Festrede zum 12. Hambacher Bikerfest am 7. August 2010

 

Von Rolf „Hilton“ Frieling

 

MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

 

bereits zum zwölften Mal versammeln wir uns hier in Hambach, um unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als Bürger und als Motorradfahrer zu Gehör zu bringen.

 

Wie üblich, möchte ich zum Einstieg noch einmal kurz darauf eingehen, wer Euer Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist. MID bedeutet ausgeschrieben „Motorrad Initiative Deutschland e.V.“. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten und die politische Arbeit der Verbände aufeinander abzustimmen.

 

Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Wenn die politische Arbeit der Fahrerverbände aber kein Selbstzweck, sondern wirksame Vertretung der Interessen aller Motorradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir mit einer Stimme sprechen. In der MID haben alle Verbände die Chance, sich einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln. Denn alle Fahrerverbände sind Freiwilligenorganisationen mit begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten.

 

Die MID hat sich in den letzten Jahren zum kompetenten und verläßlichen Ansprechpartner der Politik, der Behörden und der Öffentlichkeit entwickelt. Sie ist eine Institution innerhalb der Motorrad-Community, an der man auch mit viel Mühe nicht mehr vorbei kommt. Mit unseren Positionspapieren zum „Vorbeifahren an Kolonnen“ und zur Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie in deutsches Recht haben wir bewiesen, daß die Fahrerverbände einen wichtigen, fachlich fundierten Input in Gesetzgebungsverfahren liefern können. Die MID ist also die Verkörperung des alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.

 

Zwölf Jahre Hambacher Bikerfest sind ein Anlaß, stolz zu sein. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mich Hans Kaiser im Jahr 1999 anrief und fragte, ob ich bereit wäre, auf einer Veranstaltung der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe der Daimler Chrysler AG, ein paar Worte über die Diskriminierung von Motorradfahrern zu sagen. Die Daimler Chrysler AG ist mittlerweile Geschichte, an die sich in unserer schnelllebigen Zeit kaum noch jemand erinnern kann. Das aus diesen ersten Anfängen weiterentwickelte Hambacher Bikerfest hat sich dagegen zum bundesweit beachteten Event der Fahrerverbände mit internationaler Ausstrahlung entwickelt, trotz der nicht immer einfachen Rahmenbe­dingungen, denen wir als „Hobby-Politiker“ unterliegen.

 

Was unterscheidet das Hambacher Bikerfest von den üblichen Protestveranstaltung, über die in den Medien berichtet wird ? Wir wollen nicht nur auf Mißstände aufmerksam machen. Wir wollen auch positive Akzente setzen. Mit den externen Festvorträgen, die von Beginn an fester Bestandteil unserer Veranstaltung sind, bieten wir eine Plattform, ermutigende Beispiele vorzustellen, wie die Verkehrssicherheit auf Deutschland’s Straßen auch für die besonders gefährdete Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer verbessert werden kann. Ich freue mich, daß wir in diesem Jahr mit Sandra eine kompetente Referentin gefunden haben, die über eine bundesweite Verkehrssicherheitskampagne berichtet hat, bei der auf den erhobenen Zeigefinger weitgehend verzichtet wird.

 

In den letzten Jahren wurden zudem sieben Städte und Gemeinden, von Eckernförde bis Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet, ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung wollen wir zur Nachahmung animieren, wie sich zeigt, mit immer größerem Erfolg. Ich freue mich, daß wir auch in diesem Jahr eine würdige Preisträgerin gefunden haben, die wir Euch im Anschluß an meine Festrede vorstellen werden.

 

Beim Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer. So sank die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer zwischen 1995 und 2009 von 912 auf 651. Das ist ein Rückgang um fast 30 %. In der gleichen Zeit hat sich der Fahrzeugbestand auf zwei und drei Rädern fast verdoppelt. Die Zahlen sind also durchaus erfreulich, werden aber nur selten entsprechend wahrgenommen. Natürlich bleibt auch für die Zukunft viel zu tun. Denn jedes Verkehrsopfer ist eines zu viel.

