, über die wir mittlerweile sprechen, spielt die Statistik bereits eine maßgebliche Rolle. Trotzdem dürfen wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. Denn jedes Verkehrsopfer ist eines zu viel.

 

Im Oktober 2007 wurde das sogenannte MVMot, das „Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, veröffentlicht. An der Erstellung des MVMot haben wir als MID intensiv mitgearbeitet. Das Merkblatt hat für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe gesetzt. Mein Vorredner hat über die positiven Erfahrungen mit dem Einsatz des MVMot in Nordrhein-Westfalen berichtet.

 

Im letzten Jahr wurde durch die Forschungsgesellschaft der sogenannte „Arbeitskreis Motorradsicherheit“ ins Leben gerufen, der sich mit der Weiterentwicklung und der weiteren Verbreitung des MVMot beschäftigen soll. Auch in diesen Arbeitskreis sind wir als Vertreter der Motorradfahrer mit eingebunden. In einer ersten Bestandsaufnahme wurde festgestellt, daß neben Nordrhein-Westfalen auch Bayern und Baden-Württemberg nach dem Merkblatt arbeiten. Hessen, das bereits vor der Herausgabe des MVMot einen Leitfaden mit ähnlichen Inhalten entwickelt hatte, tut im Bereich Straßenbau ebenfalls viel für die Sicherheit von Motorradfahrern. In Rheinland-Pfalz, dessen Vertreter zum „Kernteam“ der Merkblattentwickler gehörte, ist das MVMot zwar intern verteilt worden. Eine verbindliche Einführung als Arbeitsgrundlage vor Ort ist bisher aber noch nicht erfolgt. In anderen Bundesländern sieht es wohl noch schlechter aus.

 

Im letzten Jahr hatte ich an dieser Stelle über das Statement des Geschäftsführers der Straßenbauverwaltung Rheinland-Pfalz berichtet, der in einem Fernsehinterview allen Ernstes Bitumenreparaturen als kostengünstiges und bewährtes Verfahren verteidigte. Schließlich würde man als PKW-Besitzer bei einem kleinen Lackschaden am Auto auch nicht das ganze Auto neu spritzen lassen.

 

Euch als Betroffene brauche ich nicht zu erklären, daß für einen Motorrad- oder Rollerfahrer, aber auch für einen Radfahrer eine unsachgemäße Bitumenreparatur bei Hitze oder Nässe das Ende der Fahrt bedeuten kann. Wenn dann noch ein ungesicherter Leitplankenpfosten oder ein ungünstig aufgestelltes Verkehrsschild im Weg steht, endet die Fahrt in einer Katastrophe. Für einen Sturz auf einer Bitumenfuge reicht selbst bei moderater Geschwindigkeit eine minimale Schräglage aus. Nicht umsonst spricht man in Biker-Kreisen von „schwarzem Glatteis“.

 

Ich war ziemlich überrascht über das enttäuschende Ergebnis unserer Bestandsaufnahme. Denn bei unserer derzeitigen Road-Show durch die Bundesländer, bei der wir den Landesverkehrsministern unsere Anliegen persönlich vortragen und um Unterstützung bitten, kam das MVMot bisher nur am Rande vor. Für uns war das Thema im Grundsatz abgehakt. Es ging uns im Wesentlichen um die Bereitstellung der notwendigen, finanziellen Mittel für die Umsetzung. Daß wir vorher noch Basisarbeit leisten müssen, war uns bis vor Kurzem nicht bewußt. Denn wir hatten das besagte Statement unter der Überschrift „Betriebsunfall“ ad acta gelegt. Angesichts der neuen Erkenntnisse braucht man sich nicht zu wundern, daß sich der Stand von Wissenschaft und Technik, zu dem auch die Empfehlungen des MVMot gehören, noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat.

