Festrede zum 7. Hambacher Bikerfest am 6. August 2005

Von Rolf "Hilton" Frieling

MID – Motorrad Initiative Deutschland e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

zum siebten Mal treffen wir uns an diesem illustren Ort, um unter dem Leitmotiv "für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung" unsere Stimme gegen die Diskriminierung von uns Bikern und Motorradfahrern zu erheben. Die siebte Veranstaltungen am gleichen Ort und unter dem gleichen Motto: da kann man schon von Tradition sprechen. Deshalb bin ich froh, daß wir es trotz der nicht immer einfachen Rahmenbedingungen geschafft haben, diesen für die MID so wichtigen Event auf geschichtsträchtigem Boden und in feierlichem Ambiente auch in diesem Jahr wieder auf die Beine zu stellen.

Vielen von Euch wird das Kürzel "MID" nicht viel sagen. Deswegen möchte ich vorab kurz erläutern, wer Euer Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist. MID bedeutet ausgeschrieben "Motorrad Initiative Deutschland e.V.". Die MID wurde 1997 gegründet und ist seit 1998 aus rechtlichen Gründen ein eingetragener Verein. In der Praxis dient sie als Koordinierungsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände und ist damit der "runde Tisch" der Fahrerverbände.

In der MID versuchen die beteiligten Verbände, gemeinsame Positionen zu den jeweils aktuellen, motorradpolitischen Themen zu finden. Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Punkten. Die Motorradfahrerszene in Deutschland ist nun einmal ein bunter Haufen von Leuten, die sich den unterschiedlichsten "Motorradfahrerfraktionen" zugehörig fühlen. Die derzeitige Verbandslandschaft ist in weiten Teilen ein Spiegelbild dieser Vielfalt. Ich persönlich bin damit durchaus zufrieden, solange die vertrauensvolle Zusammenarbeit unter dem Dach der MID sichergestellt ist.

Der Organisationsgrad unter den Motorradfahrern in Deutschland ist auch heute noch denkbar gering. Bei ca. 3,8 Mio. zugelassenen Motorrädern sind gerade einmal ca. 8.000 Fahrerinnen und Fahrer in einer politischen Interessenvertretung organisiert. Ein leichtes Spiel für die Politik, die im Regelfall bei ihren Entscheidungen nur auf das betroffene Wählerpotential schielt.

Über die MID können wir unsere knappen Ressourcen bündeln und Dinge erreichen, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen auch große Verbände nicht alleine stemmen können. Eigentlich eine Binsenweißheit, an die man aber auch innerhalb der Verbände manchmal erinnern muß.

Wir sind sehr stolz darauf, daß wir in der MID in den letzten Jahren in vielen Fragen gemeinsame Standpunkte gefunden haben und diese erfolgreich gegenüber der Politik, den Behörden und der Öffentlichkeit vertreten konnten. Denn damit läuft die gerade in Deutschland beliebte Methode "teile und herrsche" immer häufiger ins Leere. Die MID ist mittlerweile eine Institution innerhalb der Motorrad-Community geworden, an der man auch mit viel Mühe nicht mehr vorbei kommt.

Eines der Schwerpunktthemen innerhalb der MID ist zwangsläufig das Thema "Verkehrssicherheit für Motorradfahrer". Und damit sind wir beim eigentlichen Gegenstand meines Vortrags.

Für die meisten von uns ist das Motorrad das schönste Fortbewegungsmittel der Welt. Der unmittelbare Kontakt zur Maschine und zur umgebenden Natur übt einen Reiz aus, dem sich kaum jemand entziehen kann. Man knirscht zwar auch mal mit den Zähnen, wenn es im strömenden Regen oder im sommerlichen Verkehrsstau mit dicken Abgasschwaden nicht richtig voran geht. Spätestens bei trockener Straße und auf freier Strecke ist der Kopf dann aber frei von den Widrigkeiten des täglichen Lebens.

Leider ist Motorradfahren aber auch mit spezifischen Gefahren verbunden, die nicht zu vernachlässigen sind. Es ist nicht unbedingt beruhigend zu wissen, daß deutlich mehr als die Hälfte aller Motorradunfälle durch Dritte verursacht werden. Denn der Satz auf dem Grabstein eines Motorradfahrers "Er war im Recht" spendet seinen Angehörigen nur wenig Trost.

