Festrede zum 11. Hambacher Bikerfest am 8. August 2009

 

Von Rolf „Hilton“ Frieling

 

MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

 

bereits zum elften Mal versammeln wir uns hier in Hambach, um unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“ unsere Stimme als Bürger und als Motorradfahrer zu Gehör zu bringen.

 

Zum Einstieg möchte ich für diejenigen von Euch, die mit der Verbandslandschaft im Motorradumfeld bisher wenig zu tun hatten, noch einmal kurz darauf eingehen, wer Euer Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist. MID bedeutet ausgeschrieben „Motorrad Initiative Deutschland e.V.“. Die MID wurde 1997 gegründet und ist das Koordinierungsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände. Mit der MID haben wir eine Plattform geschaffen, gemeinsame Positionen zu motorradpolitischen Themen zu erarbeiten und die politische Arbeit der Verbände aufeinander abzustimmen.

 

Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Fällen. Wenn die politische Arbeit der Fahrerverbände aber kein Selbstzweck, sondern wirksame Vertretung der Interessen aller Motorradfahrer sein soll, ist eine Vielzahl von Einzelmeinungen wenig hilfreich. Ernst genommen werden wir nur dann, wenn wir mit einer Stimme sprechen. In der MID haben alle Verbände die Chance, sich einzubringen, egal ob groß oder klein. Der gemeinsame Auftritt verleiht uns ein Gewicht, das ein einzelner Verband nie erreichen könnte. Über die MID können wir zudem unsere knappen Ressourcen bündeln. Denn alle Fahrerverbände sind Freiwilligenorganisationen mit begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten.

 

Die MID hat sich in den letzten Jahren zum kompetenten und verläßlichen Ansprechpartner der Politik, der Behörden und der Öffentlichkeit entwickelt. Sie ist eine Institution innerhalb der Motorrad-Community, an der man auch mit viel Mühe nicht mehr vorbei kommt. Die MID ist also die Verkörperung des alten Sponti-Spruchs: „gemeinsam sind wir unausstehlich“.

 

Zehn Jahre Hambacher Bikerfest sind ein Anlaß, stolz zu sein. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mich Hans Kaiser im Jahr 1999 anrief und fragte, ob ich bereit wäre, auf einer Veranstaltung der Sportgemeinschaft Stern, der Betriebssportgruppe der Daimler Chrysler AG, ein paar Worte über die Diskriminierung von Motorradfahrern in der Öffentlichkeit zu sagen. Damals war ein Fernsehbericht eines Privatsenders über „rasende Motorradfahrer“ auf bundesdeutschen Autobahnen mit den üblichen Verallgemeinerungen gezeigt worden. Die Daimler Chrysler AG ist mittlerweile Geschichte. Das aus diesen ersten Anfängen weiterentwickelte Hambacher Bikerfest hat sich dagegen zum bundesweit beachteten Event der Fahrerverbände entwickelt, trotz der nicht immer einfachen Rahmenbe­dingungen, denen wir als „Hobby-Politiker“ unterliegen.

 

In den letzten Jahren wurden anläßlich des Hambacher Bikerfestes sechs Städte und Gemeinden, von Eckernförde bis Garmisch, von der MID als „Motorradfreundliche Stadt in Deutschland“ ausgezeichnet, ein in Europa bis heute einmaliger Titel. 2004 wurde erstmals eine Behörde, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen, als besonders motorradfahrerfreundlich ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung haben wir positive Signale gesetzt, die zur Nachahmung animieren sollen, wie sich zeigt, mit immer größerem Erfolg. Ich freue mich, daß wir auch in diesem Jahr wieder eine würdige Preisträgerin gefunden haben, die wir Euch im Anschluß an meine Festrede vorstellen werden.

 

Beim Thema „Verkehrssicherheit für Motorradfahrer“ hat es in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gegeben. Seit Jahren sind die Unfallzahlen auf Deutschlands Straßen rückläufig, auch in der Gruppe der Motorradfahrer. Bezogen auf den weiter steigenden Fahrzeugbestand sind die Zahlen durchaus erfreulich. Allerdings bleibt noch viel zu tun.

 

Mit der Veröffentlichung des „Merkblatts zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen im Oktober 2007, an dessen Erstellung wir als MID maßgeblich mitgearbeitet haben, sind für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung neue Maßstäbe gesetzt worden. Die Umsetzung des sogenannten „MVMot“ in den einzelnen Bundesländern ist in vollem Gange. Die Ergebnisse sind nachweislich positiv.

