Rolf "Hilton" Frieling
1. Vorsitzender
der MID - Motorradinitiative Deutschland e.V.
und der Biker Union e.V.

(Foto: Klaus Schumacher) 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bikerinnen und Biker,

fast genau vor einem Jahr hatten wir uns an gleicher Stelle versammelt, um gegen die Diskriminierung von uns Bikern und Motorradfahrern öffentlich unsere Stimme zu erheben. Damals war die Sportgemeinschaft Stern, die Betriebssportgruppe der Daimler-Chrysler AG, unser Gastgeber hier im Schloß.

In diesem Jahr hat sich die MID - Motorradinitiative Deutschland e.V., das Koordinationsgremium der deutschen Motorradfahrerverbände, zur Aufgabe gemacht, diese sehr erfolgreiche Veranstaltung auf geschichtsträchtigem Boden und in feierlichen Ambiente fortzuführen. Unter dem Motto "Für Verkehrssicherheit - Gegen Diskriminierung" wollen wir erneut gegen die Einschränkung unserer Grundrechte protestieren.

Gleichzeitig wollen wir aber auch positive Signale setzen. Denn mit der Verleihung einer Auszeichnung an die Stadt Neustadt an der Weinstraße als "bikerfreundliche Stadt in Deutschland" wollen wir Städte und Gemeinden, aber auch alle anderen Institutionen, die im Bund und in den Ländern für den Bau und die Unterhaltung von öffentlichen Straßen zuständig sind, animieren, dem Thema Verkehrssicherheit für motorisierte Zweiradfahrer deutlich mehr Beachtung zu schenken. Die Unfallzahlen und insbesondere die Zahl der getöteten Motorradfahrer gehen zwar in den letzten Jahren langsam, aber stetig zurück. Und das trotz weiter steigenden Zulassungszahlen. Trotzdem bleibt für uns alle noch viel zu tun.

Das Hambacher Schloß ist durch das Hambacher Fest, allgemein als Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland bezeichnet, eng mit dem Begriff Freiheit verbunden. Als am 27. Mai 1832 30.000 Menschen den Schloßberg hinauf zogen, waren Freiheit, Bürgerrechte und nationale Einheit die beherrschenden Themen.

In den letzten, fast 170 Jahren ist viel von dem, was die Teilnehmer des Hambacher Festes damals gefordert hatten, Realität geworden. Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind heute grundgesetzlich garantierte Bürgerrechte in Deutschland. Auch die nationale Einheit ist seit Anfang der 90er Jahre eigentlich kein Thema mehr. Die erste friedliche Massenkundgebung der Neuzeit war also, trotz mancher Rückschläge, letzten Endes erfolgreich.

Schaut man allerdings etwas genauer hin und schaut man sich einige Bereiche an, die für uns als Biker und Mottoradfahrer besonders interessant sind, bekommt man manchmal so seine Zweifel.

Keine zehn Kilometer vom Hambacher Schloß entfernt liegt das Elmsteiner Tal, dem normalen Touristen als eine der idyllischsten Gegenden des Pfälzer Waldes bekannt. Für Motorradfahrer heißt es seit vielen Jahren: "wir dürfen am Wochenende nicht hinein". Grund für dieses Verbot war eine auffällige Häufung von Motorradunfällen mit Toten bzw. schwer verletzten Bikern, die im wesentlichen auf unangepaßte Geschwindigkeit zurückzuführen waren.

Mit anderen Worten: das Elmsteiner Tal wurde von einigen Motorradrowdies dazu genutzt, am Wochenende Privatrennen mitten im sonntäglichen Ausflugsverkehr zu veranstalten. Und das ging eben hin und wieder einmal schief.