Selbstverständlich soll auch nicht unter den Teppich gekehrt werden, daß es unter uns Motorradfahrern Leute gibt, die die Qualitäten ihres Schutzengels ab und zu auf eine harte Probe stellen. Das Gefühl, die Grenzen der Fähigkeiten von Mensch und Maschine erfolgreich und ohne Blessuren ausgetestet zu haben, versetzt manchen in einen rauschähnlichen Zustand mit starkem Suchtpotential. Motorradfahrer sind nicht alle Engel, obwohl man bisweilen den Eindruck bekommt könnte, daß es mancher darauf anlegt, möglichst bald einer zu werden.

Ich will das Problem der "Raser" unter den Motorradfahrern nicht verniedlichen. Häufig sind aber bei den sogenannten "Alleinunfällen", bei denen es als Unfallbeteiligte nur den motorisierten Zweiradfahrer gibt, Planungsmängel im Straßenbau, der immer schlechter werdende Straßenzustand, unsachgemäße Straßenreparaturen und ungesicherte Hindernisse am Straßenrand die eigentliche Ursache mit schwerwiegenden Folgen für Leib und Leben. Im Polizeibericht liest man darüber leider nur selten etwas.

Motorräder als Einspurfahrzeuge reagieren wesentlich sensibler auf den Straßenzustand als mehrspurige Fahrzeuge. Ein schmaler Bitumenstreifen auf der Fahrbahn stellt für PKWs und LKWs im Regelfall kein Problem dar. Für den Motorrad- oder den Rollerfahrer kann ein solcher Streifen aber das Ende der Fahrt bedeuten. Denn unsachgemäße Bitumenreparaturen führen bei Nässe schnell zu einem Sturz. Wenn dann noch ein ungeschützter Leitplankenpfosten oder ein falsch positioniertes Verkehrsschild im Weg steht, endet die Fahrt meistens in einer Katastrophe.

Unsachgemäße Bitumenreparaturen sind in den letzten Jahren zu einer wahren Landplage geworden. Unzureichende Finanzmittel für die Unterhaltung bestehender Straßen, fehlendes Personal in den Straßenbauverwaltungen, aber in meinen Augen auch kriminelle Machenschaften von Baufirmen und die Gleichgültigkeit mancher Sachbearbeiter in den Behörden sind für den Tod dutzender Motorradfahrer pro Jahr verantwortlich. Bei der Polizei und vor Gericht müssen sich die Hinterbliebenen dann häufig noch den Vorwurf der nicht angepaßten Geschwindigkeit des verunfallten Fahrers anhören. Selbst aus dem Kreis der Motorradfahrer bleibt man von dummen Sprüchen wie "betrifft mich nicht; ich beherrsche mein Fahrzeug und erkenne unsachgemäße Bitumenreparaturen schon auf weite Entfernung" nicht verschont.

Seit Jahren beschäftigen sich die Verbände intensiv mit diesem Thema. Nach langen Jahren des vergeblichen Mahnens und Forderns scheint sich der Knoten so langsam aufzudröseln. Wir erleben immer häufiger, daß unsere Gesprächspartner in den Ministerien und den Behörden ein offenes Ohr für unsere Anliegen haben. Zum Teil sind sie selber Motorradfahrer, die unsere Probleme aus eigener Anschauung kennen.

Im letzten Jahr haben wir an dieser Stelle die Niederlassung Euskirchen des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen als "motorradfahrerfreundliche Behörde in Deutschland" ausgezeichnet. Dort wurde der Unterfahrschutz für Leitplanken "Modell Euskirchen" entwickelt. Seit Juli 2004 gibt es einen Erlaß des Bundesverkehrsministers, der den Einsatz dieses Unterfahrschutzes unter bestimmten Rahmenbedingungen billigt. In der Folge haben mehrere Bundesländer die Verwendung des "Modells Euskirchens" an Unfallschwerpunkten für Motorradfahrer verbindlich vorgeschrieben. Die Bundesanstalt für Straßenwesen arbeitet derzeit an einer Verbesserung der auf dem Markt befindlichen Systeme.

In der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV), die allgemein verbindliche Richtlinien und Merkblätter für den Straßenbau und die Straßenunterhaltung in Deutschland veröffentlicht, gibt es seit einiger Zeit einen Arbeitskreis Motorradunfälle, der einen Leitfaden zur Reduzierung von Motorradunfällen und deren Folgen erarbeitet. An der Erstellung dieses Leitfadens sind die Verbände maßgeblich beteiligt.

