Festrede zum 6. Hambacher Bikerfest am 7. August 2004
Rolf "Hilton" Frieling
MID - Motorradinitiative Deutschland e.V.


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

zum sechsten Mal treffen wir uns an diesem illustren Ort, um gegen die Diskriminierung von uns Bikern und Motorradfahrern unsere Stimme zu erheben. Die sechste Veranstaltungen am gleichen Ort und unter dem gleichen Motto: da kann man schon von Tradition sprechen. Deshalb bin ich froh, daß wir es trotz der nicht immer einfachen Rahmenbedingungen geschafft haben, diesen für die MID so wichtigen Event auf geschichtsträchtigem Boden und in feierlichen Ambiente auch in diesem Jahr wieder auf die Beine zu stellen.

Manches musste in der Vorbereitung unseres Bikerfestes "mit der heißen Nadel" gestrickt werden. Denn die Organisation liegt nicht in den Händen einer professionellen Event-Agentur, die sich hauptberuflich mit solchen Veranstaltungen beschäftigt. Das könnten sich die beteiligten Verbände gar nicht leisten. Alle Beteiligte vor und hinter den Kulissen machen das in ihrer knappen Freizeit abends und am Wochenende. Das soll an dieser Stelle auch einmal erwähnt werden. Und dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

Vielen von Euch wird das Kürzel "MID" nicht viel sagen. Deswegen möchte ich zu Beginn meines Vortrags noch einmal kurz darauf eingehen, wer eigentlich Euer Gastgeber bei der heutigen Veranstaltung ist.

MID bedeutet ausgeschrieben "Motorradinitiative Deutschland e.V.". Die MID ist das Koordinationsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände, sozusagen der "runde Tisch" der Fahrerverbände. In der MID versuchen wir, gemeinsame Positionen zu den jeweils aktuellen, motorradpolitischen Themen zu finden. Das ist nicht immer einfach und gelingt auch nicht in allen Punkten. Die Motorradfahrerszene in Deutschland ist nun einmal traditionell ein bunter Haufen von Leuten, die man den unterschied-lichsten "Fraktionen" zuordnen kann. Die aktuelle Verbandslandschaft ist in weiten Teilen ein Spiegelbild dieser Vielfalt. Ich persönlich bin damit durchaus zufrieden, solange die vertrauensvolle Zusammenarbeit unter dem Dach der MID sichergestellt ist.

Der Organisationsgrad der Motorradfahrer in Deutschland ist auch heute noch denkbar gering. Bei ca. 3,7 Mio. zugelassenen Motorrädern sind gerade einmal ca. 8.000 Fahrerinnen und Fahrer in einer politischen Interessenvertretung organisiert. Ein leichtes Spiel für die Politik, die im Regelfall bei ihren Entscheidungen nur auf das betroffene Wählerpotential schielt.

Über die MID können wir unsere knappen Ressourcen bündeln und Dinge erreichen, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen auch große Verbände nicht alleine stemmen können. Eigentlich eine Binsenweißheit, an die man aber auch innerhalb der Verbände immer mal wieder erinnern muß.

Wir sind sehr stolz darauf, daß wir in der MID in den letzten Jahren bei vielen Fragen tatsächlich gemeinsame Standpunkte gefunden haben und daß dies von der Politik, den Behörden und der Öffentlichkeit zunehmend positiv registriert wird. Denn damit läuft die gerade in Deutschland beliebte Methode "teile und herrsche" immer häufiger ins Leere.

Nach dieser, etwas ausführlicheren Vorrede komme ich zum eigentlichen Thema meines Vortrags. Unter dem Slogan "Für Verkehrssicherheit - Gegen Diskriminierung" haben wir uns heute hier versammelt, um erneut gegen die Einschränkung unserer Grundrechte als Bürger und Motorradfahrer zu protestieren.

Der eine oder die andere denkt jetzt vielleicht: Einschränkung unserer Grundrechte ? Im Jahr 2004 ? Da wird ja ziemlich tief in die Mottenkiste gegriffen. Ist das aber wirklich so ?

