Festrede zum 5. Hambacher Bikerfest am 2. August 2003

Von Rolf "Hilton" Frieling, MID

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

zum fünften Mal treffen wir uns an diesem illustren Ort, um gegen die Diskriminierung von uns Bikern und Motorradfahrern öffentlich unsere Stimme zu erheben. Diese fünfte Veranstaltungen am gleichen Ort und unter dem gleichen Motto: da kann man schon von Tradition sprechen. Deshalb bin ich froh, daß wir es trotz der nicht immer einfachen Rahmenbedingungen geschafft haben, dieses für uns so wichtige Event auf geschichtsträchtigem Boden und in feierlichen Ambiente auch in diesem Jahr wieder auf die Beine zu stellen. Auch wenn in der Vorbereitung manches "mit der heißen Nadel" gestrickt werden musste: unter dem Slogan "Für Verkehrssicherheit - Gegen Diskriminierung" wollen wir heute erneut gegen die Einschränkung unserer Grundrechte als Bürger und Motorradfahrer protestieren.

Leider haben wir in diesem Jahr keinen externen Gastredner auf unserem Podium. Denn nachdem unsere ursprüngliche Planung wenige Wochen vor dem heutigen Termin wegen der Absage eines wichtigen Beteiligten geplatzt war, haben wir es nicht mehr geschafft, einen adäquaten Ersatz zu besorgen. Damit fällt mir die alleinige Ehre zu, heute den Festvortrag zu halten. Trotz der dadurch frei gewordenen Zeit, werde ich mich aber kurz fassen.

Wie in den vorangegangenen Jahren wollen wir im Verlauf dieses Nachmittags mit der Verleihung der Auszeichnung "Motorradfreundliche Stadt in Deutschland" positive Signale setzen. Denn mit unserer Ehrung sollen Städte und Gemeinden, aber auch alle anderen betroffenen Institutionen im Bund und in den Ländern animiert werden, dem Thema Verkehrssicherheit für motorisierte Zweiradfahrer deutlich mehr Beachtung zu schenken als bisher. Die Unfallzahlen und insbesondere die Zahl der getöteten Motorradfahrer sind zwar in den letzten Jahren langsam, aber stetig zurückgegangen, und das trotz drastisch gestiegener Zulassungszahlen. Trotzdem bleibt für uns alle noch viel zu tun. Denn der unsachgemäße Einsatz von Bitumen, rutschige Fahrbahnbeläge und scharfkantige Leitplankenpfosten kosten jedes Jahr eine Vielzahl vermeidbarer Todesopfer unter uns Motorradfahrern.

Darüber hinaus sollte in unseren Augen das Motorrad als umweltfreundliches Verkehrsmittel vor allem in Städten mit ländlich geprägten Umland wesentlich mehr Bedeutung bekommen. Durch den geringen Platzbedarf auf der Straße und im öffentlichen Parkraum, den vergleichsweise niedrigen Benzinverbrauch, die Ressourcen schonende Produktion und die fast vollständige Wiederverwertung ausrangierter Fahrzeuge, von der PKW-Hersteller bisher allenfalls träumen, sind das Motorrad bzw. der Motorroller dort, aber nicht nur dort eine gute Wahl.

Während der Bewohner einer Großstadt mit dem Fahrrad oder per öffentlichem Verkehrsmitteln viele innerstädtische Ziele erreichen kann, muß sich der Umlandbewohner im Regelfall in seine Blechschüssel zwängen, um nach entnervendem Stau auf den Einfallstraßen der nahe gelegenen Stadt und der aufreibenden Suche nach einem Parkplatz endlich am Ziel zu sein. Zur gleichen Zeit sitzt die Motorrad fahrende Nachbarin bereits beim zweiten Frühstück im Büro. Und der Hausmann von Nebenan hat auf seiner Vespa schon alle Wocheneinkäufe erledigt. Nur das breite Grinsen, daß unsere beiden motorisierten Zweiradfahrer besonders bei schönem Wetter noch im Gesicht tragen, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den griesgrämigen Gesichtsausdruck des arg gebeutelten Dosenfahrers umgeschlagen.