Die Biker Union hat darüber hinaus das Instrument der Bitumen-Rallyes entwickelt, im Rahmen derer gefährliche Straßenabschnitte für Motorradfahrer dokumentiert und den Straßenbauverwaltungen zur Kenntnis gebracht werden. Im Lauf dieser Saison gibt es quer durch Deutschland eine Vielzahl solcher Rallyes, im Regelfall von den lokalen Stammtischen der BU organisiert, die damit das gemeinsame Fahren und die politische Arbeit in nahezu genialer Weise miteinander verbinden. Die Gespräche mit den Baulastträgern, die zur Nachbereitung einer solchen Bitumen-Rallye gehören, sind bisher durchweg positiv verlaufen.

Man kann zwar nicht erwarten, daß sich mit einem Schlag alles zum Besseren wandelt. Denn das Problem fehlender Finanzmittel wird durch unsere Aktivitäten kurzfristig nicht gelöst. Aber das Problembewußtsein der Verantwortlichen wird geschärft, was mittelfristig zu einer Verbesserung der Situation für uns alle führen wird.

Glücklicherweise gibt es auch an anderer Stelle Signale, daß sich die Situation nachhaltig verbessern könnte. Über einige Dinge wurde ja schon in den Festvorträgen der vergangenen Jahre berichtet. Ein schönes Beispiel wollten wir uns heute im Anschluß an meinen Vortrag vorstellen lassen. Leider ist unser Referent aus der Straßenbauverwaltung Rheinland-Pfalz erkrankt und mußte kurzfristig absagen. Wir werden jedoch versuchen, diesen hoch interessanten Vortrag im nächsten Jahr nachzuholen.

Selbst wenn es etwas merkwürdig klingt: Verkehrssicherheit hat auch etwas mit Grundrechten zu tun. Denn das Grundgesetz garantiert das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das bedeutet, daß alle Hebel in Bewegung gesetzt werden müssen, die Verkehrssicherheit für Motorradfahrer als besonders gefährdete Gruppe von Verkehrsteilnehmern zu erhöhen. Daß es da noch gewaltigen Nachholbedarf gibt, ist offensichtlich.

Das Thema ließe sich noch endlos ausdehnen. Statt dessen möchte ich über ein zweites Grundrecht für uns Motorradfahrer reden. Denn das Thema unserer Veranstaltung lautet ja "für Verkehrssicherheit - gegen Diskriminierung".

Unsere Verfassung garantiert uns das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen in die Naherholungsgebiete haben und daß uns dabei die Wahl des Verkehrmittels freisteht. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus.

Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem "Einfahrt Verboten"-Schild, das nur für Motorräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

Keine zehn Kilometer Luftlinie von hier entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müssen am Wochenende leider draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensperrung nur für Motorräder, die mit einer ungewöhnlichen Häufung von schweren Motorradunfällen mit vielen Toten begründet wurde. Die kurvige Landstraße durch das Elmsteiner Tal hatte manchen "Raser" dazu verleitet, seinem Schutzengel einfach davonzufliegen. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und über die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch ihr eigenes Grundstück nutzen können, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist das auch ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Da braucht man gar nicht erst das Argument möglicher Gesundheitsgefahren durch die Lärmeinwirkung ins Feld zu führen. Das wollen wir als Motorradfahrerverbände nicht unter den Teppich kehren.

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit gilt gemäß Verfassung aber für beide Seiten. Treten zwei Grundrechte miteinander in Konflikt, wird im Verfassungsrecht eine Güterabwägung vorgenommen. Von Streckensperrungsbefürwortern wird dann argumentiert: der Motorradfahrer kann sich ja eine andere Strecke für seinen Ausflug suchen. Der Grundstücknutzer kann sein Grundstück aber nicht verlegen. Nimmt man dann noch die mögliche Gesundheitsgefährdung durch Lärm hinzu, scheint die Sache klar zu sein. Denn eine Streckensperrung würde das Problem für die Anwohner lösen. Der Eingriff in das Grundrecht der Motorradfahrer fällt demgegenüber kaum ins Gewicht.

Ich will Euch jetzt nicht mit einer langweiligen, juristischen Debatte nerven. Trotzdem kann man die vor den Verwaltungsgerichten häufig genutzte Argumentation nicht unwidersprochen lassen. Denn im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in Grundrechte etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuffanlagen erzeugt. Die kann die Polizei aber problemlos im Rahmen von Kontrollen aus dem Verkehr ziehen. Und nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Strecken. Das käme dann gleich auch noch der Verkehrssicherheit zugute. Auf Erfolg versprechende Lösungsansätze zum Problem illegaler Auspuffanlagen als Massenphänomen habe ich in meinem Vortrag vom letzten Jahr hingewiesen. Das will ich hier nicht wiederholen.