Unsere Verfassung garantiert uns das Recht auf freie Entfaltung unserer Persönlichkeit. Dazu gehört, daß wir als Bürger das Recht auf einen Ausflug auf öffentlichen Straßen in die Naherholungsgebiete haben und daß uns dabei die Wahl des Verkehrmittels freisteht. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das in vielen Gegenden unserer Republik anders aus.

Kann sich der PKW-Fahrer weitgehend ungehindert durch deutsche Lande bewegen, endet der Ausflug des Motorradfahrers am Wochenende an vielen Stellen vor einem "Einfahrt Verboten"-Schild, das nur für Motorräder gilt. Streckensperrungen nur für Motorradfahrer sind in vielen, landschaftlich reizvollen Gegenden eher die Regel als die Ausnahme.

Keine zehn Kilometer Luftlinie von hier entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal. Auch dort heißt es in den Sommermonaten: wir Motorradfahrer müssen am Wochenende leider draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensperrung nur für Motorräder, die ursprünglich einmal mit einer ungewöhnlichen Häufung von schweren Motorradunfällen mit vielen Toten begründet wurde. Die kurvige Landstraße durch das Elmsteiner Tal hatte manchen "Raser" dazu verleitet, seinen Schutzengel auf eine harte Probe zu stellen. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und über die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

Selbstverständlich hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch seine Grenzen. Wenn Anwohner einer viel befahrenen Ausflugsstrecke für Motorradfahrer am Wochenende kaum noch ihr eigenes Grundstück nutzen können, weil ihnen bei schönem Wetter von Freitag bis Sonntag der infernalische Lärm aus ausgeräumten Auspuffanlagen das Leben zur Hölle macht, ist das auch ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Da braucht man gar nicht erst das Argument möglicher Gesundheitsgefahren durch die Lärmeinwirkung ins Feld zu führen. Das wollen wir als Motorradfahrerverbände nicht unter den Teppich kehren.

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit gilt gemäß Verfassung für beide Seiten. Treten zwei Grundrechte miteinander in Konflikt, wird im Verfassungsrecht eine Güterabwägung vorgenommen. Von Streckensperrungsbefürwortern wird dann argumentiert: der Motorradfahrer kann sich ja eine andere Strecke für seinen Ausflug suchen. Der Grundstücknutzer kann seinen Grundstück aber nicht verlegen. Nimmt man dann noch die mögliche Gesundheitsgefährdung durch Lärm hinzu, schein die Sache klar zu sein. Denn eine Streckensperrung würde das Problem für die Anwohner lösen. Die Eingriff in das Grundrecht der Motorradfahrer fällt demgegenüber kaum ins Gewicht.

Ich will Euch jetzt nicht mit einer langweiligen, juristischen Debatte nerven. Trotzdem kann man die vor den Verwaltungsgerichten häufig genutzte Argumentation so nicht unwidersprochen stehen lassen. Denn im Fall der unzumutbaren Lärmbelästigung kann man auch ohne den Eingriff in Grundrechte etwas machen. Im Regelfall wird der Lärm von illegalen Auspuffanlagen erzeugt. Die kann die Polizei aber problemlos im Rahmen von Verkehrskontrollen aus dem Verkehr ziehen. Und nichts spricht sich so schnell unter den Betroffenen herum, wie regelmäßige Polizeikontrollen auf von Motorradfahrern häufig genutzten Strecken. Das käme dann gleich auch noch der Verkehrssicherheit zugute.

Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen. Das unstrittig vorhandene Problem illegaler Auspuffanlagen als Massenphänomen gibt es erst seit wenigen Jahren. Ende der 90er Jahre wurden die Geräuschgrenzwerte für neu zugelassene Motorräder von 82 auf 80 dB (A) gesenkt. Bei vielen Motorradtypen bedeutete die Umsetzung dieser Grenzwerte, dass es einen deutlichen Einbruch in der Leistungsentfaltung gab und dass der charakteristische "Sound" des Fahrzeugs verloren ging. Gegen beides halfen nur der Griff ins Zubehörregal oder die eigenen, handwerklichen Fähigkeiten. Der Boom illegaler Auspuffanlagen hatte begonnen.