Statt nun aber gezielt gegen die rücksichtslosen Raser vorzugehen, wählte man das einfachste Mittel und schloß alle Motorradfahrer aus. Nach dem in Deutschland bereits in früheren Zeiten erfolgreich praktizierten Prinzip der Sippenhaftung werden alle Motorradfahrer an der grundgesetzlich garantierten freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit gehindert. Und das im Fall Elmsteiner Tal mit höchstrichterlicher Billigung. Alle Anstrengungen, dieses Verbot wieder aufzuheben zu lassen, waren bislang vergeblich.

Bei einer Häufung von PKW-Unfällen auf einem bestimmten Straßenabschnitt ist meines Wissens bisher noch keiner auf die Idee gekommen, diese Stecke für alle PKW-Fahrer zu sperren. Dabei gäbe es auf mancher Disko-Rennstrecke, auf denen Monat für Monat junge Menschen durch riskante Fahrweise ums Leben kommen, genug Anlässe, über solche Dinge nachzudenken. Bei Motorradfahrern ist man mit solchen, einschneidenden Maßnahmen schnell bei der Hand. Denn man vertraut darauf, das Motorradfahrer keine starke Lobby haben. Das wird sich ändern. Denn deshalb sind wir hier.

Seit dem 1. Hambacher Biker Fest im letzten Jahr kennen wir den eigentlichen Grund für Aufrechterhaltung der Straßensperrung im Elmsteiner Tal: die Gemeinde Elmstein ist offenbar nicht willens oder nicht fähig, eine minimale touristische Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Einfacher ausgedrückt: weil es im Elmsteiner Tal keine Toilettenhäuschen für durchreisende Motorradfahrer gibt, werden unsere Grundrechte mit Füßen getreten. Wir dürfen zwar als Steuerzahler den Bau und die Unterhaltung der Straßen im Elmsteiner Tal mitfinanzieren, bekommen aber aus nichtigen Gründen deren Nutzung verwehrt.

Und es kommt noch schlimmer. Da der Pfälzer Wald zu den strukturschwachen Gebieten unserer Republik gehört, werden wir wahrscheinlich gleich noch ein zweites Mal zur Kasse gebeten. Denn statt die Chance zu nutzen, der lokalen Wirtschaft über den Wirtschaftsfaktor "Motorradtourismus" gezielt auf die Beine zu helfen, müssen im Elmsteiner Tal Gastronomiebetriebe mangels Zulauf dicht machen. Daß dies auch Auswirkungen auf Zulieferunternehmen hat, brauche ich wohl nicht besonders herauszustellen.

Offensichtlich hat es sich in den abgeschiedenen Tälern der Region immer noch nicht herumgesprochen, daß die in den letzten Jahren in großer Zahl auf den Geschmack gekommene, neue Generation von Motorradfahrern eher zu den "Besserverdienenden" in Deutschland gehören. Die Zeiten, daß man in der Kneipe ein Glas Mineralwasser bestellte, um möglichst kostengünstig eine ordentliche Toilette benutzen zu können, sind lange passé.

Um hier Problembewußtsein zu schaffen und Lösungsalternativen anzubieten, haben wir, aufbauend auf den im letzten Jahr ausgearbeiteten Ausfahrten der SG-Stern, ein Touristikunternehmen gefunden, daß ab dem nächsten Jahr zweitägige, geführte Motorradtouren durch den Pfälzer Wald anbieten wird. Eine dieser Touren wird auch das 3. Hambacher Bikerfest am 4. August 2001 anfahren. Solche Aktionen werden hoffentlich beweisen, daß Motorradfahrer eine interessante Klientel für die lokale Wirtschaft sein können.

Auch die zweite Begründung für die Beibehaltung der Straßensperrung im Elmsteiner Tal ist in den letzten Wochen heftig ins Wanken geraten. Auf einer Veranstaltung der Polizeidirektion Landau in Annweiler wurde von offizieller Seite erstmals eingeräumt, daß es entgegen anders lautenden Behauptungen sehr wohl eine Verlagerung von Motorradunfällen aus dem Elmsteiner Tal in die umliegenden Täler gegeben hat. Damit bricht eines der zentralen Argumente der Befürworter dieser Sperrung weg, das in den beiden Prozessen der ARGE gegen die Straßensperrung maßgeblich für die Klageabweisung war. Anders ausgedrückt: das St. Florians-Prinzip feiert im Elmsteiner Tal fröhliche Urstände.