In Zeiten leerer Haushaltskassen muß gerade im kommunalen Bereich auf jeden Cent geachtet werden. Das ist auch uns Motorradfahrern klar. In vielen Fällen sind jedoch Maßnahmen, die uns das Leben leichter machen würden, um ein Vielfaches billiger als vergleichbare Investitionen in die Infrastruktur für PKWs. Einen Parkplatz oder ein Parkhaus für 50 Autos zu bauen ist mit Sicherheit teurer als 50 neue Motorradparkplätze in der Innenstadt auszuweisen. Selbst wenn die betroffene Kommune drastisch sparen muß, bliebe da noch einiges an Geld übrig, um die völlig heruntergekommen Straßen in den meisten Städten für alle Verkehrsteilnehmer sicherer zu machen.

Doch auch im Kleinen sind die Kosten für die Verbesserung der Sicherheit von uns Motorradfahrern meistens niedriger, als man zunächst denkt. Bestes Beispiel ist unsere Preisträgerin aus dem Jahr 2000, die Stadt Neustadt an der Weinstraße. Die in Neustadt aufgebrachten, bei Regen für alle Verkehrsteilnehmer deutlich sichereren Fahrbahnmarkierungen kosten weniger und halten länger als die üblichen Straßenmalereien. Neustadt tut also nicht nur etwas für die Sicherheit von Motorradfahrern, Radfahrern, Fußgängern und gebrechlichen Personen. Neustadt spart dabei auch noch bares Geld. Da braucht man gar nicht erst mit dem sicher etwas zynisch klingenden Argument zu kommen, man könne mit dieser Investition in die Verkehrssicherheit im städtischen Krankenhaus vielleicht ein bis zwei Intensivbetten für verletzte Zweiradfahrer einsparen.

Für mich ist es völlig unverständlich, wieso andere Kommunen den Stadtvätern von Neustadt nicht seit Jahren die Türen einrennen, um mehr über das neue Verfahren zu erfahren. Offenbar ist man anderen Ortes bereit, sich die Abschreckung von Motorradfahrern etwas kosten zu lassen.

Doch es gibt bei diesem Thema vermehrt positive Signale. Die Stadt Karlsruhe zum Beispiel scheint erkannt zu haben, dass Motorradfahrer nicht nur als Wirtschaftsfaktor im Tourismus eine immer größere Rolle spielen. Man erarbeitet derzeit einen Maßnahmenkatalog, mit dem Karlsruhe attraktiver für Motorradfahrer gemacht werden soll. Nach unseren Informationen soll dabei auch die Verwendung des Neustädter Verfahrens geprüft werden. Damit hätte unsere Preisverleihung einen, wenn nicht sogar den entscheidenden Anstoß gegeben, das gute Beispiel von Neustadt zu nutzen. Mal schauen, ob andere Städte und Gemeinden nachziehen werden.

Um es noch einmal etwas anders zu formulieren. Motorradfahrer sind nicht Teil des Problems, das unsere Städte und Regionen in Mitteleuropa haben. Motorradfahrer sind Teil der Lösung. Daß man am Wochenende oder im Urlaub vielleicht auch noch die eine oder andere erholsame Tour durch malerische Gegenden mit dem Bike machen kann, kann getrost als erwünschter Nebeneffekt für den umweltbewußten, motorisierten Zweiradfahrer angesehen werden. Dafür wird er bzw. sie sich um so härter abstrampeln, wenn es bei Arbeitsbeginn zum Wochenanfang wieder darum geht, in die Hände zu spucken, um das Bruttosozialprodukt zu steigern.

Das Hambacher Bikerfest steht, wie bereits gesagt, unter dem Motto "Für Verkehrssicherheit - Gegen Diskriminierung". "Für Verkehrssicherheit": da wird kaum jemand etwas gegen sagen. "Gegen Diskriminierung": da fällt dem Normalbürger eigentlich nichts ein. Denn wir leben schließlich in einem Rechtsstaat und in einer demokratischen Gesellschaft. Die offene Diskriminierung Andersdenkender kennen die meisten von uns nur aus dem Geschichtsbuch oder allenfalls noch aus Staaten der sogenannten dritten Welt.

