Polizeidirektion Neustadt
Herr Lutz

Anrede

Das Motto des diesjährigen Biker-Tages lautet ,,Für Verkehrssicherheit und gegen Diskriminierung" .

Die Polizei Rheinland-Pfalz und speziell wir von der hier zuständigen Polizeidirektion Neustadt können uns problemlos diesem Motto anschließen.
Denn: Für eine Gleichbehandlung aller einzutreten und Schwächere so gut es geht zu schützen, ist genauso Aufgabe der Polizeibeamtinnen und -beamten wie der Bereich "Verkehrssicherheit " einer der Schwerpunkte der polizeilichen Arbeit ist. Verkehrssicherheitsarbeit ist sehr vielfältig. Sowohl in den Zielgruppen (angefangen von dem Kind als Fußgänger bis zum Hobby-Motorradfahrer bis zum Berufskraftfahrer im Gefahrgut-Truck) als auch in den Konzepten (angefangen vom Konzept der Ministerien bis hin zur Methode bei den kleinen Polizeinspektionen) und bei den Verkehrsunfällen gibt es zahllose Variationen (motorradfahrende junge Fahrer, fahrradfahrende Kinder, Senioren als Fußgänger usw.)

Rheinland-Pfalz hat in diesem Jahr neben anderen auch eine neue Konzeption speziell für Motorradfahrer auf den Weg gebracht. "Motorrad fahren in RheinlandPfalz - aber sicher" lautet die Überschrift.

Was steckt dahinter

Dahinter steckt zunächst einmal ein Grundlagenwerk von über 200 Seiten. Keine Angst: Das werde ich nicht vorlesen ...
Aber ich möchte Ihnen die Schwerpunkte der Konzeption näher bringen.

Warum wurde das Konzept überhaupt gebraucht?

Es läßt sich nicht vermeiden daß ich mit ein paar Zahlen beginne, denn daß es zu dieser Konzeption kam, lag an folgenden beiden Fakten:

In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der zugelassenen Kräder in Deutschland auf runde 2,7 Millionen fast verdoppelt.
In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der bei Unfällen verletzten Kradfahrer auf über 40 000 pro Jahr erhöht.

Ich möchte diese letzte Zahl etwas plastischer machen.

Dazu will ich mich auf den hiesigen Bereich, nämlich die Stadt Neustadt und den Landkreis Bad Dürkheim (mit einem großen Anteil des Pfälzer Waldes) beschränken. Dafür sind meine Zahlen aber ganz aktuell.

Bis zum 3l .07. dieses Jahres ereigneten sich im Bereich der Polizeidirektion Neustadt 2 719 polizeilich registrierte Verkehrunfälle.
Bei 133 von ihnen waren motorisierte Zweiräder beteiligt.
Das sind ,,nur" 4,89 % der gesamten Unfälle. Nicht viel, denkt man.
Aber: reduziert man nun die Zahl aller Verkehrsunfälle auf solche, bei denen es Personenschäden gab, dann bleiben insgesamt 409 Unfälle. An diesen waren 1o6mal motorisierte Zweiräder beteiligt. Das sind schon 25,09 %, also bei jedem vierten Unfall.
Nun: motorisierte Zweiräder beginnen beim Mofa und enden beim Krad mit über 500 ccm und 70 KW.
Zählt man nun die Unfälle mit ,,richtigen" Krafträdern verringert sich die Zahl auf 55 Unfälle, das sind wieder ,,nur" 13,44 %.

Der letzte Schritt: Ich nehme nur die Unfälle mit schweren Personenschäden, also mit Schwerverletzten und Toten (hier ist die Dunkelziffer auch fast Null).
Davon gab es 104. Und bei 21 dieser Unfälle waren Kräder beteiligt; das sind schon 20,19 %. Das heißt bei jedem fünften Unfall wird ein Motorradfahrer schwer verletzt oder gar getötet. Zwei Tote gab es bei uns schon in diesem Jahr - beide fuhren große Maschinen, beide waren männlich, beide fuhren zu schnell, beide waren schuld. Der eine war 58, der andere 30 Jahre alt.