Das zweite Argument der Befürworter von Streckensperrungen für Motorradfahrer, die Verhinderung von schweren Verkehrsunfällen auf den gesperrten Strecken, ist in den letzten Jahren gerade im Fall des Elmsteiner Tals ad Absurdum geführt worden. Zwar sind seit der Sperrung die Zahl der schweren Verkehrsunfälle von Motorradfahrern im Elmsteiner Tal deutlich zurückgegangen. Dafür sind die entsprechenden Zahlen auf den umliegenden Strecken deutlich angestiegen. Das Unfallgeschehen hat sich also eigentlich nicht verändert, sondern nur verlagert. Natürlich könnte man die Streckensperrungen jetzt schrittweise auf andere Straßen ausdehnen. Dann sollte man aber konsequent sein und das Motorradfahren in Deutschland gleich ganz verbieten.

Die Landrätin des Landkreises Bad Dürkheim, Frau Röhl, hatte in ihrem Grußwort das nachweislich falsche Argument pro Streckensperrung noch einmal aufgegriffen. Falsche Behauptung werden aber dadurch nicht wahrer, daß man sie ständig wiederholt. Statt mit großer Inbrunst dem heiligen St. Florian zu huldigen, könnte man es im Elmsteiner Tal ja endlich einmal mit der Erprobung intelligenter Gesamtlösungen versuchen. Dabei gäbe es genug Beispiele aus anderen Gegenden unserer Republik. Aber seit Jahren beißen wir da auf Granit.

Eine ganz andere Form der Diskriminierung haben wir in den letzten Wochen erlebt. Die Firma VW hatte Anfang Mai in ihrer Anzeigenkampagne zur Einführung des neuen VW-Polo ein Anzeigenmotiv veröffentlicht, das eine Gruppe bedrohlich aussehender, colourtragender Motorradfahrer beim Überholen eines VW-Polos zeigt. Auf der Rückbank sitzt ein kleiner Junge, der den Colourträgern Grimassen schneidet. Für den unbeteiligte Betrachter drängt sich die Frage auf, ob das wohl gut geht. Der Anzeigentitel lautet: "Der neue Polo. Beruhigend sicher."

Damit hat 19 Jahre nach der Veröffentlichung des Plakats der Innenminister der Länder "Sind Sie sicher vor Gewalt ?", das eine Gruppe von bewaffneten Colourträgern zeigte und damals zur Gründung der Biker Union als Interessenvertretung der Biker, Rocker und Motorradfahrer führte, ein Unternehmen das Klischee der gewaltbereiten Motorradfahrer aufgegriffen.

Mit dem Anzeigenmotiv wird in unseren Augen die Grenze zwischen origineller Werbung und der Diskriminierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe deutlich überschritten. Denn im Unterbewußtsein des Betrachters entsteht die Assoziation "colourtragende Motorradfahrer = gewaltbereite Schlägertypen", eine Gleichsetzung, mit der wir uns Tag für Tag herumschlagen müssen.

Zunächst hat die Biker Union ein Protestschreiben an den Vorsitzenden des Konzernvorstands von VW gerichtet und auf die Zurücknahme des diskriminierenden Anzeigenmotivs gedrungen. Die drei Wochen später eintreffende Antwort war etwas überraschend. Denn die Firma VW bedauerte zwar, daß wir uns angegriffen fühlen. Zudem sagt man zu, das Anzeigenmotiv ab August nicht mehr zu schalten. Allerdings war aus dem Schreiben nicht erkennbar, aus welchem Bereich des VW-Konzerns die Antwort stammte. Der fehlende Verweis auf den Adressaten unserer Beschwerde und die Tatsache, daß lediglich zwei Mitarbeiter mit Handlungsvollmacht unterschrieben hatten, machten zudem deutlich, daß dem VW-Konzern unser Protest eigentlich ziemlich egal ist. Indirekt wurde in der Antwort sogar noch einmal bestätigt, daß bei dem Anzeigenmotiv ganz bewußt das Klischee der "gefährlichen Rocker" aufgegriffen wurde.

Anfang Juli überschlugen sich dann die Ereignisse. Wegen der ausbleibenden Antwort hatte auch die MID, die sich dem Protest der BU angeschlossen hatte, an Herrn Pischetsrieder geschrieben. Parallel dazu wurde der Deutsche Werberat eingeschaltet, eine Institution, die für die Einhaltung der Fairneßregeln in der Werbung zuständig ist und über weitreichende Kompetenzen verfügt. Darüber hinaus hatten sich einige BU-Mitglieder per Brief bzw. email beim VW-Konzern und auch bei Presseorganen, die die Anzeige abgedruckt hatten, beschwert. Zudem hatten die "Macher" der Chris & Marty-Comics eine nette Persiflage auf die VW-Anzeige veröffentlicht, die wir Euch nicht vorenthalten wollen.

