Festrede zum 12. Hambacher
Bikerfest am 7. August 2010 Von Rolf „Hilton“
Frieling
MID – Motorrad
Initiative Deutschland e.V. |
Sehr
geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,
bereits
zum zwölften Mal versammeln wir uns hier in Hambach, um unter dem Motto „für
Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als Bürger und als Motorradfahrer
zu Gehör zu bringen.
Wie
üblich, möchte ich zum Einstieg noch einmal kurz darauf eingehen, wer Euer
Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist. MID bedeutet ausgeschrieben „Motorrad
Initiative Deutschland e.V.“. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium
der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform
geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten
und die politische Arbeit der Verbände aufeinander abzustimmen.
Das
ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Wenn die
politische Arbeit der Fahrerverbände aber kein Selbstzweck, sondern wirksame
Vertretung der Interessen aller Motorradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von
Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir
mit einer Stimme sprechen. In der MID haben alle Verbände die Chance, sich
einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein
Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können
wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln. Denn alle Fahrerverbände sind
Freiwilligenorganisationen mit begrenzten personellen und finanziellen
Möglichkeiten.
Die
MID hat sich in den letzten Jahren zum kompetenten und verläßlichen Ansprechpartner
der Politik, der Behörden und der Öffentlichkeit entwickelt. Sie ist eine
Institution innerhalb der Motorrad-Community, an der man auch mit viel Mühe
nicht mehr vorbei kommt. Mit unseren Positionspapieren zum „Vorbeifahren an Kolonnen“
und zur Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie in deutsches Recht haben wir
bewiesen, daß die Fahrerverbände einen wichtigen, fachlich fundierten Input in
Gesetzgebungsverfahren liefern können. Die MID ist also die Verkörperung des
alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.
Zwölf
Jahre Hambacher Bikerfest sind ein Anlaß, stolz zu sein. Ich kann mich noch gut
daran erinnern, wie mich Hans Kaiser im Jahr 1999 anrief und fragte, ob ich bereit
wäre, auf einer Veranstaltung der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe
der Daimler Chrysler AG, ein paar Worte über die Diskriminierung von Motorradfahrern
zu sagen. Die Daimler Chrysler AG ist mittlerweile Geschichte, an die sich in
unserer schnelllebigen Zeit kaum noch jemand erinnern kann. Das aus diesen ersten
Anfängen weiterentwickelte Hambacher Bikerfest hat sich dagegen zum bundesweit
beachteten Event der Fahrerverbände mit internationaler Ausstrahlung entwickelt,
trotz der nicht immer einfachen Rahmenbedingungen, denen wir als
„Hobby-Politiker“ unterliegen.
Was
unterscheidet das Hambacher Bikerfest von den üblichen Protestveranstaltung,
über die in den Medien berichtet wird ? Wir wollen nicht nur auf Mißstände
aufmerksam machen. Wir wollen auch positive Akzente setzen. Mit den externen
Festvorträgen, die von Beginn an fester Bestandteil unserer Veranstaltung sind,
bieten wir eine Plattform, ermutigende Beispiele vorzustellen, wie die Verkehrssicherheit
auf Deutschland’s Straßen auch für die besonders gefährdete Gruppe der
motorisierten Zwei- und Dreiradfahrer verbessert werden kann. Ich freue mich,
daß wir in diesem Jahr mit Sandra eine kompetente Referentin gefunden haben,
die über eine bundesweite Verkehrssicherheitskampagne berichtet hat, bei der
auf den erhobenen Zeigefinger weitgehend verzichtet wird.
In
den letzten Jahren wurden zudem sieben Städte und Gemeinden, von Eckernförde
bis Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet,
ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die
Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als
besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung
wollen wir zur Nachahmung animieren, wie sich zeigt, mit immer größerem Erfolg.
Ich freue mich, daß wir auch in diesem Jahr eine würdige Preisträgerin gefunden
haben, die wir Euch im Anschluß an meine Festrede vorstellen werden.