 

 

Im Jahr 2004 haben wir, wie bereits erwähnt, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen als „motorradfahrerfreundliche Behörde in Deutschland“ ausgezeichnet. Dort wurde der Unterfahrschutz für Leitplanken „Modell Euskirchen“ entwickelt, der für viele Motorradfahrer zum Lebensretter wurde. Schon vor Jahren haben viele Bundesländer die Verwendung des „Modells Euskirchens“ an Unfallschwerpunkten für Motorradfahrer verbindlich vorgeschrieben. Auch das MVMot geht ausführlich auf diesen Unterfahrschutz ein.

 

Der europäische Dachverband der Motorradfahrerverbände, FEMA, in dem wir seit vielen Jahren aktiv mitarbeiten, ist seit mehreren Jahren assoziiertes Mitglied des europäischen Normungsgremiums CEN. Auf Drängen der FEMA hat der zuständige Unterausschuß des CEN beschlossen, Motorradfahrer in die Normierung sogenannter „Fahrzeugrückhaltesysteme am Straßenrand“ einzubeziehen. Denn in der bisherigen Leitplankennorm EN 1317 kommen Motorradfahrer gar nicht vor.

 

Die erweiterte Fassung der EN 1317 wurde zwischenzeitlich durch die verschiedenen CEN-Gremien genehmigt und den EU-Ländern zur abschließenden Kommentierung vorgelegt. Das Ergebnis der letzten Abstimmung über die Erweiterung der Norm war ernüchternd: statt als Norm und damit als verbindliche Vorgabe festgeschrieben zu werden, wurde sie zur „Technischen Spezifikation“ herabgestuft, die von den Mitgliedsländern übernommen werden kann, aber nicht muß.

 

Welche Konsequenzen die Mitte Juni getroffene Entscheidung hat, ist noch nicht vollständig abzusehen. Wir in Deutschland sind da bis auf Weiteres auf der sicheren Seite. Mit der Freigabe des Bundesverkehrsministeriums für den in Deutschland üblichen Unterfahrschutz aus dem Jahr 2004 haben wir die notwendigen, rechtlichen Grundlagen, um auch weiterhin das „Modell Euskirchen“ einsetzen zu können. Mit dem Modell „Euskirchen plus“ hat die Bundesanstalt für Straßenwesen zudem ein verbessertes System entwickelt, das sich in der Praxis aber noch bewähren muß.

 

Andere EU-Staaten, vor allem die nordischen Länder sind da wesentlich schlechter dran. Unsere schwedischen Freunde müssen sich zum Beispiel mit den dort weit verbreiteten Stahlseilkonstruktionen am Straßenrand auseinander setzen, die vielfach sogar als Fahrbahnteiler zwischen den Fahrspuren aufgestellt wurden. Unter Motorradfahrern werden diese Systeme sehr anschaulich als „Eierschneider“ bezeichnet.

 

Diese Fahrbahnteiler sollen den Zusammenstoß entgegenkommender Fahrzeuge verhindern. Dafür nimmt man einen Anstieg schwer verletzter und getöteter Motorradfahrer als Kollateralschaden billigend in Kauf. Dies würde die ursprünglich geplante Erweiterung der Leitplankennorm verhindern. Wenn man es auf den Punkt bringt: die Verkehrssicherheit von mit einer schützenden Karosserie und vielen Airbags ausgestatteten PKWs wird zu Lasten der weniger geschützten Motorradfahrer erhöht. Das ist in meinen Augen Zynismus in Reinkultur.

 

 

Wir Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“ wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern, im Regelfall von unaufmerksamen PKW- und LKW-Fahrern aus dem Leben gerissen.

 

Mit der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer Institutionen leisten wir seit Jahren einen Beitrag, die eigene Klientel zu vorausschauender und defensiver Fahrweise anzuhalten. Über unseren Beitrag zur Kampagne „Runter vom Gas“ hatte Sandra Demuth vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat im letzten Jahr an dieser Stelle berichtet. Im letzten September haben wir zusammen mit dem DVR und den Verkehrs- bzw. Innenministern der Länder die letzte große Aktion der Kampagne, die „Motorrad-Filmnacht Mammuth“ begleitet. An 12 von 13 Veranstaltungsorten verteilt über ganz Deutschland waren wir mit einem Infostand vertreten und haben Aufklärungsarbeit unter den Besuchern geleistet.