Kaum war der Brief der MID auf den Weg gebracht, meldete sich telefonisch eine jungen Dame aus dem VW-Konzern, um zu erfahren, ob das VW-Schreiben unsere Bedenken zerstreut habe. Sie fiel aus allen Wolken, als wir ihr erklärten, daß das besagte Schreiben ziemlich genau das Gegenteil von dem erreicht hatte, was eigentlich beabsichtigt war. Sie versprach, sich in unserem Internet-Forum mal über die Stimmungslage sowie die Argumente der Betroffenen schlau zu machen und sich um eine angemessene Antwort auf das Schreiben der MID zu kümmern.

Am 22. Juli kam dann ein Schreiben des Deutschen Werberates, in dem uns mitgeteilt wurde, daß man unsere Einschätzung in Bezug auf die VW-Werbung nicht teilen würde. Aus dem Vorwärts-Verlag bekamen wir auf einem Umweg einen etwas merkwürdigen Brief, in dem es hieß, daß der "Präsident der Biker Union bei Veröffentlichung der genannten Anzeige etwas mehr Gelassenheit an den Tag legen" solle. Unsere "unangemessene Reaktion" sei "kontraproduktiv".

Ende Juli kam dann die Antwort des VW-Konzerns an die MID, in dem heftig zurück gerudert wurde. Form und Inhalt entsprachen nun dem, was man eigentlich schon nach dem ersten Protest hätte erwarten können. Damit haben wir erreicht, was wir erreichen wollten. Denn die mißglückte Werbeaktion ist nun einmal nicht ungeschehen zu machen.

Und die Moral von der Geschicht‘ ? Ende gut, alles gut ? Ja und nein. Der VW-Konzern hat durch sein zweites Schreiben gezeigt, daß er, wenn auch erst mit unserer wohlwollenden Unterstützung, durchaus lernfähig ist. Dem Deutschen Werberat und dem Vorwärts-Verlag haben wir noch ein paar Nachhilfestunden in Sachen Diskriminierung und Etikette geben müssen. Damit wäre das Thema aber wohl erst einmal erledigt.

Was bleibt, ist der fade Beigeschmack, daß wir es trotz jahrelanger Medienarbeit, einer Vielzahl von Veranstaltungen mit Behinderteneinrichtungen, Waisenhäusern und Kinderkrebsstationen, der Spende von Geld und Sachleistungen zum Beispiel für Flutopfer im In- und Ausland sowie zahlreicher Aktionen mit Blut- und Rückenmarkspenden offenbar immer noch nicht geschafft haben, das von den Boulevard-Medien liebevoll gepflegte Bild des "gemeingefährlichen Rockers" aus den Köpfen der Menschen herauszubekommen. Was aber auch bleibt, ist die Erkenntnis, daß wir uns gegen diese Form der Diskriminierung wirksam zur Wehr setzen können und daß wir dabei mit der MID ein wirksames Mittel zu Vertretung unserer Interessen haben.

Zum Schluß komme ich noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Unser diesjähriges Hambacher Bikerfest ist ein weiterer, wichtiger Schritt der MID - Motorrad Initiative Deutschland e.V. auf dem Weg zu einer schlagkräftigen Koordinierungsplattform der deutschen Motorradfahrerverbände. Denn durch diese Veranstaltung wird noch einmal deutlich, daß der alte Spruch "getrennt marschieren - vereint schlagen" seine Gültigkeit nicht verloren hat.

Die Zusammenarbeit der Verbände hat sich nicht nur in politischen Fragen bewährt, sondern auch bei der Vorbereitung und Durchführung der heutigen Veranstaltung. Manches mußte sicher auch in diesem Jahr wieder "mit der heißen Nadel" gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Aufgaben beschäftigt. Das könnten sich die beteiligten Verbände gar nicht leisten. Wir sind ausnahmslos Freiwilligen-Organisationen mit chronisch knappen Ressourcen, sowohl in finanzieller als auch in personeller Hinsicht. Die Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen machen das alles in ihrer knappen Freizeit abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle auch einmal erwähnt werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

Schließen möchte ich meine Ausführungen mit dem Aufruf, der schon meine Rede in den letzten sechs Jahren beendet hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

Vielen Dank für Ihre, für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

Rolf "Hilton" Frieling
1. Vorsitzender der MID - Motorradinitiative Deutschland e.V. /
Vorsitzender der Biker Union e.V.
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6. August 2005