Festrede zum 4. Hambacher Bikerfest 2002, Rolf Frieling

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

zum vierten Mal treffen wir uns an diesem illustren Ort, um gegen die Diskriminierung von uns Bikern und Motorradfahrern öffentlich unsere Stimme zu erheben. Auch unser diesjähriges Hambacher Bikerfest kann als wichtiger Meilenstein der MID - Motorradinitiative Deutschland e.V. auf dem Weg zu einer schlagkräftigen Koordinationsplattform der deutschen Motorradfahrerverbände gewertet werden. Denn durch diese Veranstaltung wird noch einmal deutlich, daß der alte Leitspruch "getrennt marschieren - vereint schlagen" seine Gültigkeit nicht verloren hat.

Die vierte Veranstaltungen am gleichen Ort und unter dem gleichen Motto begründet schon fast eine Tradition. Deshalb bin ich froh, daß wir es unter den nicht immer leichten Rahmenbedingungen geschafft haben, diesen sehr erfolgreichen Event auf geschichtsträchtigem Boden und in feierlichen Ambiente auch in diesem Jahr durchzuführen. Unter dem Slogan "Für Verkehrssicherheit - Gegen Diskriminierung" wollen wir heute erneut gegen die Einschränkung unserer Grundrechte als Bürger und Motorradfahrer protestieren.

Wie in den vorangegangenen Jahren wollten wir auch dieses Mal mit der Verleihung der Auszeichnung "Motorradfreundliche Stadt in Deutschland" wieder positive Signale setzen. Denn mit unserer Ehrung wollen wir Städte und Gemeinden, aber auch alle anderen betroffenen Institutionen im Bund und in den Ländern animieren, dem Thema Verkehrssicherheit für motorisierte Zweiradfahrer deutlich mehr Beachtung zu schenken. Die Unfallzahlen und insbesondere die Zahl der getöteten Motorradfahrer sind zwar in den letzten Jahren langsam, aber stetig zurückgegangen, und das trotz steigender Zulassungszahlen. Trotzdem bleibt für uns alle noch viel zu tun.

Leider habe wir es in diesem Jahr nicht geschafft, eine würdige Preisträgerin für diesen, in Europa einmaligen Preis zu finden. Das macht uns noch einmal sehr deutlich, daß Motorradfahrer offenbar immer noch als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse behandelt werden. Daß unsere aufreibende Arbeit als "Freitzeitlobbyisten" augenscheinlich immer noch nicht auf besonders fruchtbaren Boden fällt, macht uns als Vertreter der Fahrerverbände natürlich nicht besonders glücklich.

Nicht nur in Städten mit ländlich geprägten Umland sollte das Motorrad als umweltfreundliches Verkehrsmittel in unseren Augen wesentlich mehr Beachtung finden. Durch den geringen Platzbedarf auf der Straße und im öffentlichen Parkraum, den vergleichsweise niedrigen Benzinverbrauch, die Ressourcen schonende Produktion und die fast vollständige Wiederverwertung ausrangierter Fahrzeuge, von der PKW-Hersteller bisher allenfalls träumen, sind das Motorrad bzw. der Motorroller erste Wahl.

Während der Bewohner einer Großstadt mit dem Fahrrad oder per öffentlichem Verkehrsmitteln viele innerstädtische Ziele erreichen kann, schwingt sich der Umlandbewohner in seine Blechschüssel, um nach entnervendem Stau auf den Einfallstraßen und der aufreibenden Suche nach einem Parkplatz sein Gefährt endlich halbwegs gesetzeskonform in der Innenstadt unterzubringen. Zur gleichen Zeit sitzt die Motorrad fahrende Nachbarin bereits beim zweiten Frühstück im Büro. Und der Hausmann von Nebenan hat auf seiner Vespa schon alle Wocheneinkäufe erledigt. Nur das breite Grinsen, daß unsere beiden motorisierten Zweiradfahrer besonders bei schönem Wetter noch im Gesicht tragen, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den griesgrämigen Gesichtsausdruck des arg gebeutelten Dosenfahrers umgeschlagen.

In Zeiten leerer Haushaltskassen muß gerade im kommunalen Bereich auf jeden Cent geachtet werden. In vielen Fällen sind jedoch Maßnahmen, die uns Motorradfahrern das Leben leichter machen, um ein Vielfaches billiger als vergleichbare Investitionen für PKWs. Einen Großparkplatz oder ein Parkhaus für 50 Autos anzulegen ist mit Sicherheit teurer als 50 neue Motorradparkplätze in der Innenstadt auszuweisen. Selbst wenn die betroffene Kommune drastisch sparen muß, bliebe da noch einiges an Investitionsmitteln übrig, um die völlig herunter gekommen Straßen in den meisten Städten für alle Verkehrsteilnehmer sicherer zu machen.