Beim
Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren
deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf
Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der motorisierten Zwei- und
Dreiradfahrer. So sank die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Motorradfahrer
zwischen 1995 und 2009 von 912 auf 651. Das ist ein Rückgang um fast 30 %. In
der gleichen Zeit hat sich der Fahrzeugbestand auf zwei und drei Rädern fast
verdoppelt. Die Zahlen sind also durchaus erfreulich, werden aber nur selten
entsprechend wahrgenommen. Natürlich bleibt auch für die Zukunft viel zu tun.
Denn jedes Verkehrsopfer ist eines zu viel.
Mit
der Veröffentlichung des „Merkblatts zur Verbesserung der Verkehrssicherheit
auf Motorradstrecken“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen
im Oktober 2007, an dessen Erstellung wir als MID intensiv mitgearbeitet haben,
sind für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe gesetzt
worden. Die Umsetzung des sogenannten „MVMot“ in den Bundesländern ist in
vollem Gang. Die Ergebnisse sind nachweislich positiv. Anfang diesen Jahres
haben ADAC und Deutscher Verkehrssicherheitsrat einen sogenannten Leitfaden für
die Praxis „Motorrad fahren – auf sicherer Straße“ herausgegeben, an deren
Erstellung wir ebenfalls maßgeblich beteiligt waren. Mit vielen Beispielen
sollen Entscheidungsträger in der Politik und den Behörden sensibilisiert
werden, damit die notwendigen Mittel für die Umsetzung der Maßnahmen aus dem
MVMot bereitgestellt werden.
Wie
wichtig diese Sensibilisierung auch drei Jahre nach Veröffentlichung des MVMot
ist, läßt sich an einem kleinen Beispiel verdeutlichen. Im Frühjahr diesen
Jahres bekam ich einen Anruf von einem Fernsehteam des Südwestrundfunks, das
einen Bericht über den bedenklichen Straßenzustand nach dem harten Winter der
vergangenen Monate drehen wollte. Die Redakteurin hatte von unseren
Bitumenrallys gelesen, mit denen wir für Motorradfahrer gefährliche
Straßenreparaturen und todbringende Hindernisse im Straßenseitenraum dokumentieren.
Die Dreharbeiten fanden im Elmsteiner Tal und auf der B 48 im Raum
Johanniskreuz, also gleich um die Ecke, statt. Das Fernsehteam war sehr
beeindruckt.
Im
ausgestrahlten Beitrag kam auch der Leiter einer Straßenbaubehörde zu Wort, der
Straßenreparaturen mit Bitumen als kostengünstiges und bewährtes Verfahren
verteidigte. Schließlich würde man als PKW-Besitzer bei einem kleinen
Lackschaden am Auto auch nicht das ganze Auto neu spritzen lassen. Da knallte
mir, ehrlich gesagt, die Kinnlade auf die Brust. Denn für einen Motorrad- oder
Rollerfahrer, aber auch für einen Radfahrer kann eine unsachgemäße
Bitumenreparatur bei Hitze oder Nässe das Ende der Fahrt bedeuten. Wenn dann
noch ein ungesicherter Leitplankenpfosten oder ein ungünstig aufgestelltes Verkehrsschild
im Weg steht, endet die Fahrt in einer Katastrophe. Für einen Sturz auf einer
Bitumenfuge reicht selbst bei moderater Geschwindigkeit eine minimale
Schräglage aus. Nicht umsonst spricht man in Biker-Kreisen von „schwarzem Glatteis“.