 

Wir als Verbände stellen uns unserer Verantwortung in Fragen der Verkehrssicherheit und bieten unsere aktive Mitarbeit bei der Umsetzung des MVMot an. Unsere Erfahrung in motorradspezifischen Fragen wird zwischenzeitlich dankbar genutzt. Motorräder als Einspurfahrzeuge reagieren nun einmal wesentlich sensibler auf den Straßenzustand als mehrspurige Fahrzeuge. Ein schmaler Bitumenstreifen auf der Fahrbahn stellt für PKWs und LKWs im Regelfall kein Problem dar. Für den Motorrad- oder den Rollerfahrer kann ein solcher Streifen aber das Ende der Fahrt bedeuten. Denn unsachgemäße Bitumenreparaturen führen bei Hitze oder Nässe schnell zum Sturz. Wenn dann noch ein ungesicherter Leitplankenpfosten oder ein ungünstig aufgestelltes Verkehrsschild im Weg steht, endet die Fahrt in einer Katastrophe.

 

Es ist sicher richtig, daß der geübte Fahrer auf einer übersichtlichen Strecke und bei Tag Bitumenpfusch im Regelfall von Weitem erkennen und rechtzeitig ausweichen kann. Bei Dunkelheit und Regen auf unbekannten Straßen sieht das aber ganz anders aus. Da ist auch der „Profi“ voll und ganz damit beschäftigt, durch das verschmierte und vielleicht sogar beschlagene Visier die Streckenführung zu erkennen. Für einen Sturz auf einer Bitumenfuge reicht selbst bei moderater Geschwindigkeit eine minimale Schräglage aus. Nicht umsonst spricht man in Biker-Kreisen von „schwarzem Glatteis“.

 

Im Jahr 2004 haben wir, wie bereits erwähnt, die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen als „motorradfahrerfreundliche Behörde in Deutschland“ ausgezeichnet. Dort wurde der Unterfahrschutz für Leitplanken „Modell Euskirchen“ entwickelt, der für viele Motorradfahrer zum Lebensretter wurde. Seit Juli 2004 gibt es einen Erlaß des Bundesverkehrsministers, der den Einsatz dieses Unterfahrschutzes unter bestimmten Rahmenbedingungen billigt. In der Folge haben mehrere Bundesländer die Verwendung des „Modells Euskirchens“ an Unfallschwerpunkten für Motorradfahrer verbindlich vorgeschrieben. Auch das „MVMot“ geht ausführlich auf diesen Unterfahrschutz ein.

 

Der europäische Dachverband der Motorradfahrerverbände, FEMA, in dem wir seit vielen Jahren aktiv mitarbeiten, ist seit ca. zwei Jahren assoziiertes Mitglied des europäischen Normungsgremiums CEN. Was wir uns von dieser kostenintensiven Mitarbeit erhofft hatten, ist schneller als erwartet Realität geworden: der zuständige Unterausschuß des CEN hat beschlossen, Motorradfahrer in die Normierung sogenannter „Fahrzeugrückhaltesysteme am Straßenrand“ einzubeziehen. Denn in der bisherigen Leitplankennorm EN 1317 kommen Motorradfahrer gar nicht vor.

 

Leider liegt gerade in Normungsprozessen der Teufel im Detail. Unsere Zeitvorstellung für die Verabschiedung einer Erweiterung der EN 1317 ist wohl doch etwas zu optimistisch gewesen. Das Verfahren wird sich noch etwas hinziehen. Wichtig ist aber, daß unsere Vorschläge Eingang in die Entwürfe gefunden haben. Wenn jetzt noch die derzeit in Arbeit befindliche Infrastrukturdirektive der EU, in der Minimalanforderungen an die Straßeninfrastruktur europaweit festgelegt werden, uns Motorradfahrer angemessen berücksichtigt, sind wir wirklich ein großes Stück weiter.

 

Trotz dieser bemerkenswerten Erfolge dürfen wir die Realitäten nicht aus den Augen verlieren. Denn es ist nicht zu erwarten, daß sich mit einem Schlag alles zum Besseren wandelt. Das strukturelle Problem unzureichender Finanzmittel im Bund, den Ländern und den Gemeinden ist noch nicht gelöst, ungeachtet der gerade wirksam werdenden Konjunkturprogramme. Aber das Problembewußtsein der Verantwortlichen ist deutlich gestiegen, was ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, der beim 1. Hambacher Bikerfest vor 10 Jahren so noch nicht absehbar war.