Leider ist das aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn wir Motorradfahrer gehören zu einer Gruppe von Bürgern, denen auch in Deutschland Grundrechte verweigert werden, und das im Regelfall mit fadenscheinigen Ausreden.

Keine zehn Kilometer Luftlinie von hier entfernt liegt das malerische Elmsteiner Tal, in dem es in den Sommermonaten am Wochenende heißt: wir Motorradfahrer müssen leider draußen bleiben. Bereits seit vielen Jahren gibt es dort eine Streckensperrung nur für Motorräder, die ursprünglich einmal mit einer ungewöhnlichen Häufung von schweren Motorradunfällen mit vielen Toten begründet wurde. Die kurvige Landstraße durch das Elmsteiner Tal hatte manchen "Raser" dazu verleitet, seinen Schutzengel auf eine harte Probe zu stellen. Zudem beschwerten sich die Anwohner über die Verkehrsbelastung und über die Störung ihrer sonntäglichen Ruhe.

Im letzten Jahr hatten wir zwei verantwortliche Beamte der Polizei aus dem Vogelsberg hier auf dem Podium. Der eine oder die andere kann sich vielleicht noch an die sehr interessanten Vorträge erinnern. Für die anderen zur Erläuterung: im vorletzten Jahr hatten wir die Stadt Laubach im Naturpark Hoher Vogelsberg als "Motorradfreundliche Stadt" ausgezeichnet. Die Stadt Laubach hat nicht nur ein attraktives Konzept zur touristische Vermarktung ihrer Gemeinde unter den ehemaligen "armen Schluckern" Motorradfahrer entwickelt und umgesetzt. Parallel dazu hatte man sich des Themas Verkehrssicherheit für Motorradfahrer angenommen und sich an einem Projekt der Polizei beteiligt, mit dem die Ursachen für eine drohende Streckensperrung für Motorräder angegangen werden sollten.

Ich zitiere noch einmal aus der damals überreichten Urkunde: "Diese Maßnahmen sind bundesweit beispielhaft. Im Namen aller Motorradfahrer bedanken wir uns bei Laubachs Bürgermeister Claus Spandau für diesen weitsichtigen Ansatz, mit dem versucht wird, das berechtigte Ruhebedürfnis der Anwohner, die wirtschaftlichen Interessen der Bevölkerung in einer strukturschwachen Region und die Verbesserung der Verkehrssicherheit in Einklang zu bringen."

Wir hatten in letztem Jahr aus erster Hand erfahren, wie man anderen Ortes versucht, aus einem Problem eine Chance für wegweisende Gesamtlösungen zu machen. Denn es geht in vielen Regionen Deutschlands darum, das Thema Verkehrssicherheit, die berechtigten Interessen der Motorradfahrer und die der ortsansässigen Bevölkerung in ein sinnvolles Gleichgewicht zu bringen.

Für mich war ein Punkt des Vortrags besonders wichtig: statt mit dem vermeintlichen Patentrezept "Sperrung der Straßen für Motorradfahrer" zu reagieren, hat man sich im Vogelsberg etwas Besseres einfallen lassen. Daß dazu auch die Einsichtsfähigkeit der betroffenen Motorradfahrer gehört, ist unbestritten. Ich will dabei gar nicht unter den Tisch kehren, daß es bei diesem Aspekt leider nicht nur Erfolgsmeldungen gibt.

Die Situation im Vogelsberg kann, bei allen ggf. notwendigen Abstrichen, als geradezu ideales Beispiel für die Situation im Elmsteiner Tal gelten. Denn im Fall Elmsteiner Tal hindert das in Deutschland bereits in früheren Zeiten erfolgreich praktizierten Prinzip der Sippenhaftung seit vielen Jahren die Motorradfahrer an der grundgesetzlich garantierten freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit.

Wir dürfen zwar als Steuerzahler den Bau und die Unterhaltung der Straßen im Elmsteiner Tal mit finanzieren. Wir bekommen aber aus nur bedingt nachvollziehbaren Gründen die Nutzung der von uns mit finanzierten Straßen verwehrt, und das mit höchstrichterlicher Billigung.