Es sind solche Fakten, die zu diesem Konzept geführt haben. Es hat das Ziel, kurzfristig die ansteigenden Verkehrsunfallzahlen bei den motorisierten Zweiradfahrern zu stoppen, mittelfristig diese Zahlen zu senken und langfristig – und das ist das schwierigste - eine Verhaltens und Einstellungsänderung bei der Zielgruppe zu erreichen.
Sie sehen, das Projekt ist zwar - wie in der Presse stand - ,,einmalig'', aber nicht einjährig. Es wird noch ein paar Jahre laufen. Aber je schneller wir es ändern (die Konzeption wird fortgeschrieben) oder gar beenden können, um so besser. Denn dann haben wir unser Ziel erreicht.

Was bietet das Produkt nun inhaltlich?
Zwei große Bereiche will ich ansprechen:

Den Bereich der Prävention
Den Bereich der Repression

Einen dritten Bereich werde ich auslassen, obwohl dieser oft fälschlicherweise der Polizei zugeschrieben wird: Die Anlage der Straßen und die Beschilderung. Hier haben die Straßenverkehrsbehörden, also das Land, die Städte, die Kreisverwaltungen das letzte Wort.

Der Bereich der Prävention oder Vorbeugung
Hier geht es darum die Zielgruppe regelmäßig und permanent zu beraten, zu informieren, zu warnen, zu helfen.
Das geschieht durch Veröffentlichungen in der Presse, durch Organisation oder Teilnahme an Veranstaltungen (wie z. B. diese hier), durch Ansprachen der Motorradfahrer bei Kontrollen. Sie werden hier einige Kollegen in Kradkleidung herumstreunen sehen. Das sind alles aktive und leidenschaftliche Kradfahrer, die mitreden können.
Ich hoffe, Sie haben die Gelegenheit genutzt oder werden sie noch nutzen, unser Verkehssicherheitsmobil aufzusuchen und/oder die Kollegen einfach mal anzusprechen. Dann - glaube ich - werden Ihre Fragen sicherlich alle beantwortet. Zum Beispiel:

Welche Gruppe ist denn am gefährdetsten?
Was, glauben Sie ? - Die Raser natürlich - und da haben sie Recht.
Bei diesen ist es auch sehr schwer, Verständnis zu wecken. Aber Gott-sei-Dank machen diese Zeitgenossen nicht den Hauptanteil aus.
Apropos Hauptanteil: In den letzten beiden Jahren hat die Altersgruppe der 35- bis 55-jährigen mit 51,2 % Anteil die Gruppe der 18- bis 35-jährigen mit 39,9 % deutlich hinter sich gelassen.
Wenn es sich bei dieser großen Gruppe um sogenannte ältere Fahranfänger handelt, die sich ,,einen Jugendtraum erfüllen", dann steigt das Unfallrisiko genau so wie bei den jungen Fahranfängern.
Deshalb: Erste Regel: Nicht selbst überschätzen!!!
Vor allem, wenn es um die Geschwindigkeit geht. Bei den erwähnten 21 Unfällen mit schweren Folgen war der Kradfahrer 13x zu schnell und 14x selbst schuld.
Sie fragen nun: Was kann ich denn tun als junger oder älterer Fahranfänger?
Zum einen Fahren Sie nicht gleich die größte Maschine, werden Sie erst sicherer. Passen Sie Ihre Geschwindigkeit an, trinken Sie keinen Alkollol, fahren Sie rechts; eigentlich das gleiche wie beim Autofahren.
Unsere Broschüre gibt Ihnen weitere Tipps. Es gibt sie im SIMOBl und bei den Polizeibeamten.
Das Non-Plus-Ultra ist natürlich ein Sicherheitstraining speziell für Motorradfahrer. Informieren Sie sich darüber bei Ihrer Verkehrswacht. Seit 10 Jahren koordiniert der DVR diese Trainings.

Was kann man noch tun?
Zweite Regel: Ordentliche Schutzkleidung tragen!!
Auch hier bekommen Sie Informationen im Verkehrssicherheitsmobil und von den herumstreunenden Polizeibeamten. Wichtig: Einen Helm tragen, der auch die Kinn und Augenpartie schützt, keinen Halbschalenhelm.

Weitere Frage: Wann passieren denn die meisten Unfälle mit Kradfahrern?
Fragen Sie beim Sicherheitsmobil nach. Ich darf lhnen sagen; die meisten Unfalle passieren bei Tageslicht und trockener Fahrbahn! Bei 17 der erwähnten 21 Unfälle traf das zu.