 

Wir Fahrerverbände stellen uns aber auch in anderer Form unserer Verantwortung für die Verkehrssicherheit. In der öffentlichen Diskussion über vermeintliche „Motorradraser“ wird häufig verschwiegen, daß mehr als die Hälfte der getöteten Motorradfahrer/innen ohne eigene Schuld ums Leben kommen. Sie werden von anderen Verkehrsteilnehmern, im Regelfall unaufmerksamen PKW-Fahrern, aus dem Leben gerissen. Ein besonders tragischer Fall ist vor kurzem in Norddeutschland passiert, wo ein älterer Herr im PKW eine 180-Grad-Wende auf der Straße machte, um einen Altglascontainer zu benutzen. Der entgegen kommende Motorradfahrer hatte trotz Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung keine Chance.

 

Trotzdem leisten wir mit der aktiven Unterstützung von Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und anderer Institutionen seit Jahren einen Beitrag, auch die eigene Klientel zu vorausschauender und defensiver Fahrweise anzuhalten. Seit Ende letzten Jahres beteiligen wir uns an der Kampagne „Runter vom Gas“ des Deutschen Verkehrssicherheitsrates und des Bundesverkehrsministers, mit der zum Fahren mit angemessener Geschwindigkeit animiert werden soll. Als Experten in Sachen Motorrad haben wir die Drehbücher zu mehreren Videospots auf inhaltliche Stimmigkeit überprüft und Fragen von Anrufern bei einer „Telefon-Leser-Aktion“ beantwortet. Zudem haben wir inhaltliche Beiträge auf Fach- und Publikumsveranstaltungen, aber auch für das Internet-Portal der Kampagne geliefert.

 

Gerade die Zusammenarbeit mit dem DVR hat gezeigt, daß es sehr viele gute Ansätze gibt, die Zielgruppe Motorradfahrer richtig anzusprechen. Manchmal scheitert es aber an den „Bits and Pieces“, die dem nicht Motorrad fahrendem Laien nicht auffallen. Hier konnten wir in den letzten Monaten einen von allen Seiten anerkannten Beitrag leisten.

 

Auch abseits der großen Projekte sind die in der MID zusammenarbeitenden Verbände aktiv. Einige unserer Stammtische veranstalten zu Saisonbeginn Fahrsicherheitstrainings und Erste-Hilfe-Kurse. Auch bei unseren gemeinsamen Ausfahrten spielen Geschwindigkeit und Risiko keine Rolle. Das unsere Arbeit nachweislich Früchte trägt, hat sich an einem, selbst für uns überraschendem Beispiel gezeigt: unser Kooperationspartner in Versicherungsfragen hat festgestellt, daß BU-Mitglieder in der Kfz-Versicherung ein deutlich geringeres Schadensaufkommen haben, als andere Motorradfahrer.

 

Wie bereits erwähnt, steht auch das elfte Hambacher Bikerfest unter dem Motto „für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung“, zwei Begriffe, die auf dem ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Über Verkehrssicherheit habe ich bereits ausführlich gesprochen. Diskriminierung von Motorradfahrern: ist das überhaupt noch ein Thema ? Die Zeiten, daß Motorradfahrer als arme Schlucker galten und bei der Zimmersuche im Hotel abgewiesen werden, sind doch wohl endgültig vorbei.

 

In vielen Bereichen mag das stimmen. Trotzdem sind uns auch in den letzten Monaten reißerische Berichte in den Medien über „Motorradraser“ nicht erspart geblieben. Ich will das Problem der „Heizer“ unter uns Motorradfahrern nicht verniedlichen. Jeder Motorradunfall ist einer zu viel. Für die Verkehrssicherheit trägt jeder Motorradfahrer eine Verantwortung. Im zwanglosen Gespräch mit anderen Motorradfahrern können und müssen wir daher auch weiterhin aktiv bleiben. Denn wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie mancher Motorradfahrer mit dem Drehen am Zündschlüssel offenbar auch sein Gehirn ausschaltet.

 

Der immer aggressiver werdende Sensationsjournalismus treibt aber selbst in früher seriösen Medien immer groteskere Blüten. Ich nenne das einen Mißbrauch der Presse- und Meinungsfreiheit, gegen den wir uns mit allen Mittel wehren müssen. Auch dafür haben wir uns heute hier versammelt. Dagegen werden wir auch in der Zukunft kämpfen.