 

Mit der Veröffentlichung des „Merkblatts zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen im Oktober 2007, an dessen Erstellung wir als MID intensiv mitgearbeitet haben, sind für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe gesetzt worden. Die Umsetzung des sogenannten „MVMot“ in den Bundesländern ist in vollem Gang. Die Ergebnisse sind nachweislich positiv. Anfang diesen Jahres haben ADAC und Deutscher Verkehrssicherheitsrat einen sogenannten Leitfaden für die Praxis „Motorrad fahren – auf sicherer Straße“ herausgegeben, an deren Erstellung wir ebenfalls maßgeblich beteiligt waren. Mit vielen Beispielen sollen Entscheidungsträger in der Politik und den Behörden sensibilisiert werden, damit die notwendigen Mittel für die Umsetzung der Maßnahmen aus dem MVMot bereitgestellt werden.

 

Wie wichtig diese Sensibilisierung auch drei Jahre nach Veröffentlichung des MVMot ist, läßt sich an einem kleinen Beispiel verdeutlichen. Im Frühjahr diesen Jahres bekam ich einen Anruf von einem Fernsehteam des Südwestrundfunks, das einen Bericht über den bedenklichen Straßenzustand nach dem harten Winter der vergangenen Monate drehen wollte. Die Redakteurin hatte von unseren Bitumenrallys gelesen, mit denen wir für Motorradfahrer gefährliche Straßenreparaturen und todbringende Hindernisse im Straßenseitenraum dokumentieren. Die Dreharbeiten fanden im Elmsteiner Tal und auf der B 48 im Raum Johanniskreuz, also gleich um die Ecke, statt. Das Fernsehteam war sehr beeindruckt.

 

Im ausgestrahlten Beitrag kam auch der Leiter einer Straßenbaubehörde zu Wort, der Straßenreparaturen mit Bitumen als kostengünstiges und bewährtes Verfahren verteidigte. Schließlich würde man als PKW-Besitzer bei einem kleinen Lackschaden am Auto auch nicht das ganze Auto neu spritzen lassen. Da knallte mir, ehrlich gesagt, die Kinnlade auf die Brust. Denn für einen Motorrad- oder Rollerfahrer, aber auch für einen Radfahrer kann eine unsachgemäße Bitumenreparatur bei Hitze oder Nässe das Ende der Fahrt bedeuten. Wenn dann noch ein ungesicherter Leitplankenpfosten oder ein ungünstig aufgestelltes Verkehrsschild im Weg steht, endet die Fahrt in einer Katastrophe. Für einen Sturz auf einer Bitumenfuge reicht selbst bei moderater Geschwindigkeit eine minimale Schräglage aus. Nicht umsonst spricht man in Biker-Kreisen von „schwarzem Glatteis“.

 

Im Jahr 2004 haben wir, wie bereits erwähnt, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen als „motorradfahrerfreundliche Behörde in Deutschland“ ausgezeichnet. Dort wurde der Unterfahrschutz für Leitplanken „Modell Euskirchen“ entwickelt, der für viele Motorradfahrer zum Lebensretter wurde. Schon vor Jahren haben viele Bundesländer die Verwendung des „Modells Euskirchens“ an Unfallschwerpunkten für Motorradfahrer verbindlich vorgeschrieben. Auch das „MVMot“ geht ausführlich auf diesen Unterfahrschutz ein.

 

Der europäische Dachverband der Motorradfahrerverbände, FEMA, in dem wir seit vielen Jahren aktiv mitarbeiten, ist seit mehreren Jahren assoziiertes Mitglied des europäischen Normungsgremiums CEN. Auf Drängen der FEMA hat der zuständige Unterausschuß des CEN beschlossen, Motorradfahrer in die Normierung sogenannter „Fahrzeugrückhaltesysteme am Straßenrand“ einzubeziehen. Denn in der bisherigen Leitplankennorm EN 1317 kommen Motorradfahrer gar nicht vor. Die erweiterte Fassung der EN 1317 wurde mittlerweile durch die verschiedenen CEN-Gremien genehmigt und liegt den EU-Ländern zur abschließenden Kommentierung vor. Wenn es keine unvorhergesehen Komplikationen mehr gibt, wird Anfang kommenden Jahres eine Normierung geltendes Recht, die auch uns motorisierte Zweiradfahrer angemessen berücksichtigt. Wir wären also erneut ein großes Stück weiter.