Oder: Wo ist es gefährlich?
Die Unfälle mit den schwersten Folgen ereignen sich bundesweit außerorts auf Landstraßen. 74 % der tödlichen Unfälle passierten dort im Jahr 2000. Auf Autobahnen waren es "nur" 5 %.
Das Risiko bei einem Motorradunfall getötet zu werden ist außerorts acht mal höher als innerorts. Das Risiko, schwer verletzt zu werden ist außerorts zweimal höher aIs innerorts.

Oder: Wie sieht es mit Alkohol aus?
Auch hier gibt die Broschüre Auskunft. Bei den 21 Unfällen war zweimal Alkohol im Spiel.

Oder: Warum ist das Elmsteiner Tal gesperrt?
Zum einen, die Sperrung gilt nur samstags, sonntags und feiertags. Und sie dient - das betone ich ausdrücklich - nicht der Gängelung und Diskriminierung der Motorradfahrer:
Es waren ausschließlich Sicherheitsaspekte, die zu dieser Maßnahme geführt haben.
Die Strecke dient u. a. als Zubringer nach Johanniskreuz, das wohl jeder als Treffpunkt für Motorradfahrer kennt. Das führte – besonders am Wochenende und an Feiertagen zu einer mengenmäßig erheblichen Belastung der Strecke durch Kradfahrer. Diese Menge steigert natürlich das Unfallrisiko, besonders auf der landschaftlich reizvolllen, aber auch teilweise problematischen Strecke. Und besonders an Wochenenden sind viele ortsunkundige Fahrer unterwegs. Die Unfallbilanz sagt dazu folgendes: in den letzten Jahren ging das Unfallgeschehen deutlich zurück. Trotzdem gab es in diesem Jahr bereits wieder vier Unfälle mit Personenschäden, dabei 1 Toten und 1 Schwerverletzten. Beide Unfälle ereigneten sich außerhalb der Sperrzeit, der schwerverletzte Fahrer war ortsunkundig. Daß die Strecke auch während der Verbotszeit befahren wird, haben unsere Kontrollen ergeben.

Und damit komme ich zum zweiten großen Bereich der Konzeption:

Der Bereich der Verkehrsüberwachung, d. h. der Polizeikontrolle

Die Macher der Konzeption haben erkannt, daß ohne angemessene Verkehrsüberwachung die Ziele des Konzeptes nicht erreicht werden können. Sie regen aber an, die Kontrollen durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte durchführen zu lassen, die neben dem nötigen Fachwissen auch das erforderliche Verständnis für die Gruppe der Motorradfahrer aufbringen.
Die Polizeidirektion Neustadt hat deshalb einen Kontrolltrupp aufgestellt, dessen Mitglieder diese Voraussetzungen erfüllen.
Fast alle Kollegen, die heute hier im Einsatz sind, gehören dem Trupp an.

Es ist leider noch nicht so, daß nahezu alle Motorradfahrer ihr Fehlverhalten den Verkehrsregeln entsprechend einrichten. Das zeigen die Unfallursachen. Ich habe Geschwindigkeit und Alkohol schon erwähnt. Ich kann noch das Kurvenschneiden und das dichte Auffahren ergänzen.
Außerdem kommt es immer wieder vor, daß die Fahrzeuge nicht den Vorschriften entsprechen, im Bereich der großen Motorräder sind die Mängel allerdings nicht so gravierend und nur selten ist so ein Motorrad verkehrsunsicher.
Bei 106 von April bis Juni im Elmsteiner Tal kontrollierten Krädern mußte zwölfmal ein Mängelbericht ausgestellt werden Neunmal mußten die Führer angezeigt werden, 26 reichte eine Verwarnung aus. Die meisten Beanstandungen gab es bei den Auspuffanlagen. Nur wenige Reifen oder Bremsen mußten bemängelt werden.
Im Zusammenhang mit den Kontrollen finde ich leicht wieder zum Anfang meines Vortrages zurück und kann so zum Schluß kommen:

Haben Sie Verständnis für die polizeilichen Maßnahmen, für die Arbeit meiner Kollegen und dafür, daß die Kontrollen weiter fortgesetzt werden. So wie Sie Verständnis für sich und Ihre Leidenschaft einfordern.
Wir werden das Verständnis aufbringen, dessen bin ich sicher.

Schlußwort