Das Elmsteiner Tal ist beileibe kein Einzelfall. Die von Fahrerverbänden gesammelten Informationen zu Straßensperrungen nur für Motorradfahrer füllen ganze Ordner. Und es gibt immer wieder Versuche, die lange Liste gesperrter Strecken um einige schöne Flecken Erde zu erweitern. Bestes Beispiel ist die Neuffener Steige, wo eine lokale Gruppe von unmittelbar Betroffenen, die Motorradfreunde Neuffener Steige, seit Jahren vergeblich gegen die Straßensperrung klagt.

Wir haben einige Vertreter der Motorradfreunde heute unter uns. Laßt Euch von denen mal erzählen, wie mit unbewiesenen Behauptungen, dreisten Lügen und Verfahrenstricks der Behörden Motorradfahrer um ihre Rechte gebracht werden. Und die Justiz spielt dabei munter mit. Erst im Frühjahr hat das Verwaltungsgericht mal wieder eine Klage abgewiesen. Wir hier im Saal wünschen Euch, daß es dieses Mal in der Berufungsverhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Stuttgart endlich klappt. Wir drücken Euch in jedem Fall die Daumen.

Das es beim Thema Straßensperrung für Motorradfahrer auch anders geht, zeigen Aktivitäten rund um den Schottenring im Vogelsberg, über die ich im letzte Jahr berichtet habe. In Schotten haben sich die lokale Behörden, Polizei, Straßenbauverwaltung und die Motorradfahrer-Verbände zusammengetan, um mit Aktionen, Appellen an die Vernunft und mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen die Unvernünftigen in unseren Reihen vorzugehen. In Zusammenarbeit mit der Fachhochschule der Polizei in Hessen wurde eine Studie erstellt, die seit einigen Wochen vorliegt und von uns noch ausgewertet werden muß.

Meine damals geäußerte Hoffnung, daß dieses Vorgehen Schule mache, scheint wohl doch auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Denn auch die Fachhochschule der Polizei von Rheinland-Pfalz in Hahn will sich mit dieser Thematik wissenschaftlich auseinandersetzen. Und sogar in der unmittelbaren Region gibt es Bemühungen der Polizei, zusammen mit den Fahrerverbänden und anderen Institutionen, die von Politikern geforderte Sperrung des Wellbachtals zu verhindern.

Meine Hoffnung ist, daß bei einer Häufung von Motorradunfällen Vernunft und Augenmaß wieder Einzug in die Diskussion halten. Die Verbände sind bereit, das Ihre dazu beizutragen. Über Aufklärungsmaßnahmen und Aktionen vor Ort läßt sich Problembewußtsein schaffen und ein gewisser "Gruppendruck" in Richtung auf eine vernünftige Fahrweise erzeugen. Schwarze Schafe müssen zur Not "aus dem Verkehr gezogen" werden. Das rechtliche Instrumentarium dazu ist vorhanden. Denn die Konsequenz weiterer Straßensperrungen in der Region Neustadt wäre, den kompletten Pfälzer Wald für Motorradfahrer zu sperren. Und damit ist letztendlich keinem gedient.

Über einen anderen Bereich, in dem die Diskriminierung von uns Bikern geradezu zum Himmel schreit, habe ich im letzten Jahr berichtet. Die seit mehreren Jahren stattfindende Fete der regionalen Harley-Szene auf der Kreut-Alm, auf der sich viele Harley-Fahrer insbesondere aus der Schicki-Micki-Ecke völlig friedlich und ohne Streß austobten, wurde letzten Juli mit einem Großaufgebot von Polizei und Bundesgrenzschutz regelrecht aufgemischt. Anreisende wurden kontrolliert und vor dem erstaunten Publikum zum Teil bis auf die Unterhose ausgezogen. Dabei sollte die Stripshow doch eigentlich erst gegen Mitternacht stattfinden.