Im
Jahr 2004 haben wir, wie bereits erwähnt, die Niederlassung Euskirchen des
Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen als „motorradfahrerfreundliche Behörde
in Deutschland“ ausgezeichnet. Dort wurde der Unterfahrschutz für Leitplanken
„Modell Euskirchen“ entwickelt, der für viele Motorradfahrer zum Lebensretter
wurde. Schon vor Jahren haben viele Bundesländer die Verwendung des „Modells
Euskirchens“ an Unfallschwerpunkten für Motorradfahrer verbindlich
vorgeschrieben. Auch das „MVMot“ geht ausführlich auf diesen Unterfahrschutz
ein.
Der
europäische Dachverband der Motorradfahrerverbände, FEMA, in dem wir seit
vielen Jahren aktiv mitarbeiten, ist seit mehreren Jahren assoziiertes Mitglied
des europäischen Normungsgremiums CEN. Auf Drängen der FEMA hat der zuständige
Unterausschuß des CEN beschlossen, Motorradfahrer in die Normierung sogenannter
„Fahrzeugrückhaltesysteme am Straßenrand“ einzubeziehen. Denn in der bisherigen
Leitplankennorm EN 1317 kommen Motorradfahrer gar nicht vor. Die erweiterte
Fassung der EN 1317 wurde mittlerweile durch die verschiedenen CEN-Gremien genehmigt
und liegt den EU-Ländern zur abschließenden Kommentierung vor. Wenn es keine
unvorhergesehen Komplikationen mehr gibt, wird Anfang kommenden Jahres eine
Normierung geltendes Recht, die auch uns motorisierte Zweiradfahrer angemessen
berücksichtigt. Wir wären also erneut ein großes Stück weiter.
Nicht
nur die Verkehrsinfrastruktur hat uns in der letzten Zeit stark beschäftigt. Im
letzten Jahr hatte ich in meinem Vortrag über unsere Gespräche mit dem
damaligen Bundesverkehrsminister, Herrn Tiefensee, berichtet. Mit unserem
gemeinsamen Anliegen, die Nutzung der Rettungsgasse im Stau auf der Autobahn
für Motorradfahrer auch offiziell freizugeben, waren wir am Veto der Länder im
Bund- / Länder-Fachausschuß StVO gescheitert. Das Positionspapier der MID zum
„Vorbeifahren an Kolonnen“, das wir mit einem persönlichen Anschreiben an alle
16 Landesverkehrsminister geschickt hatten, war auf wenig Gegenliebe gestoßen.
In
den Antworten aus den Ministerien wurde weder auf unsere Argumente eingegangen
noch wurden Belege für die realitätsfernen Behauptungen der Ministeriumsmitarbeiter
geliefert, die bereits vor mehr als10 Jahren zur Ablehnung unseres ersten
Vorstoßes zur Anpassung der Rechtslage an die Realitäten geführt hatten. Denn
gemäß Zahlen des Instituts für Zweiradsicherheit benutzen bereits heute ca. 75
% aller Motorradfahrer die Rettungsgasse, ohne daß dies negative Auswirkungen
auf die Verkehrssicherheit hätte.
Seit
Herbst letzten Jahres sind wir auf einer Road-Show durch die Bundesländer, bei
der wir unsere Argumente den Ministern persönlich vortragen, nicht nur zum
Thema Vorbeifahren, sondern auch zu anderen, aktuellen Fragen. Unsere zunächst
überraschende Feststellung: auf der Fachebene scheint man vielerorts ein sehr
einfaches Weltbild zu pflegen. Motorradfahren ist gefährlich. Also muß man den
Freiraum der Motorradfahrer möglichst weit einschränken, um die
Verkehrssicherheit zu erhöhen. Fundierte Argumente und belastbare Zahlen
spielen da nur eine untergeordnete Rolle.
Im
persönlichen Gespräch mit den Ministern sieht die Welt dann anders aus. Nach
intensiver Diskussion haben wir bisher fast durchweg Zustimmung zu unseren Vorschlägen
bekommen. Selbst „Hardliner“ sind nachdenklich geworden und haben eine erneute
Prüfung der Sachlage zugesagt. Das „Undenkbare“ scheint also doch bedenkenswert
zu sein.