 

Nicht nur die Verkehrsinfrastruktur hat uns in der letzten Zeit stark beschäftigt. Im letzten Jahr hatte ich in meinem Vortrag über unsere Gespräche mit dem damaligen Bundesverkehrsminister, Herrn Tiefensee, berichtet. Mit unserem gemeinsamen Anliegen, die Nutzung der Rettungsgasse im Stau auf der Autobahn für Motorradfahrer auch offiziell freizugeben, waren wir am Veto der Länder im Bund- / Länder-Fachaus­schuß StVO gescheitert. Das Positionspapier der MID zum „Vorbeifahren an Kolonnen“, das wir mit einem persönlichen Anschreiben an alle 16 Landesverkehrsminister geschickt hatten, war auf wenig Gegenliebe gestoßen.

 

In den Antworten aus den Ministerien wurde weder auf unsere Argumente eingegangen noch wurden Belege für die realitätsfernen Behauptungen der Ministeriumsmitarbeiter geliefert, die bereits vor mehr als10 Jahren zur Ablehnung unseres ersten Vorstoßes zur Anpassung der Rechtslage an die Realitäten geführt hatten. Denn gemäß Zahlen des Instituts für Zweiradsicherheit benutzen bereits heute ca. 75 % aller Motorradfahrer die Rettungsgasse, ohne daß dies negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätte.

 

Seit Herbst letzten Jahres sind wir auf einer Road-Show durch die Bundesländer, bei der wir unsere Argumente den Ministern persönlich vortragen, nicht nur zum Thema Vorbeifahren, sondern auch zu anderen, aktuellen Fragen. Unsere zunächst überraschende Feststellung: auf der Fachebene scheint man vielerorts ein sehr einfaches Weltbild zu pflegen. Motorradfahren ist gefährlich. Also muß man den Freiraum der Motorradfahrer möglichst weit einschränken, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Fundierte Argumente und belastbare Zahlen spielen da nur eine untergeordnete Rolle.

 

Im persönlichen Gespräch mit den Ministern sieht die Welt dann anders aus. Nach intensiver Diskussion haben wir bisher fast durchweg Zustimmung zu unseren Vorschlägen bekommen. Selbst „Hardliner“ sind nachdenklich geworden und haben eine erneute Prüfung der Sachlage zugesagt. Das „Undenkbare“ scheint also doch bedenkenswert zu sein.

 

Machen wir es an einem Beispiel deutlich. Die Bundesregierung hat Anfang der Woche das „Begleitete Fahren mit 17 beim PKW-Führerschein“ als Standardregelung auf den Weg gebracht. Begleitetes Fahren mit 17 auch für Motorradführerscheinaspiranten ? Unmöglich ! Diese Verantwortung will derzeit keiner übernehmen. Wie sieht es aber mit den Fakten aus ?

 

Die meisten Fahrlehrer begleiten ihre Schützlinge bei ihren Fahrstunden auf dem motorisierten Zweirad mit dem Auto. Eine Eingriffsmöglichkeit in gefährlichen Situationen, beim PKW in Form eines zweiten Gas- und Bremspedals oder durch Griff ins Lenkrad, gibt es nicht. „Nabelschnur“ zwischen Fahrlehrer und Fahrschüler ist eine Funkverbindung zweifelhafter Qualität. Trotzdem schaffen es die meisten Fahrschüler lebend bis zur Fahrprüfung. Viele ältere Fahrlehrer haben ihre Ausbildungslizenz für motorisierte Zweiräder vor vielen Jahren gemacht, sind aber seit langem nicht mehr mit einem motorisierten Zweirad gefahren. Wie effizient eine solche Ausbildung in Bezug auf die Verkehrssicherheit der zukünftigen Zweiradenthusiasten im Regelfall ist, überlasse ich Eurer Phantasie.

 

Das Prinzip des begleiteten Fahrens basiert darauf, daß junge Führerscheininhaber in Begleitung und unter Anleitung eines geübten PKW-Fahrers Erfahrung im realen Straßenverkehr sammeln können, bevor er oder sie alleine auf die Menschheit losgelassen wird. Hierbei gibt es keine Eingriffsmöglichkeiten in Form eines zweiten Pedalensatzes. Auch der Griff ins Lenkrad ist strikt untersagt. Der Erfolg dieses Modells ist trotzdem wissenschaftlich überzeugend nachgewiesen.