Man kann jetzt sicher den moralischen Zeigefinger auspacken und an die Verantwortung der Motorradfahrer gegenüber Natur und Umwelt erinnern. Das hilft den betroffenen Anwohnern leider nur sehr beschränkt weiter. Denn die Polizei kann nicht immer und überall präsent sein. Und gerade in unserer heutigen Fun-Gesellschaft, in der Ellenbogenmentalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber Schwächeren gesellschaftlich akzeptierte Tugenden zu werden scheinen, wird man mit Appellen an die gesellschaftlichen Verantwortung wohl wenig Erfolg haben.

Ein anderer Weg verspricht da vielleicht mehr Erfolg. Wenn man die Geräuschgrenzwerte wieder auf den alten Wert anheben würde, entfiele für viele der heutigen "Lärmsünder" der Drang zu illegalen Anlagen. Das einzelne Fahrzeug würde sicher wieder etwas lauter. Die Massenflucht in die Illegalität, bei der häufig nach dem Motto: "wenn schon illegal, dann richtig" verfahren wird, wäre damit aber umkehrbar. Für die lärmgeplagten Anwohner würde sich die Situation unter dem Strich deutlich entspannen. Denn hier gilt nicht die Kohl'sche Weisheit: "entscheidend ist, was hinten rauskommt". Beim Thema Lärm ist entscheidend, was beim betroffenen Bürger ankommt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang deutlich darauf hinweisen, dass ich an dieser Stelle nicht die gemeinsame Position der MID vortrage. Das sind Vorschläge und Gedanken, die für uns als Biker Union wichtig sind, innerhalb der MID aber noch diskutiert werden müssen. Alle in der MID zusammengeschlossenen Verbände, auch die BU, bekennen sich klar zu ihrer Verantwortung auch in Umweltfragen. Allerdings kann ein pragmatischer Ansatz manchmal sinnvoller sein, als das sture Bestehen auf die Einhaltung gesetzlicher Normen.

Das zweite Argument der Befürworter von Streckensperrungen für Motorradfahrer, die Verhinderung von schweren Verkehrsunfällen auf den gesperrten Strecken, ist in den letzten Jahren gerade im Fall des Elmsteiner Tals ad Absurdum geführt worden. Zwar sind seit der Sperrung die Zahl der schweren Verkehrsunfälle von Motorradfahrern im Elmsteiner Tal deutlich zurückgegangen. Dafür sind die entsprechenden Zahlen auf den umliegenden Strecken deutlich angestiegen. Das Unfallgeschehen hat sich also nicht wesentlich verändert, sondern nur verlagert. Natürlich könnte man die Streckensperrungen jetzt schrittweise in andere Bereiche ausdehnen. Dann sollte man aber konsequent sein und das Motorradfahren in Deutschland gleich ganz verbieten.

Statt mit großer Inbrunst dem heiligen St. Florian zu huldigen, könnte man es ja im Elmsteiner Tal endlich einmal mit der Erprobung intelligenter Gesamtlösungen versuchen. Dabei gäbe es genug Beispiele aus anderen Gegenden unserer Republik. Aber seit Jahren beißen wir da auf Granit.

Das Thema könnte man noch endlos ausdehnen. Auf einige Dinge bin ich ja schon in meinen Festvorträgen anlässlich der vergangenen Hambacher Bikerfeste eingegangen. Statt dessen möchte ich noch über ein zweites Grundrecht für uns Motorradfahrer reden, das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Motorräder als Einspurfahrzeuge reagieren wesentlich sensibler auf den Straßenzustand als mehrspurige Fahrzeuge. Ein schmaler Bitumenstreifen auf der Fahrbahn stellt für PKWs und LKWs im Regelfall kein Problem dar. Für den Motorrad- oder den Rollerfahrer kann ein solcher Streifen aber das Ende der Fahrt bedeuten. Denn unsachgemäße Bitumenreparaturen führen bei Nässe schnell zu einem Sturz. Wenn dann noch ein ungeschützter Leitplankenpfosten im Weg steht, endet die Fahrt meistens in einer Katastrophe.