Machen
wir es an einem Beispiel deutlich. Die Bundesregierung hat Anfang der Woche das
„Begleitete Fahren mit 17 beim PKW-Führerschein“ als Standardregelung auf den
Weg gebracht. Begleitetes Fahren mit 17 auch für Motorradführerscheinaspiranten
? Unmöglich ! Diese Verantwortung will derzeit keiner übernehmen. Wie sieht es
aber mit den Fakten aus ?
Die
meisten Fahrlehrer begleiten ihre Schützlinge bei ihren Fahrstunden auf dem motorisierten
Zweirad mit dem Auto. Eine Eingriffsmöglichkeit in gefährlichen Situationen,
beim PKW in Form eines zweiten Gas- und Bremspedals oder durch Griff ins
Lenkrad, gibt es nicht. „Nabelschnur“ zwischen Fahrlehrer und Fahrschüler ist
eine Funkverbindung zweifelhafter Qualität. Trotzdem schaffen es die meisten
Fahrschüler lebend bis zur Fahrprüfung. Viele ältere Fahrlehrer haben ihre
Ausbildungslizenz für motorisierte Zweiräder vor vielen Jahren gemacht, sind
aber seit langem nicht mehr mit einem motorisierten Zweirad gefahren. Wie
effizient eine solche Ausbildung in Bezug auf die Verkehrssicherheit der
zukünftigen Zweiradenthusiasten im Regelfall ist, überlasse ich Eurer Phantasie.
Das
Prinzip des begleiteten Fahrens basiert darauf, daß junge Führerscheininhaber
in Begleitung und unter Anleitung eines geübten PKW-Fahrers Erfahrung im realen
Straßenverkehr sammeln können, bevor er oder sie alleine auf die Menschheit losgelassen
wird. Hierbei gibt es keine Eingriffsmöglichkeiten in Form eines zweiten Pedalensatzes.
Auch der Griff ins Lenkrad ist strikt untersagt. Der Erfolg dieses Modells ist
trotzdem wissenschaftlich überzeugend nachgewiesen.
Das
Gleiche könnte man auch beim Zweiradführerschein machen, sicher nicht mit einem
geübten Fahrer auf dem Sozius. Wenn aber ein erfahrener Zweiradfahrer seinem
Schützling folgt und in den Pausen nützliche Tips zur Fahrtechnik und zum
Fahrverhalten gibt oder bei Bedarf auch mal die „Ideallinie“ vorgibt, kann der
junge Fahrer bzw. die junge Fahrerin Ausbildungsdefizite schnell und weitgehend
gefahrlos ausgleichen und solide Fahrpraxis erwerben. Denn jeder Begleiter
eines Fahranfängers wird es sich gut überlegen, welches Risiko er auf sich
nimmt. Gewollter Nebeneffekt: der junge Fahrer lernt die Vorzüge des
gemütlichen Tourens kennen bevor er seinen möglicherweise knieschleifenden
Altersgenossen in die Hände fällt. Aus meiner Sicht ein doppelt positiver
Effekt auf die Verkehrssicherheit jugendlicher Fahranfänger.
Undenkbar
? Die erste Reaktion der Minister, mit denen wir darüber gesprochen haben, war
eher negativ. Aber wir konnten schon aus Zeitgründen nicht in die Details eines
möglichen Modells für motorisierte Zweiradfahrer gehen. Sicher muß man noch
mehr Erfahrungen mit dem Modell beim PKW-Führerschein abwarten, bevor man das
Thema ernsthaft aufgreift. Derzeit ist das also Zukunftsmusik. Aber auch
darüber lohnt es sich, weiter nachzudenken und rechtzeitig den Weg zu bereiten.
Wir
Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für
die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“
wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen
ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern,
im Regelfall unaufmerksamen PKW- und LKW-Fahrern, aus dem Leben gerissen. Ein
besonders tragischer Fall ist vor kurzem bei uns im Frankfurter Raum passiert.