Doch auch im Kleinen sind die Kosten für die Verbesserung der Sicherheit von uns Motorradfahrern meistens niedriger, als man zunächst denkt. Bestes Beispiel ist unser Preisträger aus dem Jahr 2000, die Stadt Neustadt an der Weinstraße. Die in Neustadt aufgebrachten, bei Regen für alle Verkehrsteilnehmer deutlich sichereren Fahrbahnmarkierungen kosten weniger und halten länger als die üblichen Straßenmalereien. Neustadt tut also nicht nur etwas für die Sicherheit von Motorradfahrern, Radfahrern und Fußgängern. Neustadt spart dabei auch bares Geld. Da braucht man gar nicht erst mit dem sicher etwas zynisch klingenden Argument zu kommen, man könne im städtischen Krankenhaus vielleicht ein bis zwei Intensivbetten für verletzte Zweiradfahrer einsparen.

Mir ist völlig unverständlich, wieso andere Kommunen den Stadtvätern von Neustadt nicht die Türen einrennen, um mehr über das neue Verfahren zu hören. Offenbar ist man anderen Ortes bereit, sich die Abschreckung von Motorradfahrern einiges kosten zu lassen.

Um es noch einmal etwas anders zu formulieren. Motorradfahrer sind nicht Teil des Problems, das unsere Städte und Regionen in Mitteleuropa haben, sondern Teil der Lösung. Daß man am Wochenende oder im Urlaub vielleicht auch noch die eine oder andere erholsame Tour durch malerische Gegenden mit dem Bike machen kann, kann getrost als "Sahnehäubchen" für den umweltbewußten, motorisierten Zweiradfahrer angesehen werden. Dafür wird er bzw. sie sich um so härter abstrampeln, wenn es bei Arbeitsbeginn wieder darum geht, das Bruttosozialprodukt zu steigern.

Der diesjährige Rückschlag in Bezug auf die "Motorradfreundliche Stadt in Deutschland" hat uns nicht entmutigt. Wir werden im nächsten Jahr den Preis erneut ausschreiben und versuchen, eine geeignete Gewinnerin zu finden. Erste Kontakte zu Städten, die gegebenenfalls sogar bereit wären, extra wegen unserer Auszeichnung etwas für uns Motorradfahrer zu tun, gibt es bereits. Ich denke, das ist ein ermutigendes Zeichen.

Meine Bitte an Euch ist, daß Ihr uns bei unserer Suche nach Kräften unterstützt. Denn vielleicht gibt es eine Menge potentieller Preisträger, die von unserer Ausschreibung noch gar nichts gehört haben oder die sich nicht trauen, sich bei uns zu bewerben. Als Beruhigung für etwas schüchterne Interessenten könnt Ihr darauf verweisen, daß wir nicht, wie in der auflagenstärksten Motorradzeitschrift veröffentlicht, die "Motorradfreundlichste Stadt", sondern nur eine "Motorradfreundliche Stadt in Deutschland" suchen. Zwei Motorradparkplätze auf dem Gelände des Großmarkts im lokalen Gewerbegebiet werden allerdings nicht ausreichen, in den Kreis der ernst zu nehmenden Aspiranten zu kommen.

Nun möchte ich aber zum eigentlichen Thema meines Vortrags kommen. Keine Sorge, ich werde mich kurz fassen.

Es freut mich besonders, daß wir dieses Jahr zwei verantwortliche Beamte der Polizei aus dem Vogelsberg als Redner für unser Hambacher Bikerfest gewinnen konnten.

Nur zur Erinnerung: im letzten Jahr hatten wir die Stadt Laubach im Naturpark Hoher Vogelsberg als "Motorradfreundliche Stadt" ausgezeichnet. Die Stadt Laubach hat nicht nur ein attraktives Konzept zur touristische Vermarktung ihrer Gemeinde unter den ehemaligen "armen Schluckern" Motorradfahrer entwickelt und umgesetzt. Was bisher nur sehr selten vorkommt, ist die Verbindung dieses Programms mit einem Angebot für motorradbezogene Verkehrssicherheitstrainings. Laubach bietet unter anderem eigene Kurse für jugendliche Fahranfänger unter 18 Jahren sowie Spezialkurse für Frauen an und beteiligt sich darüber hinaus am "Projekt B 276".

Ich zitiere noch einmal aus der damals überreichten Urkunde: "Diese Maßnahmen sind bundesweit beispielhaft. Im Namen aller Motorradfahrer bedanken wir uns bei Laubachs Bürgermeister Claus Spandau für diesen weitsichtigen Ansatz, mit dem versucht wird, das berechtigte Ruhebedürfnis der Anwohner, die wirtschaftlichen Interessen der Bevölkerung in einer strukturschwachen Region und die Verbesserung der Verkehrssicherheit in Einklang zu bringen."

Sie haben gerade eben von meinen Vorrednern aus erster Hand erfahren, wie man anderen Ortes versucht, aus einem Problem eine Chance für wegweisende Gesamtlösungen zu machen. Denn es geht in vielen Regionen Deutschlands darum, das Thema Verkehrssicherheit, die berechtigten Interessen der Motorradfahrer und die der ortsansässigen Bevölkerung in ein sinnvolles Gleichgewicht zu bringen.