In den letzten Jahren ist das Problem unsachgemäßer Bitumenreparaturen zu einer wahren Landplage geworden. Unzureichende Finanzmittel für die Unterhaltung bestehender Straßen, fehlendes Personal in den Straßenbauverwaltungen, aber auch in meinen Augen kriminelle Machenschaften der Baufirmen und die Gleichgültigkeit mancher Sachbearbeiter in den Behörden sind für den Tod dutzender Motorradfahrer verantwortlich. Bei der Polizei und vor Gericht müssen sich die Hinterbliebenen dann häufig noch den Vorwurf der nicht angepaßten Geschwindigkeit des verunfallten Fahrers anhören. Selbst aus dem Kreis der Motorradfahrer bleibt man von Sprüchen wie "betrifft mich nicht; ich beherrsche mein Fahrzeug und erkenne unsachgemäße Bitumenreparaturen schon auf weite Entfernung" nicht verschont.

Selbstverständlich ist der Einsatz der Verbände für einen ordnungsgemäßen Straßenzustand kein Freibrief für die Raser unter uns Motorradfahrern, die öffentliche Landstraßen mit abgesperrten Rennstrecken verwechseln. Wer aber Nachts und bei Regen auf unbekannter Strecke schon einmal versucht hat, den Tücken von Witterung, katastrophalen Straßenzustand und drängelnden PKW-Fahrern gerecht zu werden, um heil am Ziel anzukommen, weiß, wovon ich rede.

Glücklicherweise gibt es seit einiger Zeit Signale, dass sich die Situation nachhaltig verbessern könnte. Der in Bayern durchgeführte Feldversuch mit Ersatzstoffen für Bitumen und neuen Reparaturverfahren steht kurz vor seinem Abschluß. Auch in den Standardisierungsgremien der Straßenbauer beschäftigt man sich, wie ich gehört habe, mit dem Problem Bitumen. Zudem scheinen in einigen Behörden die Motorradfahrer unter den Mitarbeitern erste Erfolge in eigener Sache vorweisen zu können.

Die Zeit drängt allerdings. Denn der Reparaturstau auf Deutschlands Straßen wird immer größer. Und mit einer deutlichen Verbesserung der Finanzsituation ist auch mittelfristig nicht zu rechnen.

Auch beim Thema "Leitplanken" gibt es neue Entwicklungen, die in die richtige Richtung gehen. Damit möchte ich den Übergang zum weiteren Verlauf des heutigen Programms vorbereiten. Denn die Preisträgerin des diesjährigen Hambacher Bikerfestes ist keine motorradfreundliche Stadt, sondern eine motorradfahrerfreundliche Straßenbaubehörde, die sich unter anderem auch ausführlich mit der Leitplankenproblematik beschäftigt. Mehr davon im Anschluß an meinen Vortrag.

Zum Abschluß komme ich aber noch einmal auf meine einleitenden Worte zurück. Auch unser diesjähriges Hambacher Bikerfest kann als ein wichtiger Schritt der MID - Motorradinitiative Deutschland e.V. auf dem Weg zu einer schlagkräftigen Koordinationsplattform der deutschen Motorradfahrerverbände gewertet werden. Denn durch diese Veranstaltung wird noch einmal deutlich, daß der alte Leitspruch "getrennt marschieren - vereint schlagen" seine Gültigkeit nicht verloren hat. Deshalb schließe ich an dieser Stelle mit dem Satz, der schon meine Rede in den letzten fünf Jahren beendet hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

Vielen Dank für Ihre, für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

Rolf "Hilton" Frieling
1. Vorsitzender der MID - Motorradinitiative Deutschland e.V. /
Vorsitzender der Biker Union e.V.
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7. August 2004