 

Gerade die Zusammenarbeit mit dem DVR hat gezeigt, daß es sehr viele gute Ansätze gibt, mit unserer Unterstützung die „Zielgruppe Motorradfahrer“ richtig anzusprechen. Das Bundesverkehrsministerium entwickelt derzeit den Nachfolger der Kampagne „Runter von Gas“. Ich bin mir sicher, daß wir auch dort einen wichtigen Part beisteuern werden.

 

Auch abseits der großen Projekte sind die in der MID zusammenarbeitenden Verbände aktiv. Einige unserer Stammtische veranstalten zu Saisonbeginn Fahrsicherheitstrainings und Erste-Hilfe-Kurse. Bei unseren gemeinsamen Ausfahrten spielen Geschwindigkeit und Risiko keine Rolle. Daß unsere Arbeit nachweislich Früchte trägt, hat sich an einem, selbst für uns überraschendem Beispiel gezeigt: unser Kooperationspartner in Versicherungsfragen hat festgestellt, daß BU-Mitglieder in der Kfz-Versicherung ein deutlich geringeres Schadenaufkommen haben, als andere Motorradfahrer.

 

 

Wie bereits erwähnt, steht auch das dreizehnte Hambacher Bikerfest unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich bereits ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das überhaupt noch ein Thema ? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker galten und bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen werden, sind doch schon lange vorbei.

 

In vielen Bereichen mag das stimmen. Trotzdem sind uns auch in den letzten Monaten reißerische Berichte in den Medien über „Motorradraser“ nicht erspart geblieben. Ich will das Problem der „Heizer“ unter uns Motorradfahrern nicht verniedlichen. Jeder Motorradunfall ist einer zu viel. Für die Verkehrssicherheit trägt jeder von uns eine Verantwortung. Im zwanglosen Gespräch mit anderen Motorradfahrern können und müssen wir daher auch weiterhin Einfluß nehmen. Denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer mit dem Drehen am Zündschlüssel offenbar auch sein Gehirn ausschaltet.

 

Der immer aggressiver werdende Sensationsjournalismus treibt aber selbst in früher seriösen Medien immer groteskere Blüten. Ich nenne das einen Mißbrauch der Presse- und Meinungsfreiheit, gegen den wir uns mit allen Mittel wehren. Auch dafür haben wir uns heute hier versammelt. Dagegen werden wir auch in der Zukunft gemeinsam kämpfen.

 

 

13 Jahre Hambacher Bikerfest ist auch ein Anlaß zur kritischen Bestandsaufnahme. Eine krasse Form der Diskriminierung aller Motorradfahrer stellt seit Jahren das Thema Streckensperrungen dar. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen auch in die Naherholungsgebiete haben und daß uns dabei die Wahl des Verkehrsmittels freisteht. Soweit die Theorie.

 

In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt Verboten“-Schild, das nur für motorisierte Zweiräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

 

In den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K 53 in der Nähe von Euskirchen genannt.

 

In allen genannten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die geforderten Streckensperrungen angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation schnell in sich zusammen. Allen genannten Strecken ist gemeinsam, daß es sich um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es, wenn lokale „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen spielen lassen.

 

Ein solches Beispiel ist auch der ursprüngliche Anlaß für das Hambacher Bikerfest. Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müs­sen am Wochenende draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensper­rung nur für Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorrad­unfälle begründet wurde. Die kurvige Land­straße durch das Elmsteiner Tal hatte offenbar manchen „Raser“ dazu verleitet, seinen Schutz­engel auf eine harte Probe zu stellen. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

 

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist auch das ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

 

Das Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ebenfalls ein Grundprinzip unserer Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in die Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuff­anlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen von Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Gleiches gilt für die „Raser“ auf den jeweiligen Strecken. Nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Straßen. Das an vielen Stellen genannte Argument, man hätte dafür nicht genügend Einsatzkräfte, ist eine Bankrotterklärung unseres Staates, die wir nicht akzeptieren werden.