 

Bei einem anderen Thema ist der Begriff der Diskriminierung vielleicht nicht ganz zutreffend. Anläßlich unseres Besuchs beim Bundesverkehrsminister, Herrn Tiefensee, im Oktober letzten Jahres haben wir die von den Fahrerverbänden gesammelten, ca. 45.000 Unterschriften für die Nutzung der Rettungsgasse im Stau auf der Autobahn übergeben. Wie von Herrn Tiefensee zugesagt, hat das Ministerium einen Vorschlag für die Änderung der Straßenverkehrsordnung erarbeitet, der im Bund- / Länder-Fachaus­schuß StVO im Mai von den Ländern prompt und unisono abgelehnt wurde.

 

In den letzten Wochen haben wir daraufhin die Verkehrsminister der Länder persönlich angeschrieben, unsere Argumente vorgetragen und um ein Gespräch gebeten. Bis auf eine Ausnahme sind alle bisherigen Anworten negativ gewesen. Dabei wurde weder auf unsere Argumente eingegangen noch wurden Belege für die realitätsfernen Behauptungen der Ministeriumsmitarbeiter geliefert, die bereits vor ca. 10 Jahren zur Ablehnung unseres ersten Vorstoßes zur Anpassung der Rechtslage an die Realitäten geführt hatten. Denn gemäß Zahlen des Instituts für Zweiradsicherheit benutzen bereits heute ca. 75 % aller Motorradfahrer die Rettungsgasse, ohne daß dies negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätte.

 

Diskriminierung ist das sicher nicht. Ich nenne das aber eine unglaubliche Ignoranz gegenüber 4 Millionen Wählerinnen und Wählern, die ein motorisiertes Zweirad fahren, und das ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahlen. Den zuständigen Ministern müssen wir wohl noch ein paar Nachhilfestunden in Sachen ordnungsgemäße Verwaltung geben. Denn als Steuerzahler bezahlen wir schließlich deren Gehalt. Wie Ihr seht: nicht in allen Punkten ist die Welt also besser geworden.

 

10 Jahre Hambacher Bikerfest ist auch ein Anlaß zur kritischen Bestandsaufnahme. Eine krasse Form der Diskriminierung aller Motorradfahrer stellt seit Jahren das Thema Streckensperrungen dar. Unsere Verfassung garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen in die Naherholungsgebiete haben und daß uns dabei die Wahl des Verkehrsmittels freisteht. Soweit die Theorie.

 

In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus. Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem „Einfahrt Verboten“-Schild, das nur für Motorräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

 

In den letzten Jahren ist es uns in Zusammenarbeit mit den zuständigen Straßenbauverwaltungen gelungen, an vielen Stellen der Bundesrepublik geplante Streckensperrungen zu verhindern. Als Beispiel seien hier die L 755 bei Altenbeken in der Nähe von Paderborn, das Gelbachtal im Westerwald sowie der Knotenpunkt L 165 / K 49 / K 53 in der Nähe von Euskirchen genannt.

 

In allen genannten Fällen wurden die Unfallzahlen als Grund für die geforderten Streckensperrungen angeführt. Schaut man jedoch genauer hin, bricht diese Argumentation schnell in sich zusammen. Allen genannten Strecken ist gemeinsam, daß es sich um sogenannte „Motorradstrecken“, also Straßen mit erhöhtem Motorradaufkommen handelt. Die Anwohner fühlen sich von den Motorrädern belästigt und haben sich zum Teil in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Besonders kritisch wird es, wenn lokale „Promis“ an der Strecke wohnen, die ihre guten Beziehungen in die Politik spielen lassen.

 

Ein solches Beispiel ist auch der ursprüngliche Anlaß für das Hambacher Bikerfest. Keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müs­sen am Wochenende draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensper­rung nur für Motorräder, die mit einer Häufung schwerer Motorrad­unfälle begründet wurde. Die kurvige Land­straße durch das Elmsteiner Tal hatte offenbar manchen „Raser“ dazu verleitet, seinen Schutz­engel auf eine harte Probe zu stellen. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

 

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch zur Ruhe kommen, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist auch das ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

 

Das Problem ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel, ebenfalls ein Grundprinzip unserer Verfassung. Im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in Grundrechte der Motorradfahrer etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuff­anlagen erzeugt. Die kann die Polizei im Rahmen von Kontrollen problemlos aus dem Verkehr ziehen. Nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Strecken.