Pressevertretern wurde trotz vorgelegtem Presseausweis das Fotografieren unter Androhung von unmittelbarem Zwang und mit Hinweis darauf, daß Kameras als Kunstwerke japanischer Feinmechanik bekanntlich leicht Schaden nehmen könnten, verboten.

Der bayerische Innenminister, Herr Beckstein, hat im Nachgang vor dem Bayerischen Landtag darauf hingewiesen, daß nicht alleine Harley-Fahrer der Polizei suspekt seinen, sondern daß dies auch für die Fahrer anderer Fabrikate gelte. In Bayern bleibt also wenigstens der Gleichheitsgrundsatz gewahrt.

Herr Beckstein kann sich und seinen Mitarbeitern gratulieren: ab diesem Jahr wird es keine Biker-Party auf der Kreut-Alm mehr geben. Denn wer läßt sich schon gerne die Hosen ausziehen noch bevor er auf dem Party-Gelände angekommen ist.

Zum Abschluß meiner Ausführungen möchte ich noch ein paar Sätze quasi in eigener Sache los werden. Denn was mir an dieser historischen Städte nach wie vor auf dem Herzen liegt, ist das auf dem historischen Hambacher Fest von 1832 beschworene Thema Einheit.

Im letzten Jahr hatte ich an gleicher Stelle den "Geist von Hambach" beschworen, der die zersplitterte Verbandsszene in Deutschland einen möge. Die Motorradszene in Deutschland ist traditionell ein bunter Haufen von Leuten, die man den unterschiedlichsten "Fraktionen" zuordnen kann. Die aktuelle Verbandslandschaft ist in weiten Teilen ein Spiegelbild dieser Vielfalt. Ich persönlich bin damit eigentlich durchaus zufrieden.

Eines betrifft uns aber alle: wir möchten auch in der Zukunft noch Motorrad fahren und uns die dazu notwendigen Freiräume erhalten. Angesichts der aktuellen Situation ist dazu aber ein koordiniertes Vorgehen der Verbände notwendig. Erfolgreich sind wir in meinen Augen nur dann, wenn wir uns die alte militärische Weisheit "getrennt marschieren, vereint schlagen" zunutze machen.

Wer sich das Plakat zum diesjährigen Hambacher Biker Fest mit den Logos der Ausrichter und Unterstützer anschaut, sieht, daß mein Wunsch zu einem großen Teil in Erfüllung gegangen ist. Leider fehlt das Logo des zweitgrößten Motorradfahrerverbandes in Deutschland, des BVDM. Trotz aller Versuche ist es uns nicht gelungen, den Vorstand des BVDM davon zu überzeugen, persönliche Animositäten zugunsten der gemeinsamen Sache zurückzustellen. Leider hat die Mitgliederversammlung des BVDM diese Entscheidung im April diesen Jahres noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Noch auf der Mitgliederversammlung kamen jedoch viele BVDM-Mitglieder zu mir, um mir zu sagen, daß sie diesen Entschluß für falsch halten. Einige haben sich sogar sehr aktiv für Hambach eingesetzt. Dafür möchte ich mich noch einmal ausdrücklich bedanken.

Wenn ich mich hier im Saal umsehe, scheinen auch viele andere BVDM-Mitglieder diese Meinung zu teilen. Denn sonst wären sie unserem Ruf: "Biker, hinauf, hinauf zum Schloß nicht gefolgt". Wir werden uns auch in der Zukunft darum bemühen, den BVMD wieder mit ins Boot zu bekommen. Denn wir sind nicht daran interessiert, daß der Ausspruch von Herrn Gorbatschow über die Strafe für die zu spät Gekommenen Realität wird.

Nur gemeinsam sind wir in der Lage, große Dinge zu bewegen. Packen wir es an !

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

12. August 2000

Rolf Frieling
Biker Union e.V.
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