 

Im letzten Jahr hatten wir hier in Hambach ein Fernsehteam des Südwestfunks zu Gast, daß über unsere Veranstaltung und auch über unser Dauerthema Streckensperrungen berichtet hat. Im Interview hat die für die Sperrung zuständige Landrätin aus den Unfallstatistiken vor der Sperrung des Elmsteiner Tals zitiert. Dabei wurden Zahlen genannt, die nach den geltenden Regeln nicht einmal eine Unfallhäufung darstellen würden. Eine Sperrung wäre demnach also völlig unverhältnismäßig, trotz anders lautendem Gerichtsurteil.

 

Natürlich muß man sich diese Zahlen noch einmal genauer ansehen. Und wir wollen mögliche Probleme auch nicht verniedlichen. Im Fall des Elmsteiner Tals ist das Argument der Verkehrssicherheit aber schon seit langem ad Absurdum geführt worden. Zwar ist seit der Sperrung im Jahr 1994 die Zahl der schweren Verkehrsunfälle von Motorradfahrern zurückgegangen. Dafür sind die Zahlen auf den umliegenden Straßen deutlich angestiegen. Das Unfallgeschehen hat sich also nicht verändert, sondern nur verlagert, ein Phänomen, das sich bei allen gesperrten Strecken beobachten läßt. Das ist der Grund, warum die Verkehrsministerien und die Straßenbauverwaltungen der Länder zunehmend kritisch gegenüber Streckensperrungen eingestellt sind. Über die neuen Regelungen für Nordrhein-Westfalen hat Heinrich ja in seinem Vortrag berichtet.

 

Ich weiß, daß wir es im Fall Elmstein mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer Einfluß zu dieser Streckensperrung geführt haben. Statt mit gro­ßer Inbrunst und seit vielen Jahren dem heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im Elmsteiner Tal trotzdem mal mit der Er­probung intelligenter Lösungen versuchen. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch auf der B 48 im Wellbachtal wurden sogenannte Rüttelstrecken eingerichtet, die zu einer drastischen Verringerung der Geschwindigkeit an den kritischen Stellen und damit auch des Unfallrisikos von Motorradfahrern geführt haben. Rüttelstrecken ließen sich problemlos auch im Elmsteiner Tal einrichten. Begleitet von einer verstärkten Polizeipräsenz wäre das Problem in meinen Augen also in überschaubarer Zeit in den Griff zu bekommen.

 

Ich fordere die Verantwortlichen erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten Saison ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung im Elmsteiner Tal zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände stehen bereit, dabei zu unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im Elmsteiner Tal muß endlich weg.

 

 

Zum Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“ seine Gültigkeit nicht verloren hat.

 

Die Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt, sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung. Manches mußte auch in diesem Jahr wieder „mit der heißen Nadel“ gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle noch einmal deutlich herausgestrichen werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

 

Auch für die nächsten Jahre ist das Schloß für uns reserviert. Vielleicht ist ja zum 15. Jubiläum des Hambacher Bikerfestes das Thema Streckensperrung im Elmsteiner Tal endlich Geschichte. Dann müßten wir uns einen neuen Aufhänger für unser Fest einfallen lassen. Aber ich bin sicher, daß das niemanden traurig stimmen wird.

 

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den letzten Jahren been­det hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

 

 

 

Rolf „Hilton“ Frieling

1. Vorsitzender der MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

Vorsitzender der Biker Union e.V.

Feuerbachstraße 38, 60325 Frankfurt am Main

Tel.: 069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76, frieling@t-online.de

 

6. August 2011

 

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