Ein Motorradfahrer hatte auf dem Standstreifen einer Autobahn angehalten, um
einen dort mit einer Panne liegen gebliebenen Motorradfahrer zu helfen. Ein
Lastwagenfahrer rammte kurz darauf die beiden Fahrer und ihre Maschinen. Der
Helfer starb im Krankenhaus, der zweite Motorradfahrer wurde schwer verletzt.
Mit
der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer
Institutionen leisten wir seit Jahren einen Beitrag, auch die eigene Klientel
zu vorausschauender und defensiver Fahrweise anzuhalten. Über unseren Beitrag
zur Kampagne „Runter vom Gas“ hat Sandra ja bereits berichtet. Gerade die Zusammenarbeit
mit dem DVR hat gezeigt, daß es sehr viele gute Ansätze gibt, mit unserer
Unterstützung die „Zielgruppe Motorradfahrer“ richtig anzusprechen.
Aber
auch abseits der großen Projekte sind die in der MID zusammenarbeitenden
Verbände aktiv. Einige unserer Stammtische veranstalten zu Saisonbeginn Fahrsicherheitstrainings
und Erste-Hilfe-Kurse. Auch bei unseren gemeinsamen Ausfahrten spielen
Geschwindigkeit und Risiko keine Rolle. Das unsere Arbeit nachweislich Früchte
trägt, hat sich an einem, selbst für uns überraschendem Beispiel gezeigt: unser
Kooperationspartner in Versicherungsfragen hat festgestellt, daß BU-Mitglieder
in der Kfz-Versicherung ein deutlich geringeres Schadensaufkommen haben, als andere
Motorradfahrer.
Wie
bereits erwähnt, steht auch das zwölfte Hambacher Bikerfest unter dem Motto
„für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem
ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich
bereits ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das
überhaupt noch ein Thema ? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker
galten und bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen werden, sind doch endgültig
vorbei.
In
vielen Bereichen mag das stimmen. Trotzdem sind uns auch in den letzten Monaten
reißerische Berichte in den Medien über „Motorradraser“ nicht erspart
geblieben. Ich will das Problem der „Heizer“ unter uns Motorradfahrern nicht
verniedlichen. Jeder Motorradunfall ist einer zu viel. Für die
Verkehrssicherheit trägt jeder Motorradfahrer eine Verantwortung. Im zwanglosen
Gespräch mit anderen Motorradfahrern können und müssen wir daher auch weiterhin
Einfluß nehmen. Denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer
mit dem Drehen am Zündschlüssel offenbar auch sein Gehirn ausschaltet.
Der
immer aggressiver werdende Sensationsjournalismus treibt aber selbst in früher
seriösen Medien immer groteskere Blüten. Ich nenne das einen Mißbrauch der Presse-
und Meinungsfreiheit, gegen den wir uns mit allen Mittel wehren. Auch dafür haben
wir uns heute hier versammelt. Dagegen werden wir auch in der Zukunft gemeinsam
kämpfen.
12
Jahre Hambacher Bikerfest ist auch ein Anlaß zur kritischen Bestandsaufnahme.
Eine krasse Form der Diskriminierung aller Motorradfahrer stellt seit Jahren
das Thema Streckensperrungen dar. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf
freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht
auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen auch in die Naherholungsgebiete
haben und daß uns dabei die Wahl des Verkehrsmittels freisteht. Soweit die
Theorie.
In
der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich
der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der
Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt
Verboten“-Schild, das nur für Motorräder gilt. Streckensperrungen nur für
Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel
als die Ausnahme.
In
den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen
gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu
verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von
Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K
53 in der Nähe von Euskirchen genannt.
In
allen genannten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die geforderten
Streckensperrungen angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation
schnell in sich zusammen. Allen genannten Strecken ist gemeinsam, daß es sich
um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen
handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich
zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es,
wenn lokale „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen in die
Politik spielen lassen.