Gleichzeitig müssen im Elmsteiner Tal, übrigens auch in einer strukturschwachen Region gelegen, Gastronomiebetriebe mangels Zulauf dicht machen. Daß dies auch Auswirkungen auf Zulieferunternehmen hat, brauche ich wohl nicht besonders herauszustellen. Aber auch hier finanzieren wir Motorradfahrer über unsere Sozialabgaben die Folgen hoher Arbeitslosigkeit munter mit.

Offensichtlich hat es sich in den abgeschiedenen Tälern der Region immer noch nicht herumgesprochen, daß die in den letzten Jahren in großer Zahl auf den Geschmack gekommene, neue Generation von Motorradfahrern eher zu den "Besserverdienenden" in Deutschland gehören. Die Zeiten, daß man in der Kneipe ein Glas Mineralwasser bestellte, um möglichst kostengünstig eine ordentliche Toilette benutzen zu können, sind lange passé.

In den letzten Jahren ist ein zentrales Argument der Gegner der Streckensperrung im Elmsteiner Tal, das vor Gericht leider nicht ausreichend gewürdigt wurde, eindrucksvoll bestätigt worden. Die Polizei mußte zugeben, daß sich die Unfallschwerpunkte für Motorradfahrer seit der Sperrung in die umliegenden Täler verlagert hat. Ähnliche Befürchtungen haben wir ja auch aus anderen Regionen schon gehört. Statt mit großer Inbrunst dem heiligen St. Florian zu huldigen, könnte man es ja im Elmsteiner Tal endlich einmal mit der Erprobung intelligenter Gesamtlösungen versuchen. Aber seit Jahren beißen wir da auf Granit.

Damit möchte ich auch zum Schluß meiner Ausführungen kommen. In den letzten drei Jahren hatte ich an dieser Stelle den "Geist von Hambach" beschworen, der die zersplitterte Verbandsszene in Deutschland einen möge. Die Motorradfahrerszene in Deutschland ist traditionell ein bunter Haufen von Leuten, die man den unterschiedlichsten "Fraktionen" zuordnen kann. Die aktuelle Verbandslandschaft ist in weiten Teilen ein Spiegelbild dieser Vielfalt. Ich persönlich bin damit durchaus zufrieden, solange die vertrauensvolle Zusammenarbeit unter dem Dach der MID sichergestellt ist.

Ich freue mich, daß sich beim diesjährigen Hambacher Bikerfest die Kooperation der beteiligten Verbände wieder einmal bewährt hat. Damit haben wir einen weiteren Schritt auf dem steinigen Weg erfolgreicher Zusammenarbeit von und für Motorradfahrer gemacht. Die Zusammenarbeit der Verbände in der MID ist in den letzten Monaten zum Selbstläufer geworden. Diejenigen, die sich dieser Zusammenarbeit verweigern, stehen schon jetzt bei manchen Themen draußen vor der Tür. Wenn ein Zug einmal Fahrt aufgenommen hat, ist es schwer, ihn wieder zu stoppen. Wer das versucht, wird feststellen, dass er dabei unter die Räder geraten kann.

Auch unser diesjähriges Hambacher Bikerfest kann als ein wichtiger Schritt der MID - Motorradinitiative Deutschland e.V. auf dem Weg zu einer schlagkräftigen Koordinationsplattform der deutschen Motorradfahrerverbände gewertet werden. Denn durch diese Veranstaltung wird noch einmal deutlich, daß der alte Leitspruch "getrennt marschieren - vereint schlagen" seine Gültigkeit nicht verloren hat.

Doch ich will Euch nicht länger mit Diskussionen langweilen, die von den Realitäten eigentlich schon eingeholt, wenn nicht gar überholt wurden. Ich weiß, daß Ihr schon mit den Hufen scharrt und mancher die harte Bank hier im Saal bereits mit dem weichen Sattel seines zur Demo startbereiten Bikes getauscht hat. Deshalb schließe ich an dieser Stelle mit dem Satz, der schon meine Rede in den letzten vier Jahr beendet hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

Vielen Dank für Ihre, für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

 

Rolf "Hilton" Frieling
1. Vorsitzender der MID - Motorradinitiative Deutschland e.V. /
Vorsitzender der Biker Union e.V.
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2. August 2003