 

Im Fall des Elmsteiner Tals ist das Argument der Verkehrssicherheit bereits seit langem ad Absurdum geführt worden. Zwar ist seit der Sperrung die Zahl der schweren Verkehrsunfälle von Motorradfahrern deutlich zurückgegangen. Dafür sind die Zahlen auf den umliegenden Straßen deutlich angestiegen. Das Unfallgeschehen hat sich also nicht verändert, sondern nur verlagert. Das ist der Grund, warum die Verkehrsministerien und die Straßenbauverwaltungen der Länder zunehmend kritisch gegenüber Streckensperrungen eingestellt sind.

 

Besondere Brisanz bekommt die Streckensperrung im Elmsteiner Tal durch zwei aktuelle Entwicklungen. Im Rahmen der Verkehrssicherheitswoche in Rheinland Pfalz wurden in 2007 Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf der Ausweichstrecke zum Elmsteiner Tal, der B 48 im Wellbachtal dem Verkehr übergeben. Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister, Herr Hering, hatte sich vor laufender Kamera klar gegen Streckensperrungen zur Senkung der Unfallzahlen ausgesprochen, eine schallende Ohrfeige für die Verantwortlichen im Elmsteiner Tal.

 

Einen besonderen Reiz hat aber die Tatsache, daß man für die Befahrung des Elmsteiner Tals an den gesperrten Tagen zwischenzeitlich problemlos eine Sondergenehmigung bekommen kann, selbstverständlich kostenpflichtig. Mit anderen Worten: der „Motorradclub Offenes Rohr“ und die „Motorradfreunde Rastenkratzer“ können gegen Zahlung einer Verwaltungsgebühr auch an den gesperrten Wochenenden ihrem Hobby frönen. Ob diese Form der Mauterhebung der gerichtlichen Prüfung stand hält, wage ich zu bezweifeln.

 

Ich weiß, daß wir es im Fall Elmstein mit einem schwierigen Fall zu tun haben. Denn die Fronten sind verhärtet und es gibt deutliche Signale, daß politischer Einfluß zu dieser Streckensperrung geführt haben. Statt mit gro­ßer Inbrunst und seit vielen Jahren dem heiligen St. Florian zu huldigen, sollte man es im Elmsteiner Tal trotzdem mal mit der Er­probung intelligenter Lösungen versuchen. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch auf der B 48 im Wellbachtal wurden sogenannte Rüttelstrecken eingerichtet, die zu einer drastischen Verringerung der Geschwindigkeit an den kritischen Stellen und damit auch des Unfallrisikos von Motorradfahrern geführt haben. Rüttelstrecken ließen sich problemlos auch im Elmsteiner Tal einrichten. Begleitet von einer verstärkten Polizeipräsenz wäre das Problem in meinen Augen also in den Griff zu bekommen.

 

Ich fordere die Verantwortlichen hiermit erneut auf, rechtzeitig vor der nächsten Saison ein umfassendes Konzept zur Vermeidung der Streckensperrung im Elmsteiner Tal zu entwickeln und umzusetzen. Die Fahrerverbände sind gerne bereit, dabei zu unterstützen. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal unsere Forderung unterstrichen werden: die Streckensperrung für Motorradfahrer im Elmsteiner Tal muß endlich weg.

 

Zum Schluß meines Vortrags komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. im Kampf für die Interessen aller Motorradfahrer. Denn durch diese Veranstaltung wird immer wieder deutlich, daß der alte Spruch „getrennt marschieren - vereint schlagen“ seine Gültigkeit nicht verloren hat.

 

Die Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt, sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung. Manches mußte auch in diesem Jahr wieder „mit der heißen Nadel“ gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nun einmal nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle auch noch einmal deutlich herausgestrichen werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

 

Auch für die nächsten Jahre ist das Schloß für uns reserviert. Vielleicht ist ja zum 15. Jubiläum des Hambacher Bikerfestes das Thema Streckensperrung im Elmsteiner Tal ebenfalls Geschichte.

 

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Reden in den letzten Jahren been­det hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

 

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

Rolf „Hilton“ Frieling

1. Vorsitzender der MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

Vorsitzender der Biker Union e.V.

Feuerbachstraße 38, 60325 Frankfurt am Main

Tel.: 069 / 7 24 06 80, Mobil: 0171 / 6 80 23 76, frieling@t-online.de

 

8. August 2009