Ein
solches Beispiel ist auch der ursprüngliche Anlaß für das Hambacher Bikerfest.
Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal.
Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müssen am
Wochenende draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensperrung
nur für Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorradunfälle begründet
wurde. Die kurvige Landstraße durch das Elmsteiner Tal hatte offenbar manchen
„Raser“ dazu verleitet, seinen Schutzengel auf eine harte Probe zu stellen.
Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung
ihrer sonntäglichen Ruhe.
Selbstverständlich
hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn
Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende
kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis
Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur
Hölle macht, ist auch das ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.
Das
Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ebenfalls ein Grundprinzip unserer
Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den
Eingriff in Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird der
Lärm von illegalen Auspuffanlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen von
Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Gleiches gilt für die „Raser“ auf
den jeweiligen Strecken. Nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen
herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig
genutzten Straßen. Das an vielen Stellen genannte Argument, man hätte dafür
nicht genügend Einsatzkräfte, ist eine Bankrotterklärung unseres Staates, die
wir nicht akzeptieren werden.
Im
Fall des Elmsteiner Tals ist das Argument der Verkehrssicherheit bereits seit
langem ad Absurdum geführt worden. Zwar ist seit der Sperrung im Jahr 1994 die
Zahl der schweren Verkehrsunfälle von Motorradfahrern deutlich zurückgegangen.
Dafür sind die Zahlen auf den umliegenden Straßen deutlich angestiegen. Das
Unfallgeschehen hat sich also nicht verändert, sondern nur verlagert, ein
Phänomen, das sich bei allen gesperrten Strecken beobachten läßt. Das ist der
Grund, warum die Verkehrsministerien und die Straßenbauverwaltungen der Länder
zunehmend kritisch gegenüber Streckensperrungen eingestellt sind.
Ich
weiß, daß wir es im Fall Elmstein mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn
die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer
Einfluß zu dieser Streckensperrung geführt haben. Statt mit großer Inbrunst
und seit vielen Jahren dem heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im
Elmsteiner Tal trotzdem mal mit der Erprobung intelligenter Lösungen
versuchen. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch auf der B 48 im Wellbachtal
wurden sogenannte Rüttelstrecken eingerichtet, die zu einer drastischen Verringerung
der Geschwindigkeit an den kritischen Stellen und damit auch des Unfallrisikos
von Motorradfahrern geführt haben. Rüttelstrecken ließen sich problemlos auch
im Elmsteiner Tal einrichten. Begleitet von einer verstärkten Polizeipräsenz
wäre das Problem in meinen Augen also in den Griff zu bekommen.
Ich
fordere die Verantwortlichen hiermit erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten
Saison ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung im
Elmsteiner Tal zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände sind gerne
bereit, dabei zu unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere
Forderung unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im
Elmsteiner Tal muß endlich weg.
Zum
Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte
zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger
Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die
Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer
wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“
seine Gültigkeit nicht verloren hat.
Die
Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt,
sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung.
Manches mußte auch in diesem Jahr wieder „mit der heißen Nadel“ gestrickt
werden. Denn die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen
Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die Verantwortlichen
vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit abends
und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle noch einmal deutlich herausgestrichen
werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.
Auch
für die nächsten Jahre ist das Schloß für uns reserviert. Vielleicht ist ja zum
15. Jubiläum des Hambacher Bikerfestes das Thema Streckensperrung im Elmsteiner
Tal ebenfalls Geschichte.
Schließen
möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den
letzten Jahren beendet hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu
bewegen. Packen wir es an !
Vielen
Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.
Rolf
„Hilton“ Frieling
1.
Vorsitzender der MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.
Vorsitzender
der Biker Union e.V.
Feuerbachstraße
38, 60325 Frankfurt am Main
Tel.:
069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76, frieling@t-online.de
7. August 2010
die Rede als PDF