 

Das Gleiche könnte man auch beim Zweiradführerschein machen, sicher nicht mit einem geübten Fahrer auf dem Sozius. Wenn aber ein erfahrener Zweiradfahrer seinem Schützling folgt und in den Pausen nützliche Tips zur Fahrtechnik und zum Fahrverhalten gibt oder bei Bedarf auch mal die „Ideallinie“ vorgibt, kann der junge Fahrer bzw. die junge Fahrerin Ausbildungsdefizite schnell und weitgehend gefahrlos ausgleichen und solide Fahrpraxis erwerben. Denn jeder Begleiter eines Fahranfängers wird es sich gut überlegen, welches Risiko er auf sich nimmt. Gewollter Nebeneffekt: der junge Fahrer lernt die Vorzüge des gemütlichen Tourens kennen bevor er seinen möglicherweise knieschleifenden Altersgenossen in die Hände fällt. Aus meiner Sicht ein doppelt positiver Effekt auf die Verkehrssicherheit jugendlicher Fahranfänger.

 

Undenkbar ? Die erste Reaktion der Minister, mit denen wir darüber gesprochen haben, war eher negativ. Aber wir konnten schon aus Zeitgründen nicht in die Details eines möglichen Modells für motorisierte Zweiradfahrer gehen. Sicher muß man noch mehr Erfahrungen mit dem Modell beim PKW-Führerschein abwarten, bevor man das Thema ernsthaft aufgreift. Derzeit ist das also Zukunftsmusik. Aber auch darüber lohnt es sich, weiter nachzudenken und rechtzeitig den Weg zu bereiten.

 

Wir Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“ wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern, im Regelfall unaufmerksamen PKW- und LKW-Fahrern, aus dem Leben gerissen. Ein besonders tragischer Fall ist vor kurzem bei uns im Frankfurter Raum passiert. Ein Motorradfahrer hatte auf dem Standstreifen einer Autobahn angehalten, um einen dort mit einer Panne liegen gebliebenen Motorradfahrer zu helfen. Ein Lastwagenfahrer rammte kurz darauf die beiden Fahrer und ihre Maschinen. Der Helfer starb im Krankenhaus, der zweite Motorradfahrer wurde schwer verletzt.

 

Mit der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer Institutionen leisten wir seit Jahren einen Beitrag, auch die eigene Klientel zu vorausschauender und defensiver Fahrweise anzuhalten. Über unseren Beitrag zur Kampagne „Runter vom Gas“ hat Sandra ja bereits berichtet. Gerade die Zusammenarbeit mit dem DVR hat gezeigt, daß es sehr viele gute Ansätze gibt, mit unserer Unterstützung die „Zielgruppe Motorradfahrer“ richtig anzusprechen.

 

Aber auch abseits der großen Projekte sind die in der MID zusammenarbeitenden Verbände aktiv. Einige unserer Stammtische veranstalten zu Saisonbeginn Fahrsicherheitstrainings und Erste-Hilfe-Kurse. Auch bei unseren gemeinsamen Ausfahrten spielen Geschwindigkeit und Risiko keine Rolle. Das unsere Arbeit nachweislich Früchte trägt, hat sich an einem, selbst für uns überraschendem Beispiel gezeigt: unser Kooperationspartner in Versicherungsfragen hat festgestellt, daß BU-Mitglieder in der Kfz-Versicherung ein deutlich geringeres Schadensaufkommen haben, als andere Motorradfahrer.

 

Wie bereits erwähnt, steht auch das zwölfte Hambacher Bikerfest unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich bereits ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das überhaupt noch ein Thema ? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker galten und bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen werden, sind doch endgültig vorbei.

 

In vielen Bereichen mag das stimmen. Trotzdem sind uns auch in den letzten Monaten reißerische Berichte in den Medien über „Motorradraser“ nicht erspart geblieben. Ich will das Problem der „Heizer“ unter uns Motorradfahrern nicht verniedlichen. Jeder Motorradunfall ist einer zu viel. Für die Verkehrssicherheit trägt jeder Motorradfahrer eine Verantwortung. Im zwanglosen Gespräch mit anderen Motorradfahrern können und müssen wir daher auch weiterhin Einfluß nehmen. Denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer mit dem Drehen am Zündschlüssel offenbar auch sein Gehirn ausschaltet.