Für mich war ein Punkt des Vortrags besonders wichtig: statt mit dem vermeintlichen Patentrezept "Sperrung der Straßen für Motorradfahrer" zu reagieren, hat man sich im Vogelsberg etwas Besseres einfallen lassen. Daß dazu auch die Einsichtsfähigkeit der betroffenen Motorradfahrer gehört, ist unbestritten. Ich will dabei gar nicht unter den Tisch kehren, daß es bei diesem Aspekt leider nicht nur Erfolgsmeldungen gibt.

Die Situation im Vogelsberg kann, bei allen ggf. notwendigen Abstrichen, als geradezu ideales Beispiel für die Situation im Elmsteiner Tal gelten. Denn im Fall Elmsteiner Tal hindert das in Deutschland bereits in früheren Zeiten erfolgreich praktizierten Prinzip der Sippenhaftung seit vielen Jahren die Motorradfahrer an der grundgesetzlich garantierten freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit.

Wir dürfen zwar als Steuerzahler den Bau und die Unterhaltung der Straßen im Elmsteiner Tal mit finanzieren. Wegen der gerade stattfindenden Grunderneuerung der Ortsdurchfahrt in Elmstein werden wir übrigens nachher auf der Demo eine ziemliche spannende Umleitung fahren müssen. Im Elmsteiner Tal bekommen wir aber aus nur sehr bedingt nachvollziehbaren Gründen die Nutzung der von uns mit finanzierten Straße verwehrt, und das mit höchstrichterlicher Billigung.

Gleichzeitig müssen im Elmsteiner Tal, übrigens auch in einer strukturschwachen Region gelegen, Gastronomiebetriebe mangels Zulauf dicht machen. Daß dies auch Auswirkungen auf Zulieferunternehmen hat, brauche ich wohl nicht besonders herauszustellen. Aber auch hier finanzieren wir Motorradfahrer über unsere Sozialabgaben die Folgen hoher Arbeitslosigkeit munter mit.

Offensichtlich hat es sich in den abgeschiedenen Tälern der Region immer noch nicht herumgesprochen, daß die in den letzten Jahren in großer Zahl auf den Geschmack gekommene, neue Generation von Motorradfahrern eher zu den "Besserverdienenden" in Deutschland gehören. Die Zeiten, daß man in der Kneipe ein Glas Mineralwasser bestellte, um möglichst kostengünstig eine ordentliche Toilette benutzen zu können, sind lange passé.

In den letzten Jahren ist ein zentrales Argument der Gegner der Streckensperrung im Elmsteiner Tal, das vor Gericht leider nicht ausreichend gewürdigt wurde, eindrucksvoll bestätigt worden. Die Polizei mußte zugeben, daß sich die Unfallschwerpunkte für Motorradfahrer seit der Sperrung in die umliegenden Täler verlagert hat. Ähnliche Befürchtungen haben wir ja von meinen Vorrednern auch aus dem Vogelsberg gehört. Statt mit großer Inbrunst dem heiligen St. Florian zu huldigen, könnte man es ja im Elmsteiner Tal endlich einmal mit der Erprobung intelligenter Gesamtlösungen versuchen.

Vielleicht gibt es ja die Chance, daß über das bereits angelaufene Programm zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in Rheinland-Pfalz auch für das Elmsteiner Tal neuer Schwung in die festgefahrene Diskussion kommt. Der Unterstützung der Fahrerverbände und der Masse der vernünftigen Motorradfahrer könnten Sie in jedem Fall sicher sein.

Damit möchte ich auch zum Schluß meiner Ausführungen kommen. In den letzten beiden Jahren hatte ich an dieser Stelle den "Geist von Hambach" beschworen, der die zersplitterte Verbandsszene in Deutschland einen möge. Die Motorradszene in Deutschland ist traditionell ein bunter Haufen von Leuten, die man den unterschiedlichsten "Fraktionen" zuordnen kann. Die aktuelle Verbandslandschaft ist in weiten Teilen ein Spiegelbild dieser Vielfalt. Ich persönlich bin damit durchaus zufrieden, solange die vertrauensvolle Zusammenarbeit unter dem Dach der MID sichergestellt ist.

Ich freue mich, daß sich beim diesjährigen Hambacher Bikerfest die Kooperation der beteiligten Verbände wieder einmal bewährt hat. Damit haben wir einen weiteren Schritt auf dem steinigen Weg erfolgreicher Zusammenarbeit von und für Motorradfahrer gemacht.

Ich weiß, daß Ihr schon mit den Hufen scharrt und mancher die harte Bank hier im Saal bereits mit dem weichen Sattel seines zur Demo startbereiten Bikes getauscht hat.

Damit bin ich bei dem Satz, der schon meine Rede in den letzten drei Jahr beendet hat: nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

Vielen Dank für Ihre, für Eure Aufmerksamkeit und Geduld.

Rolf "Hilton" Frieling
1. Vorsitzender der MID - Motorradinitiative Deutschland e.V.
Vorsitzender der Biker Union e.V.
Feuerbachstraße 38
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Tel.: 069 / 7 24 06 80
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3. August 2002