 

Der immer aggressiver werdende Sensationsjournalismus treibt aber selbst in früher seriösen Medien immer groteskere Blüten. Ich nenne das einen Mißbrauch der Presse- und Meinungsfreiheit, gegen den wir uns mit allen Mittel wehren. Auch dafür haben wir uns heute hier versammelt. Dagegen werden wir auch in der Zukunft gemeinsam kämpfen.

 

12 Jahre Hambacher Bikerfest ist auch ein Anlaß zur kritischen Bestandsaufnahme. Eine krasse Form der Diskriminierung aller Motorradfahrer stellt seit Jahren das Thema Streckensperrungen dar. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen auch in die Naherholungsgebiete haben und daß uns dabei die Wahl des Verkehrsmittels freisteht. Soweit die Theorie.

 

In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt Verboten“-Schild, das nur für Motorräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

 

In den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K 53 in der Nähe von Euskirchen genannt.

 

In allen genannten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die geforderten Streckensperrungen angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation schnell in sich zusammen. Allen genannten Strecken ist gemeinsam, daß es sich um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es, wenn lokale „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen in die Politik spielen lassen.

 

Ein solches Beispiel ist auch der ursprüngliche Anlaß für das Hambacher Bikerfest. Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müs­sen am Wochenende draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensper­rung nur für Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorrad­unfälle begründet wurde. Die kurvige Land­straße durch das Elmsteiner Tal hatte offenbar manchen „Raser“ dazu verleitet, seinen Schutz­engel auf eine harte Probe zu stellen. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

 

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist auch das ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

 

Das Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ebenfalls ein Grundprinzip unserer Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuff­anlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen von Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Gleiches gilt für die „Raser“ auf den jeweiligen Strecken. Nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Straßen. Das an vielen Stellen genannte Argument, man hätte dafür nicht genügend Einsatzkräfte, ist eine Bankrotterklärung unseres Staates, die wir nicht akzeptieren werden.

 

Im Fall des Elmsteiner Tals ist das Argument der Verkehrssicherheit bereits seit langem ad Absurdum geführt worden. Zwar ist seit der Sperrung im Jahr 1994 die Zahl der schweren Verkehrsunfälle von Motorradfahrern deutlich zurückgegangen. Dafür sind die Zahlen auf den umliegenden Straßen deutlich angestiegen. Das Unfallgeschehen hat sich also nicht verändert, sondern nur verlagert, ein Phänomen, das sich bei allen gesperrten Strecken beobachten läßt. Das ist der Grund, warum die Verkehrsministerien und die Straßenbauverwaltungen der Länder zunehmend kritisch gegenüber Streckensperrungen eingestellt sind.

 

Ich weiß, daß wir es im Fall Elmstein mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer Einfluß zu dieser Streckensperrung geführt haben. Statt mit gro­ßer Inbrunst und seit vielen Jahren dem heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im Elmsteiner Tal trotzdem mal mit der Er­probung intelligenter Lösungen versuchen. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch auf der B 48 im Wellbachtal wurden sogenannte Rüttelstrecken eingerichtet, die zu einer drastischen Verringerung der Geschwindigkeit an den kritischen Stellen und damit auch des Unfallrisikos von Motorradfahrern geführt haben. Rüttelstrecken ließen sich problemlos auch im Elmsteiner Tal einrichten. Begleitet von einer verstärkten Polizeipräsenz wäre das Problem in meinen Augen also in den Griff zu bekommen.

 

Ich fordere die Verantwortlichen hiermit erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten Saison ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung im Elmsteiner Tal zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände sind gerne bereit, dabei zu unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im Elmsteiner Tal muß endlich weg.

 

Zum Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“ seine Gültigkeit nicht verloren hat.

 

Die Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt, sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung. Manches mußte auch in diesem Jahr wieder „mit der heißen Nadel“ gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle noch einmal deutlich herausgestrichen werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

 

Auch für die nächsten Jahre ist das Schloß für uns reserviert. Vielleicht ist ja zum 15. Jubiläum des Hambacher Bikerfestes das Thema Streckensperrung im Elmsteiner Tal ebenfalls Geschichte.

 

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den letzten Jahren been­det hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

Rolf „Hilton“ Frieling

1. Vorsitzender der MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

Vorsitzender der Biker Union e.V.

Feuerbachstraße 38, 60325 Frankfurt am Main

Tel.: 069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76, frieling@t-online.de

 

7. August 2010

 

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